Events und Eventmarketing sind nicht mehr die „einfachen“ Gala-Abende mit Showband und Häppchen, zu denen klassisch per Brief eingeladen wurde – Antwortfax erbeten. Heute setzt die Digitalisierung schon bei der Eventvermarktung ein, Gäste registrieren sich schließlich online, auf dem Event selbst wird cool per BYOD-TED abgestimmt. Doch wie verirrt man sich nicht im digitalen Dschungel der unendlichen Möglichkeiten? Und welche digitalen Trends kommen auf die Messe- und Eventbranche zu? Prof. Dr. Cai-Nicolas Ziegler, CEO Xing Events, gibt einen Ein- und Ausblick.
(Bild: Dieter Stork)
Anzeige
Wie digital ist die Eventbranche heute im Vergleich zu vor fünf oder zehn Jahren?
Die Digitalisierung hat stark zugenommen. Aber ist sie überall angekommen, setzt sie jeder an jeder Stelle ein? Ganz so ist es nicht. Was wir feststellen, ist, dass der Teilnehmer geradezu danach dürstet. Wir haben vor zwei Jahren eine Studie zur „Digitalen Transformation in der Eventbranche“ durchgeführt. Daraus war klar ersichtlich, dass die Teilnehmer dies alle wollen, so etwa die Online-Registrierung. Interessant war dann, dass das auf Veranstalterseite so noch lange nicht angekommen war. In der Studie haben aber gerade einmal 50 % der Veranstalter gesagt, dass sie z.B. eine Online-Registrierung tatsächlich einsetzen.
Lenkt die stärkere Fokussierung auf digitale Gimmicks und Tools Ihrer Meinung nach nicht vom Grundverständnis eines Events ab, bei dem sich ja Menschen treffen, um etwas gemeinsam zu erleben oder sich auszutauschen? Sehen Sie da eine Gefahr?
Eigentlich nicht, denn das Schöne für die Eventbranche ist ja – im Gegensatz zu anderen Branchen –, dass Digitalisierung das Erlebnis nicht substituiert, sondern sie die Möglichkeit hat, das Event, dieses Vor-Ort-Erlebnis, zu unterstützen und es besser zu machen. Vor Ort jemanden zu treffen, Handschlag, Mimik, Gestik – so etwas kann man schwer wegdigitalisieren.
>Digitale Gimmicks würden darüber hinaus ja nur dann als solche wahrgenommen werden, wenn sie schlecht eingesetzt wären. Wenn sie ineffizient sind, der Teilnehmer keinen Sinn darin sieht oder sie nicht funktionieren.
(Bild: Dieter Stork) Sie steigern aber für den Veranstalter auch den Aufwand.
Auf jeden Fall. Ich muss mich mit den Dingen natürlich erst einmal auseinandersetzen und für mich entscheiden, was ich davon mache und was nicht. Mittel- und langfristig gesehen hilft Digitalisierung ganz klar, die Abwicklung effizienter zu machen. Bei der Registrierung, beim Teilnehmermanagement oder beim Einlassmanagement gibt es digitale Lösungen – auch von uns –, die dem Veranstalter (und auch dem Teilnehmer) viel Arbeit abnehmen. Unsere Veranstalter sehen das auch als einen der großen Vorteile. Viele Dinge, wie Audience Engagement – so etwa sli.do –, Abstimmungen usw. sind einfach neu und haben das Potenzial, mein Event noch besser zu machen.
Wie funktioniert heute Eventvermarktung? Wie relevant sind noch althergebrachte Wege wie Word-of-Mouth, Anzeigen etc.? Oder ist eine digitale Steuerung mit vermeintlich größerer Zielgruppenschärfe heute das Mittel der Wahl?
Das eine schließt das andere nicht zwingend aus. Print kann durchaus Sinn machen, wenn ich ein Magazin für eine sehr spezifische Zielgruppe habe. Sich nur auf Print zu verlassen, ist sicherlich zu wenig, da praktisch alle meine Teilnehmer auch digital unterwegs sind. Mund-zu-Mund-Propaganda, das älteste Mittel überhaupt, ist immer noch das Mittel der Wahl, das ist eine interessante Sache. An unserer letzten „Eventvermarktungs-Studie“ haben 2.600 Event-Teilnehmer mitgewirkt und 66 % von diesen bestätigten, dass sie sich über ein Event mittels Empfehlungen von Freunden und Bekannten informieren. An unserer diesjährigen Studie „Kongresse & Konferenzen im Wandel“ haben 5.000 Personen teilgenommen, da haben dies 71 % gesagt.
Die Kunst ist, wie ich Mund-zu-Mund-Propaganda – die Meinung von Leuten, die ich kenne und denen ich vertraue – digital nutzbar machen und einbinden kann. Hiermit haben wir uns in den letzten Jahren bei Xing Events sehr stark beschäftigt.
