Kennen Sie den Prêt à Diner-Style? Noch nicht? Sollten Sie aber. Denn es kann Ihnen passieren, dass Ihr bester Kunde sich die nächste Einladung in genau diesem entspannten, kultig-urbanen Stil wünscht. Erfunden hat das aktuell angesagteste aller Gastronomie-Formate HP Kofler, Gründer und Chef des Premium-Caterings Kofler & Kompanie. Seit gut zwei Jahren tourt das Prêt à Diner durch europäische Metropolen und kann sich vor Buchungen von Unternehmen und Szene-Menschen kaum retten.
Die Grundzutaten des Prêt à Diner sind schnell aufgezählt: Kunst, Design und Sterneküche. Die Zubereitung klingt einfach, ist aber anspruchsvoll: Man nehme eine Metropole und einen Termin, der das internationale Kreativ-Establishment in die Stadt zieht, in Berlin zum Beispiel den Februar mit Filmfestspielen und Fashion Week. Man eröffne für diesen Zeitraum ein temporäres Club-Restaurant in einer Location, in der kein vernünftiger Gastronom je ein Restaurant aufmachen würde – und die kein Mensch kennt. Das Ganze annonciere man auf einer Website, die aussieht, als sei sie von zwei hochbegabten Kunststudenten zusammengekloppt worden, und zwar morgens um Fünf am Tresen des illegalen Clubs, in dem ihr Kumpel Acid Jazz auflegt. Aber es sieht nur so aus.
Raumdesign von Olivia Steele
So ungefähr kommt auch das berühmte Innendesign von Prêt à Diner rüber: Halb Baustelle, halb Hipster-Kneipe, improvisiert, verspielt, ein bisschen rough. Phantasie und Charme statt edel und teuer. Designer-Möbel nur als Klassiker-Zitat. Zuletzt in Berlin: Philip Starks transparente Plastikstapelstühle der Ghost-Serie kombiniert mit rustikalen Holztischen. Viel echtes Kerzenlicht, die Halter gern mal aus Kupferrohren. Ansonsten reichlich Vintage: Durchgesessene Sofapolster werden zwar von Betroffenen, die ihre fünf Gänge auf der blanken Sprungfeder einnehmen müssen, vereinzelt moniert, sind aber vom Style her kein Problem. Das Prêt à Diner-Design spielt offensiv mit den Besonderheiten der temporären Location, es ist bei jedem Aufpoppen ein bisschen anders, trotzdem unverwechselbar. Dieses szenig-urbane Ambiente ist eine tragende Säule der Marke Prêt à Diner. Es wurde wesentlich geprägt von der jungen amerikanischen Neon-Künstlerin Olivia Steele, die heute in London und Berlin lebt.
Die Sterneköche – A Dining Experience
„This is not a Pop-up Restaurant. This is a Dining Experience“ heißt der Marken-Claim. Bisher poppte das Prêt à Diner acht Mal für jeweils 6 bis 7 Wochen auf, in Berlin, Frankfurt, München und London, ganz kurz auch in Monaco. Bei jedem Gastspiel gaben sich internationale Sterneköche wie Nuno Mendes, Wahibi Nouri oder Tim Raue die Kelle in die Hand. Jeder Chef residierte für ca. zwei Wochen im Pop-up-Restaurant und kreierte exklusiv ein mehrgängiges Menü mit einer vegetarischen Variante. Zuletzt in Berlin waren diese Küchenchefs zu Gast: Matthias Schmidt von der Villa Merton in Frankfurt, seit 2012 mit zwei Michelin-Sternen dotiert, Sternekoch Michael Kempf vom Facil in Berlin, und als Highlights die brasilianischen Shooting-Stars Helena Rizzo und Daniel Redondo.
Haute Cuisine aus Sao Paulo
Rizzo/Redondos Restaurant Maní in Sao Paulo gehört in diversen Rankings zu den 50 besten der Welt. Ihre Küche ist eine phantasievolle Weiterentwicklung brasilianischer Gerichte im Kontext internationaler Spitzengastronomie. Mit ihrem Engagement für regionale Küche und lokale Lebensmittel passen die Brasilianer perfekt zum kulinarischen Konzept von Prêt à Diner. Das ist aber nicht zu haben ohne das besondere persönliche Engagement des Prêt à Diner-Chefs. Er habe monatelang um die beiden werben müssen, erzählt HP Kofler. Das Ehepaar war nicht leicht zu überreden, sein ständig ausgebuchtes Restaurant im Stich zu lassen und unter etwas merkwürdigen Umständen in einem unbekannten Land zu kochen.
