von Andreas Schäfer, Dr. Birgit Gottschalk , Artikel aus dem Archiv
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Eventbranche aus? Arbeiten wir wie gehabt? Was sind die Veränderungen bei der Arbeit? Sind die heutigen Unternehmen auf die Zukunft eingestellt?
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Gewichtige Fragen für einen Round Table Talk, an dem sich dieses Mal folgende Eventexperten beteiligt haben: Christian Sommer ist Geschäftsführer des Technikdienstleisters Ambion GmbH, die aktuell rund 160 Mitarbeiter beschäftigt. Tom Bauerfeind ist Geschäftsführer bei Apleona HSG Event Services mit etwa 120 Mitarbeitern; bis 22. Februar 2017 firmierte das Unternehmen im Handelsregister unter Bilfinger HSG Event Services GmbH. Thomas Brunk ist einer von drei Managing Partnern der Agentur Dreinull für Mediatainment GmbH & Co. KG mit 50 Mitarbeitern.
In unserer Galerie stellen wir die drei Round Table Talk-Teilnehmer vor:
Bild: Hilmar B. Traeger
Tom Bauerfeind, Geschäftsführer bei Apleona HSG Event Services
Bild: Hilmar B. Traeger
Thomas Brunk, einer von drei Managing Partnern der Agentur Dreinull für Mediatainment GmbH & Co. KG
Bild: Hilmar B. Traeger
Christian Sommer, Geschäftsführer des Technikdienstleisters Ambion GmbH
Sind Sie für Arbeit 4.0 gerüstet?
Tom Bauerfeind: Das hoffe ich doch. Die Eventbranche ist schon eine spezielle Branche und hat spezielle Anforderungen an Mitarbeiter. Wir versuchen immer nachzurüsten, wenn man das vielleicht so sagen kann. Ob wir aktuell schon so aufgestellt sind, dass wir nichts mehr tun müssten, das wage ich zu bezweifeln, aber wir versuchen natürlich, mit der Zeit zu gehen.
Wie sieht es denn bei einem Technikdienstleister aus: Digitalisierung, technologische Entwicklung, Netzwerktechnik?
Christian Sommer: Ich glaube, wir sind gut vorbereitet, es beschäftigt uns schon seit Jahren. Und jetzt haben wir noch einen Vorteil: Wir betreuen eine ganze Menge an Veranstaltungen im HR-Bereich und da ist natürlich schon vor zehn Jahren über Dinge gesprochen worden, die jetzt kommen. Ich würde sagen, wir sind gut aufgestellt.
Wie sieht das für eine Agentur aus?
Thomas Brunk: Wir sind in einer besonderen Situation, weil wir erst vor relativ kurzer Zeit groß geworden sind. Unser größter Wachstumsschritt liegt jetzt erst ein Jahr zurück, wo wir von 15 auf knapp 40 bis 50 Mitarbeiter gewachsen sind, und insofern sind wir natürlich dabei, die Systeme mit hochzuziehen, um auch eine größere Struktur betreuen zu können. Wir sind gerade dabei, uns zu setteln. Innerhalb dessen aber, denke ich, haben wir uns ganz gut aufgestellt.
Erwarten Sie, dass es in nächster Zeit digitale Eventmanager-Bots gibt, die Agenturarbeit übernehmen?
Brunk: Das glaube ich nicht. Gerade im Eventbereich ist es ja so, dass Veranstaltungen nun mal davon leben, dass ich mit anderen in Kontakt komme und mich austausche. Und das ist in der Vorbereitung auch so. Das ist zumindest unsere Erfahrung. Wenn ich nah dran bin an meinem Kunden, kann ich besonders gut performen. Natürlich gibt es Plattformen, über die ich kollaborieren kann. Die nutzen wir auch. Und es gibt alle möglichen digitalen Hilfsmittel. Aber richtig gut werden wir immer dann, wenn wir in den Workshop gehen, direkt den Kunden vor uns haben und mit ihm interagieren, gemeinsam herausfinden können, was er eigentlich will. Das findet kein digitaler Roboter heraus.
Die Projektmanagement-App, die Ihre Arbeit fast überflüssig machen würde, sehen Sie noch nicht?