(Bild: Dieter Stork) Das ist natürlich ein Vorteil von solch einem großen Businessnetzwerk.
Wir haben noch weitere Mechanismen auf unserer Xing Plattform eingebaut. Wenn beispielsweise jemand sagt „Ja, ich nehme teil“, dann ermitteln wir durch Machine-Learning-Verfahren, für welchen seiner Kontakte es noch relevant wäre, auf dieses Event zu gehen. Dann werden dem Teilnehmer fünf Personen vorgeschlagen, die er einfach anklicken kann; diese werden dann darüber informiert, dass der Teilnehmer ihnen empfiehlt, auf dieses Event zu gehen. Das ist eine Art der Digitalisierung von Mund-zu-Mund-Propaganda.
Neue Technologien und digitale Innovationen können die Eventplanung erleichtern, bergen aber auch das Risiko, sich zu verstricken. Wie schafft man es, die Chancen der Digitalisierung für sich effektiv zu nutzen?
Es ist in der Tat eine Gefahr, sich zu verstricken, weil die Welt heute einfach sehr komplex ist. Die Eventindustrie ist überhaupt keine Ausnahme. Schon bei der digitalen Eventvermarktung gibt es so viele verschiedene Kanäle, die ich bedienen kann. Diese „Fear of Missing out“, die Angst etwas zu verpassen, ist da auch extrem groß. Die Kunst ist es, sich zu fokussieren und vorher genau zu überlegen, was man erreichen will und wer die eigene Zielgruppe ist – und dann entsprechend auszuwählen, auszuprobieren und sich auf die wenigen zu beschränken, die wirklich funktionieren. Das ist die wichtigste Frage, die sich aber nicht viele stellen. 15 Kanäle kann niemand gleich gut bedienen.
Welche Tools sind momentan in der Eventbranche angesagt?
Ich bin ein Fan von Tools, die einfach zu bedienen sind. Da finde ich z.B. sli.do für Abstimmungen super. Auch die Ideen von Glisser sind richtig gut, wie sie Events über Nachkommunikation mit Slides verlängern, die man sich runterladen kann. Event-Apps gibt es wahnsinnig viele und sie sind auch hilfreich, wenn sie gut gemacht sind. Ich finde die von efec (ehemals Fabrik19) sehr gelungen, weil sie aufgeräumt sind und ich alles habe, was ich brauche. Manche sind mir zu spartanisch, viele andere wieder zu voll. Das ist die Gratwanderung, den richtigen Mittelweg zu finden.
Das Schreckgespenst DSGVO hat alle diejenigen, die Newsletter versenden, Personendaten verarbeiten und verwalten zuletzt aufgescheucht. Wie stellt ihr bei Xing Events, die ihr ja auch diverse Tools anderer Anbieter in eurem eigenen Teilnehmermanagement integriert (wie Zapier, Boomset, Choose 2 Rent), sicher, dass die Vorschriften der DSGVO gewahrt bleiben?
Das Thema DSGVO nehmen wir bei Xing sehr ernst und haben es auch schon immer ernst genommen. Für viele war das Inkrafttreten ein Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf, bei Xing war es das nicht. Die Anforderungen des BDSG (Bundesdatenschutzgesetz), der nationale Vorläufer der DSGVO, hatten wir eh schon erfüllt. Schließlich sind wir ein deutsches Netzwerk und Vertrauen und Datensicherheit sind etwas, das wir sowohl bei Xing als auch bei Xing Events als Alleinstellungsmerkmal nach vorne stellen wollen. Bei Partnern verhält es sich so, dass wir eine offene Schnittstelle haben, die man anbinden kann, beispielsweise Zapier. Wir achten allerdings darauf, dass wir Partner anbinden, die sich ebenso konform bzgl. DSGVO verhalten.
(Bild: Dieter Stork) Welche Trends kommen auf die Branche noch zu?
VR sehe ich beispielsweise nicht als einen Konsumententrend, der die breite Masse erfassen wird – doch im B2B-Bereich, beispielsweise in der maschinellen Fertigung, ist es total sinnvoll. Das kommt auch langsam im Mittelstand an. In der Eventbranche ist VR ebenfalls ein sinnvolles Tool. Viele Messen nutzen Virtual Reality, selbst die Landesmesse Stuttgart setzt auf VR. Ein Trend, der damit einhergeht, ist der, dass man nicht immer überall vor Ort sein muss. VR wird dies nicht substituieren, weil oft das Erlebnis vor Ort, den Menschen in die Augen zu schauen, einfach extrem wichtig ist. Aber eben nicht immer. Dies wird durch virtuelle Eventformate komplementiert – meiner Ansicht nach wird das ebenfalls ein großer Trend, dem wir uns als Xing Events mit unserer VexCon, der virtuellen Konferenz und Messe, ebenfalls bereits verschrieben haben.