EXPO 2017 in Astana: Wie man die Pitch-Präsentation gewinnt
von Andreas Hobelt,
Der deutsche Pavillon präsentiert die deutsche Haltung zum Thema der aktuell in Kasachstan stattfindenden EXPO 2017: „Future Energy“. EVENT PARTNER Autor Andreas Horbelt hat am Pavillon mitgearbeitet. Als Kreativdirektor für insglück war er Teil der ARGE insglück | gtp2 | mac, die den deutschen Pavillon in Astana realisiert hat.
Der deutsche Pavillon wurde, wie bei „kleinen“ Weltausstellungen üblich, in ein vorgegebenes Gebäude integriert. Neben der Ausstellungsfläche und dem akustisch abgetrennten Raum für die Show beinhaltet der Pavillon ein Restaurant mit einhundert Plätzen und vollwertiger Küche, eine große VIP-Lounge und diverse Büros. Der Pavillon ist drei Monate in Betrieb, es werden ihn wohl bis zu 400.000 Menschen besuchen.
Anzeige
Die Planungs- und Produktionsphase erstreckte sich über anderthalb Jahre, am 10. Juni 2017 wurde der deutsche Pavillon eröffnet und ist seitdem einer der meistbesuchten Pavillons der EXPO. In EVENT PARTNER Interview berichtet Andreas Horbelt exklusiv über das Projekt.
“Die Herausforderung ist, dass keine Agentur und kein Architekt den Wettbewerb alleine stemmen kann, man muss sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammentun”
Am Anfang des Projektes stand für euch der erfolgreich gewonnene Pitch. Wie sah der Wettbewerb aus – und wie gewinnt man ihn?
Der Wettbewerb wird vom Bundeswirtschaftsministerium ausgeschrieben. Er begann mit einer Qualifizierung im Herbst 2015. Darauf folgte die eigentliche Wettbewerbsphase von Januar bis April 2016. Wir haben ein Booklet mit über 200 Seiten produziert: Man muss ein komplettes Konzept entwickeln, Themen recherchieren und den Pavillon komplett gestalten und durchplanen. Dazu kommt die Budgetplanung, Brandschutz, Technikpläne und vieles mehr. Das ist insgesamt ein ziemliches Invest, das von der Wettbewerbsvergütung auch nicht ansatzweise gedeckt wird. Am Ende stand dann die Präsentation vor einer 40-köpfigen Auswahlkommission …
Die eigentliche Herausforderung ist wahrscheinlich, dass keine Agentur und kein Architekt den Wettbewerb alleine stemmen kann, man muss sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammentun. Diese Teamaufstellung will wohlüberlegt sein, man muss sich mit seinen Kompetenzen ergänzen und sich auch persönlich schätzen – denn man wird viel Zeit miteinander verbringen.
Und das war sicher auch ein Geheimnis unseres Erfolges, wir waren eine starke ARGE. Insglück hat die ARGE geführt und mit Detlef Wintzen, mir und dem Team einen frischen kreativen Blick auf die Herausforderung mitgebracht. GTP2 Architekten und Anthony de Taranto haben unsere Kreativität mit viel EXPO-Erfahrung geerdet, und mac als starker Baupartner hat in Kasachstan Dinge möglich gemacht, die vorher keiner für möglich gehalten hat.
Wie sah euer Konzept aus – und was hat es deiner Meinung nach zu einem Gewinnerkonzept gemacht?
Es gab sicher ein paar Faktoren, die unser Konzept ausgezeichnet haben. Da ist erst einmal die grundlegende architektonische Idee, die Fassade des Pavillons zu öffnen und dadurch eine großzügige einladende Eingangspassage zu schaffen, die gleichzeitig die Herausforderungen der Wegeführung perfekt löst.
Dazu kommt die Idee der Smartsticks: Jeder Besucher bekommt am Eingang einen Smartstick ausgehändigt, eine Art abstrahierte Batterie, mit der er im Pavillon alle Exponate aktiviert – in seiner bevorzugten Sprache. Mit jedem aktivierten Exponat sammelt der Besucher Wissen – und damit Energie. Am Ende starten alle Besucher gemeinsam mit ihrer gesammelten Energie die Mainshow und verändern symbolisch die Welt ein klein bisschen zum Besseren. Diese Rahmenhandlung ist sehr eingängig und plakativ und die dezente Gamification spornt die Besucher an, sich wirklich alles anzusehen.
Die Dramaturgie der Räume ist sicher auch ein Faktor, sie symbolisiert einen Zoom: von der globalen Herausforderung (im Intro) über die vernetzten Lösungen aus der Vogelperspektive (auf der Karte der Zukunft) hinein in die Lebenswelt der Besucher (in der Stadt der Zukunft) hin zum Wichtigsten überhaupt: zum Menschen (in der abschließenden Show).
Dieses Rahmenkonzept erlaubt es uns, klare und großzügige Räume von großer Unterschiedlichkeit zu schaffen, die trotzdem zwingend zusammenhängen. Die finale Show schafft einen großen emotionalen Abschluss, ist aber nicht aufgesetzt, sondern bildet dank des dramaturgischen Rahmens und des Smartsticks einen schlüssigen Endpunkt. Das Besuchererlebnis als Ganzes verbindet eingängig Didaktik und Emotion und findet damit die Tonalität, die vielleicht alle deutschen Pavillons der näheren Vergangenheit eint. Die Exponate stärken diesen Ton, die Besucher haben wirklich Spaß an den einzelnen Stationen – und lernen etwas dabei.
Und dann spielen sicher auch Dinge wie der Detailgrad der Planungen, das Budget (und seine Glaubwürdigkeit) und die Erfahrung der Beteiligten eine große Rolle.