Brunk: Nein. Es gibt natürlich Apps, die unterstützen und helfen. Es gibt massenweise Projektmanagement-Software. Die Krux ist aber immer, dass es einer gewissen Administration bedarf, damit die gut funktioniert. Ich sehe noch nicht, dass unsere Arbeit ersetzt wurde durch einen digitalen Assistenten. Das ist noch ein weiter Weg.
Herr Sommer, Sie haben das Glück, dass Sie noch analoge Technik stapeln und transportieren müssen. Lautsprecher als Schallwandler funktionieren noch nicht digital, Scheinwerfer auch noch nicht, sie sind zwar digital in der Ansteuerung, aber nicht in der Leistung.
Sommer: Dennoch switcht natürlich unheimlich viel in Richtung Computer. Wir beobachten, dass wir früher unterschiedliche Geräte hatten, die unterschiedliche Aufgaben erfüllt haben. Heutzutage ist es so, dass ich einen Rechner habe, der jeweils mit einem Stück Software gekoppelt wird, und ich mit diesem ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen kann. Die Technik wird unglaublich leistungsfähig. Was entscheidend ist – und das kennt man grundsätzlich vom Thema Computer – ist der Faktor Mensch, der es dann auf den Punkt auch so bedienen kann, dass es funktioniert. Wir haben ja selten die Möglichkeit, irgendetwas nachzubessern. Und da geht unsere Personalstrategie auf, die einfach versucht, Mitarbeiter langjährig zu entwickeln, gut zu schulen und einfach auch mit festen Leuten zu arbeiten. Das greift Hand in Hand.
Wie sind bei Ihnen die Zyklen, in denen Sie Mitarbeiter auf neue Technik oder neue Software umschulen müssen?
Sommer: Ich würde nicht von Zyklen sprechen, es ist permanent. Man entscheidet sich für ein Produkt oder vielleicht auch für eine Technologie und wir schulen permanent darauf. Wenn es neue Releases gibt, räumen wir Mitarbeitern Zeit ein, sich nach stressigen Produktionen inhouse mit Sachen zu beschäftigen.
Und wie sieht es bei Ihnen aus mit Digitalisierung?
Bauerfeind: Ich würde Herrn Brunk zustimmen, dass der entscheidende Faktor gerade in unserer Branche der Mensch ist und auch das persönliche Aufeinandertreffen mit dem Kunden, weshalb ich auf der Projektmanagementebene diese Digitalisierung als nicht so entscheidend sehe, sondern in den Themen der Prozesse; also dass man die Mitarbeiter über digitale Hilfsmittel entsprechend besser in die Lage versetzt, ihre Arbeit zu erledigen, und sie auch standardisiert. Im Verleihgeschäft müssen alle Lagerprozesse etc., die Auftragsannahme und Auftragsabwicklung sowie die Abrechnung standardisiert sein. Da muss man immer wieder nachschärfen, das System auf neue Anforderungen umprogrammieren lassen und natürlich dann auch die Mitarbeiter schulen oder entsprechend einweisen.
Ansonsten ist auch bei uns die Tendenz zum festen Mitarbeiter, den wir auch selber ausbilden und der es im Grunde von der Pike auf gelernt hat. Sie müssen eben eine bestimmte Kompetenz vermitteln. Das Telefonat oder das persönliche Aufeinandertreffen ist immer noch das, was am erfolgversprechendsten ist, um einen Auftrag zu generieren und zu gewinnen. Anonyme Bestell-Apps, ja, das gibt’s mal, wenn einer nur zehn Stehtische braucht, das ist kein Thema.
Brunk: Wir unterscheiden uns über kreative Konzepte. Ich habe jetzt ein paar Plattformen von Kunden kennengelernt, wo der gesamte Ausschreibungsprozess über die digitale Plattform abgewickelt wird, wo ich keinerlei Chance mehr habe, mit dem Gegenüber überhaupt in Kontakt zu treten. Wie will ich mich denn dann auf diese Art und Weise kreativ abheben? Klar, ich kann dann ein kreatives Konzept machen, im Zweifelsfall aber wird der Preis verglichen. Dann wird’s halt schwierig, wenn man so gar keine Chance hat, das Gegenüber zu sprechen und kennenzulernen, herauszufinden, was dort für Gedanken herrschen. Das ist eine Art von Digitalisierung, die vielleicht dem Unternehmen hilft, sich den Billigsten herauszusuchen, aber gerade in der Kreativbranche ist das ja nicht immer das Beste, was man dann bekommt. Die Frage ist doch: Wie skaliere ich Kreation? Bei Schrauben ist das einfach, aber bei einem Konzept: Wie soll ich das denn messen? Ich habe bisher nicht kennengelernt, dass auf solchen Plattformen Kreation mit nachvollziehbaren Kriterien gemessen wird.