Der Chef ließ die Zutaten „mitfliegen”
Besonders die unverzichtbaren regionalen Zutaten waren in der Planung ein großes Problem. KP Kofler löste es unkonventionell, indem er die brasilianischen Lebensmittel bei seinen Rückflügen aus Brasilien in den Handkoffer packte und persönlich nach Deutschland importierte. Dieser Einsatz für den internationalen Austausch der Spitzenköche ist nicht ganz uneigennützig: „Wir freuen uns sehr, solche Talente zum ersten Mal in Deutschland vorzustellen. Wir schöpfen unglaublich viel Inspiration aus der Kollaboration mit den internationalen Köchen, die wir bei Prêt à Diner zu Gast haben. Die verschiedenen Techniken und Geschmackskombinationen können wir in unsere Arbeit als Premium Caterer aufnehmen und so unsere Kunden mit neuen Produkten begeistern“, sagt der Chef von Kofler & Kompanie. Sterne-Köchin Helena Rizzo machte beim Kurzinterview am zweiten Tag ihres Gastspiels im Berliner Pop-up-Restaurant einen bemerkenswert entspannten Eindruck. Kein Problem mit den Zutaten, sie und ihr Mann hätten alles, was sie für ihr Menü brauchten – und sie hätten auch noch Spaß!
Wir wollen es nicht verschweigen: Sterne-Küche für ein paar hundert Leute in einer unübersichtlichen Location mit weiten Wegen und einem Service, der sich an jedem Ort neu „eingrooven“ muss, funktioniert nicht vom ersten Tag an perfekt. Obwohl Kofler einer der wenigen Caterer ist, der mit einem eigenen Serviceteam arbeitet und das tägliche Service-Briefing im Prêt à Diner Chefsache ist, kommt nicht jeder Dinnergang im Idealzustand beim Gast an. Im Internet gab es dazu auch Kritik, aber die meisten Gäste genießen die lockere Atmosphäre, die weit mehr an eine Party mit Flying Dinner als an eine steife Gala erinnert. Sie lassen sich vom Charme des jungen, gut gelaunten Personals gern über kleine Pannen hinwegtrösten.
Einblick in urbane Subkulturen
„Wenn es 2013 einen künstlerisch wertvollen Gastrotipp gibt, dann Prêt à Diner“, schreibt der Kollege vom Kunst-Blog. Jedes Prêt à Diner verbindet zeitgemäße Spitzenküche mit zeitgenössischer Kunst. Die hängt nicht als attraktives Deko-Element über den Esstischen, sondern bekommt ihren eigenen würdigen Platz in einer temporären Galerie. HP Kofler kooperiert dabei mit zahlreichen Künstlern und Galerien der Gegenwartskunst. Beim jüngsten Pop-up in den alten Opernwerkstätten in Berlin hatte die Kunstausstellung einen eigenen Titel: Ephemeral – vergänglich. International anerkannte Künstler wie Katrin Fridriks, Shepard Fairey, XOOOOX, Jaybo, Lennart Grau und Kevin Earl Taylor setzten sich mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinander. Die Ausstellung wurde von Johann Haehling von Lanzenauer kuratiert, dem Mitbegründer der Berliner Circle Culture Gallery.
Mit dieser Galerie aus dem schicken Kunstviertel um die Auguststraße in Mitte arbeitet Prêt à Diner regelmäßig zusammen. Die Galerie positioniert sich so: „We focus on fine art emerging from urban subcultures.“ Damit passt sie ideal zum Prêt à Diner-Konzept: Wer zu etabliert, zu beschäftigt, zu ängstlich ist für die Erfahrung der echten urbanen Subkulturen, aber gern mal unverbindlich reinschnuppern würde, verbringt einfach einen Abend beim Prêt à Diner. Kunst, Design, DJs und Live-Acts geben jedem Fremden das Gefühl, mittendrin zu sein im urbanen Szeneleben. „This is not only a Dining Experience. This is a Social Experience“, bemerkt einer der gefühlt tausend Lifestyle-Blogger, die über das Prêt à Diner berichten. Recht hat er.