Worauf bist du besonders stolz?
Ich habe während des Wettbewerbs viel darüber nachgedacht, wie sich Deutschland auf einer EXPO in einem nicht demokratischen Land präsentieren sollte. Für mich ist die Geschichte, die wir im Pavillon erzählen, auch eine Geschichte von Emanzipation und Empowerment. Das passt auch insofern, als dass ja auch die Geschichte der deutschen Energiewende eine Geschichte von Emanzipation und Demokratisierung ist. Die Besucher sammeln in der Ausstellung Wissen, und dieses Wissen gibt ihnen die Kraft und die Energie, etwas zu verändern. Gemeinsam. Das erleben sie symbolisch in der finalen Show, die wir ganz bewusst als einen runden Tisch geplant haben: Die Menschen folgen nicht passiv einem Film wie im Kino, sie starten die Show vielmehr selbst mit ihrer Energie, sehen sich gegenseitig, erleben, wie sie gemeinsam etwas bewegen können.
Wettbewerb also gewonnen – und dann?
Erstmal natürlich Champagner. Viel Champagner. Und Wodka. Und dann auch ein bisschen Katzenjammer. Das kennen alle, die an großen Wettbewerben teilnehmen: Natürlich will man unbedingt gewinnen, aber wirklich vorbereitet ist man auf die freudige Nachricht nicht. Wir haben uns dann erstmal sortiert und das Team allseits aufgestockt, z.B. mit Tamschick Media + Space, die die Verantwortung für die Mainshow übernommen haben, oder mit Neumann & Müller, die sich um Licht und AV gekümmert haben.
Die Ausdetaillierung des Konzeptes war für alle Beteiligten eine Mammutaufgabe. Konzeptionsseitig hatten wir bei insglück z.B. über zwanzig Kooperationspartner an Bord, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die Exponate und Know-how gestellt haben. Oder die Texte. Die ganze Ausstellung ist viersprachig. Deutsch, englisch, russisch und kasachisch. Das hat Spaß gemacht … Auch die Anpassung der Raumgestaltung an die realen Gegebenheiten vor Ort war sehr aufwändig und zeitintensiv.
Dann die Umsetzung: Wir mussten uns in kasachische Realitäten einarbeiten, Dienstleister, Know-how und Material vor Ort auftun, denn es war schnell klar, dass verschiedene Einfuhrproblematiken uns zwingen würden, so viel wie möglich vor Ort zu produzieren. Wir haben uns mit kasachischem Baurecht auseinandersetzt, russische Genehmigungsplanungen erstellt und sind tief eingetaucht in eine postsowjetische Monsterbürokratie, vom Zoll ganz zu schweigen. Ich glaube, alle im Team sind irgendwann im Verlauf des Projektes mal an ihre Grenzen gekommen – und darüber hinaus.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei unserem Kunden, den Kollegen vom Bundeswirtschaftsministerium ausdrücklich bedanken: Uns wurde da unglaublich viel Vertrauen entgegengebracht, es war wirklich ein Zusammenarbeiten auf Augenhöhe. An vielen Punkten haben uns die Kollegen, die ja schon viele Weltausstellungen gemacht haben, ganz wesentlich unterstützt. Es herrschte von Vornherein das Verständnis, dass man gemeinsam die Herausforderung EXPO bestehen würde, wir sind als Team angetreten. Ganz anders, als man das von manchem Wirtschaftsunternehmen (leider) kennt.
Die drei größten Herausforderungen?
Der Zoll, die Logistik vor Ort und der Zoll. Wir hatten zeitweise wirklich Zweifel, ob wir überhaupt einen Laster aufs Gelände bringen und entladen würden. Aber manches gibt es eben nicht in Kasachstan, da war die Einfuhr unumgänglich. Wir hatten eh nur eine Handvoll Laster aus Deutschland …
Jetzt ist der Pavillon fertig. Zufrieden?
Ja, wirklich sehr. Es war unglaublich spannend, nach anderthalb Jahren Planung das erste Mal in den gebauten Räumen zu stehen. Und es funktioniert! Die Räume bringen die atmosphärische und narrative Intensität mit, die wir uns erhofft haben. Die Ausführungsqualität ist super. Die Besucher verstehen das Konzept von selbst und nehmen den Pavillon und seine Angebote an. Wir sind einer der meistbesuchten Pavillons auf der EXPO und wann immer ich da war, habe ich begeisterte Besucher angetroffen, die Spaß hatten – während sie etwas gelernt haben. Dass das nach all den Herausforderungen der Produktionsphase so gekommen ist, macht mich sehr glücklich. Die Arbeit hat sich gelohnt. Es war wirklich eine Teamleistung, und ich bin stolz, Teil dieses Teams gewesen zu sein.
https://youtu.be/LN4A0Zh8BIk
Lohnt sich die Reise zur EXPO?
Das muss jeder selbst entscheiden. Es gibt – neben dem deutschen Pavillon – ein paar Pavillons, die wirklich großartig sind, v.a. der österreichische, der schweizerische und der britische und auch die Energie-Ausstellung in der zentralen Kugel. Aber vieles ist auch belanglos und langweilig. Die Stadt selbst ist bedingt interessant, weniges ist älter als zwanzig Jahre. Wer nach Kasachstan reist, sollte unbedingt auch nach Almaty und ins Tian Shan reisen. Wunderbar und unfassbar freundlich sind die Kasachen selbst. Und wer gerne Fleisch isst, zumal Pferd, der sollte auf jeden Fall eine Reise nach Kasachstan erwägen.