Wo sehen Sie denn noch positive Potenziale durch Digitalisierung? Wird Ihr Lager irgendwann durch einen Roboterstapler automatisch betrieben? Der Lkw fährt automatisch von Frankfurt nach Düsseldorf?
Bauerfeind: Das mit dem Lkw dauert noch ein bisschen. Das mit dem Lager ist natürlich eine Entwicklung. Man denkt auch über Reinigungsroboter für Möbel nach. Diese Entwicklungen sind mit einem sehr hohen Invest verbunden. Wo man etwas standardisieren kann, wird eine gewisse Automatisierung und Digitalisierung einziehen. Die Entlastung der Mitarbeiter über Digitalisierung ist eigentlich mein größtes Ziel, und auch ein paar Standardprozesse und Standardprojekte über Onlinebuchungen abzuwickeln. Aber das, was Spaß macht und wovon wir leben, sind eben die beratungsintensiven Projekte, und die werden wir da nicht abbilden können.
Sie setzen verstärkt auf den Faktor Mitarbeiter.
Bauerfeind: Das hat sicherlich auch etwas mit der allgemeinen Situation auf dem Arbeitsmarkt zu tun. Bei uns ist es schon schlimm, aber in München ist es noch schlimmer, was ich so von Kollegen höre: Der Markt ist leer gefegt. Es ist ja schon schwer, feste Mitarbeiter überhaupt zu akquirieren. Sie brauchen Mitarbeiter, die das Blut ihres Unternehmens in sich haben und die auch das Unternehmen vor Ort vertreten.
Sommer: Wir haben eine Projekt-Software eingeführt, die einen ganz starken Schwerpunkt im Bereich Personal- und Einsatzplanung hat. Früher haben wir viel mit Excel-Listen und Mundpropaganda gearbeitet. Mittlerweile ist es einfach so, dass Mitarbeiter innerhalb der Software viele Informationen entnehmen können, ein Stück weit auch Freizeit und Urlaube besser planen können, aber sich v.a. auch Aufgaben teilen und in Teams zusammenarbeiten können. Das ist eindeutig auch eine Entwicklung, die aus diesem Festangestellten-Gedanken heraus resultiert, weil es die Arbeitsbedingungen und die Mitbestimmung von Mitarbeitern verbessern soll.
Wo sehen Sie eigentlich die anstehenden technologischen Entwicklungen, die die Arbeit in Ihrem Bereich als Technikdienstleister wieder verändern werden?
Sommer: Ich habe schon das Thema IT genannt. Das ist ein Riesenstichwort. Netzwerke sind in jedem Fachbereich ein Thema. Computer, IT, WLAN ist ein Riesenthema. Daraus resultieren Schulungen, die es Mitarbeitern ermöglichen, zu jedem Zeitpunkt das Richtige zu tun, weil man bei diesen computerbasierten Systemen immer mal wieder auf Errors oder nicht ausgereifte Software trifft. Das, was im Bereich der Bildtechnik eine große Rolle spielt, sind selbstleuchtende LED- und Displaysysteme, die jetzt auf einmal biegbar sind. Da passiert gerade ziemlich viel und das schafft ganz viele, neue, kreative Möglichkeiten, die da auf uns zukommen.
Was werden Ausbildung und Weiterbildung in Zukunft für eine Rolle spielen?
Bauerfeind: Das ist sehr wichtig, weil es nicht mehr wie in den 90er Jahren ist – jeder, der ein wenig organisieren konnte oder kreativ war, hat Events gemacht. Heutzutage sind die Anforderungen anders. Das fängt bei Arbeitssicherheit und derartigen Themen an, die heute anders betrachtet werden als früher. Gerade wenn man mit großen Unternehmen auf Kundenseite zusammenarbeitet, verpflichtet man sich dazu, solche Dinge einzuhalten. Dann muss man auch dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter wissen, um was es da geht. Das war früher ein bisschen hemdsärmeliger.