Von wegen „spitze Zielgruppe“
„This is for cultural enthusiasts, urban explorers, music lovers, global nomads, food fanatics, party animals & people collectors.“ So beschreibt die Prêt à Diner-Website ihre Zielgruppe. Zu ergänzen wäre noch: „… und Leute, die das alles gerne wären.“ Das sind viele! So spitz, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Zielgruppe des Prêt à Diner bei Weitem nicht. Das erste Pop-up mit dem Thema „The Melting Pot“ war 2011 sechs Wochen nonstop ausgebucht mit über 10.000 Gästen. Zur darauffolgenden Berlin Fashion Week im Sommer poppte Prêt à Diner unter dem Motto „A Culinary Discovery“ erneut auf, dieses Mal für neun Tage in einer Location am Flussufer. Innerhalb von 24 Stunden war es vollkommen ausgebucht, mit über 5.000 Gästen. Auch das Londoner Prêt à Diner in den legendären „The Old Vic Tunnels“ war bereits zwei Wochen vor dem Opening ausgebucht mit 9.000 Restaurantgästen und 15.000 Besuchern. Darunter waren immer auch viele Promis, die sich nicht lange bitten ließen, weil sie in dem entspannten, schön unübersichtlichen Ambiente auf unkomplizierte Weise ihre Ruhe haben.
Auch viele Unternehmen möchten am coolen Image des Formats partizipieren. Obwohl oder weil sie selbst nicht so besonders cool sind. Die Sponsoren in Berlin waren zuletzt Land Rover, Veuve Clicquot, Lufthansa, KPM, Bitburger, San Pellegrino und das Lifestyle-Segment SLVR von Adidas.
Start-up oder DAX-Unternehmen
Kleinere, jüngere Firmen verlegen ihre Firmenfeier gern in eine reservierte Ecke des Pop-up-Restaurants. Die Gruppe isst miteinander, aber hockt nicht den ganzen Abend gezwungen zusammen um den Tisch. Einzelne wechseln zum Lounge-Sofa, kommen beim Bier am Stehtisch auch mit anderen Gästen ins Gespräch, flanieren durch die Kunstgalerie oder tanzen vor der Bühne. Da verabschiedet sich kaum jemand zu früh. Immer mehr Vertriebsleute laden ihre besten Kunden ins Prêt à Diner. Die Teilnahmequote ist erstaunlich hoch, besonders bei den ganz Eigenwilligen, die bei den Event-Einladungen immer absagen. Mit „edel und teuer“ kann man sie nicht mehr locken, wohl aber mit „locker und angesagt“.
Die Demokratisierung der Sterneküche
Und was kostet der Spaß? Reich wird HP Kofler mit seinem Wanderzirkus der Michelin-Sterne sicher nicht. Ohne seine engagierten Sponsoren müsste er die Pop-ups als ein sehr kostspieliges Hobby verbuchen. Denn trotz traumhafter Auslastungsquoten decken die Preise bei weitem nicht den Aufwand für das temporäre Gesamtkunstwerk namens Prêt à Diner. Der Name ist eine Anspielung auf den Begriff der Modebranche: Prêt-à-Porter, also Mode zum Tragen. Mode, die günstiger ist als Haute Couture. Prêt à Diner heißt gutes Essen für jedermann. HP Kofler spricht gern von der „Demokratisierung der Sterneküche“. 2013 in Berlin kostete ein 3-Gänge-Dinner 55 Euro, was international erfahrene Gäste für ein Schnäppchen halten, dem notorisch unbeeindruckten Berliner aber durchaus Grund zum Meckern gibt. Demokratisierung meint aber nicht nur den Abbau finanzieller Hürden. Im Prêt à Diner fühlen sich auch Vertreter der jungen, urbanen Generation Y wohl, die noch nicht auf die Idee kommen, ihren Auftragsgewinn im steifen Edelrestaurant zu feiern.