In der Vergangenheit war es auch so, dass ein Eventtag 16 bis 18 Stunden hatte, egal ob man ein Konzept fertig machen musste oder Veranstaltungsaufbau hatte.
Brunk: Das ist schlicht verboten. Es gibt ein Arbeitszeitgesetz, das ist sehr eindeutig. Wir haben mittlerweile auch Kunden, die eine Location einen Tag länger mieten und uns dafür bezahlen, weil sie sagen: Sonntags können wir nicht proben. Da ist Arbeitsverbot. Da hat doch vor fünf Jahren auch noch kein Mensch dran gedacht. Es gibt natürlich auch in der Eventbranche speziell Leute, die testen sich gerne aus, versuchen, ihre Grenze zu verschieben und herauszufinden, wie lange sie das durchziehen können. Das ist dann auch eine Aufgabe für uns als Arbeitgeber, das zu unterbinden und zu sagen: Du machst keine 20-Stunden-Schicht. Und klar ist das dann unsere Aufgabe, das auch unseren Kunden zu verkaufen. Natürlich kommen wir aus der Zeit, wo man das irgendwie mit einkalkuliert hatte. Das geht heute nicht mehr, also muss ich im Zweifelsfall teurer werden. Das ist eben auch eine Wahrheit dahinter: Das muss auch alles bezahlt werden.
Sommer: Die Branche wird einfach erwachsen.
Wie sieht es in Ihren Unternehmen mit Mitbestimmung aus? Gibt’s einen Personalrat? Bauerfeind: Nein, bei uns nicht.
Sommer: Es gibt einen Vertrauensmann für alle Mitarbeiter und es gibt einen weiteren, jeweils mit Vertretung, für die Auszubildenden. Kein klassischer Betriebsrat, sondern jemand, an den man sich wenden kann und der Wünsche und Kritik an uns weiterleitet.
Brunk: Wir haben Anfang dieses Jahres ein sogenanntes Production Board gegründet, wo sich die einzelnen Department-Leiter – wir haben keine Key Accounts, sondern wir haben uns so aufgestellt, dass wir entweder das Kreation-Department haben oder den Bereich Mobility oder den Bereich Lifestyle – einmal pro Woche mit der Geschäftsführung treffen, um Themen zu besprechen, die in der Mitarbeiterschaft offensichtlich nicht gut funktionieren bzw. gemeinsam daran zu arbeiten, die Strukturen in unserem Unternehmen zu verbessern.
Was wünschen Sie sich für die nächsten fünf Jahre an Entwicklung?
Bauerfeind: Am Ende würde man sich durchaus manchmal wünschen, dass technische Entwicklungen vielleicht auch langsamer vonstattengehen könnten, dass man ein wenig Zeit hat, sich darauf einzustellen. Aber im Grunde wünsche ich mir, dass wir in dem Prozess weiter gut vorankommen und dass wir diese Gratwanderung schaffen zwischen zufriedenen Mitarbeitern und zufriedenen Kunden.
Lieber Herr Altindag,
wir freuen uns sehr, dass Ihnen der Artikel gefällt! Vielen Dank auch für den Tipp, wir nehmen den Input gerne in unserem nächsten Redaktions-Meeting mit auf. Und wer weiß – vielleicht gibt es schon in einer der nächsten Ausgaben einen Artikel zu genau diesem Thema 🙂
Beste Grüße, Sylvia Koch
Toller Artikel, Danke dafür.
Gerne würde ich mehr lesen über die Digitalisierung von den Prozessen im Eventbereich.
Lieber Herr Altindag,
wir freuen uns sehr, dass Ihnen der Artikel gefällt! Vielen Dank auch für den Tipp, wir nehmen den Input gerne in unserem nächsten Redaktions-Meeting mit auf. Und wer weiß – vielleicht gibt es schon in einer der nächsten Ausgaben einen Artikel zu genau diesem Thema 🙂
Beste Grüße, Sylvia Koch