Die Corona-Pandemie hat unerwartet deutschen Hotels leere Gästezimmer und Eventbereiche beschert. Nun blüht die Nachfrage allmählich wieder auf, hybride Formate gewinnen an Bedeutung und eine „neue Normalität“ kehrt ein, wenngleich ein Ende der Krise nicht absehbar ist.
(Bild: Vila Vita)
Beginnend mit den Corona-Beschränkungen im März lösten staatliche Regulierungen für die Gesundheit der Bürger eine Stornowelle in Gastgewerbe und Live-Kommunikation aus. Zimmer blieben leer, Meetings und Events entfielen, Firmenbosse schickten ihre Mitarbeiter lieber zu virtuellen Treffen als auf Geschäftsreisen. Inzwischen finden Business-Ereignisse – vornehmlich in kleinerer Runde und häufig in einer Kombination aus physisch und digital – vereinzelt wieder statt, die Zimmerbelegung nimmt zu. An erster Stelle bei der Hotelwahl stehen für Dienstreisende jedoch jetzt flexible Stornierungsbedingungen, Hygiene und Sicherheit, besagen die Ergebnisse einer Online-Umfrage der BWH Hotel Group Central Europe. Daran teil nahmen Ende Mai 300 Geschäftsreise- und MICE-Kunden der Hotelgruppe, von denen rund zwei Drittel mit Preissteigerungen in der Hotellerie aufgrund höherer Hygiene- und Sicherheitsanforderungen einverstanden sind. 65 % gaben an, zuvor geplante Präsenzveranstaltungen künftig digital oder hybrid durchführen zu wollen.
Doch wie setzen auf der anderen Seite Hotelanbieter den digitalen Trend um? Wie gehen sie auf die veränderten Kundenanforderungen und Marktbedingungen ein? Wie sieht ihrer Ansicht nach die „neue Normalität“ am Eventhimmel aus? Antworten auf diese Fragen fand EVENT PARTNER bei den Hoteliers.
Anpassungsfähigkeit als Erfolgsfaktor
Die Hospitality-Unternehmen Vila Vita Marburg-Gruppe, Accor Central Europe, NH Hotel Group, Marriott International, Estrel Hotel Berlin, Ellington Hotel Berlin und Dolce by Wyndham Bad Nauheim sind allesamt von den Auswirkungen der Coronakrise nicht verschont geblieben. Mittlerweile verzeichnen sie wieder Buchungen für die eigenen Veranstaltungs- und Zimmerkapazitäten. Zurück zur Normalität wird es aber so schnell nicht gehen. Im Gegenteil: „Es ist klar, dass es eine ‚neue Normalität‘ in der Eventbranche geben wird, und es ist klar, dass diejenigen, die sich an die neuen Gegebenheiten anpassen, erfolgreich sein werden“, heißt es von Seiten des US-amerikanischen Hotelunternehmens Marriott International, das über 7.000 Häuser unter einem Dach vereint. Dass sich das Corporate-, Tagungs- und Seminargeschäft noch in diesem Jahr „normalisieren“ werde, bezweifeln auch die Hauptstadthotels Ellington und Estrel. Wann dieser Zeitpunkt erreicht werde, sei schwer einzuschätzen. In den kommenden Monaten werde sich das Business zunächst weiterhin der aktuellen Situation anpassen, vermutet die Unternehmensgruppe Vila Vita, zu der u.a. ein Kongresszentrum, Locations, Hotels und Restaurants gehören.
Lokale Nachfrager, flexible Stornos & alternative Eventformate
Unabhängig von der Dauer dürften die Spuren der Pandemie im deutschen MICE-Segment nach Auffassung von Marriott lange nachhallen – z.B. in Hinblick auf Catering, Hygienevorschriften, Anzahl und Dichte der Veranstaltungsteilnehmer. Auch dürfte die Krise den Trend zu alternativen Eventformaten stärken und Locations zu neuen Ansätzen wie kreativen Sitzordnungen, virtuellen Meetings, neuen Raumkonzepten, technischen Innovationen und vorerst flexiblen Stornierungsregelungen verpflichten. Das Hospitality-Unternehmen rechnet fürs erste mit kleineren Veranstaltungen in der Nähe des jeweiligen Firmensitzes. Die Entwicklung hin zu lokalen Märkten und Kurzstrecken-Destinationen hat auch Accor erkannt. In Europa betreibt die Hotelkette 3.030 Häuser, weltweit über 5.000 und reagiert in einigen davon mit kostenfreien Umbuchungs- und Stornierungsmöglichkeiten: „Natürlich ändern sich viele Aspekte, die mit dem Reisen zusammenhängen und die Buchungsentscheidung beeinflussen – so beispielsweise die Erreichbarkeit mit dem Auto oder Zug, eine höhere Nachfrage nach Services wie Online-Check-in/Fast-Check-out oder die Möglichkeit, eine Buchung flexibel anpassen oder kostenlos stornieren zu können.“ Mit internationalen Raumbuchungen rechnet die NH Hotel Group, deren Portfolio sich aus rund 350 Hotels zusammensetzt, erst Anfang 2021 wieder.
Hybride Events: Krisenhelfer oder Langzeitwunder?
Das hybride Eventformat war schon vor Corona ein Thema im MICE-Markt – jetzt noch mehr. Sicher sei, so NH, dass die Schnittstelle zwischen Hospitality und Technik in Zukunft eine noch stärkere Rolle einnehmen werde. Der Wechsel vom Overhead-Projektor zu Beamer und PowerPoint sei ein wegweisender Schritt in der Evolution von Meetings und Events gewesen. COVID-19 treibe nach Ansicht der Hotelkette jetzt die Digitalisierung in der Branche weiter voran und bringe neue Herausforderungen. Das Estrel beschreibt hybride Konzepte sogar als „perfekte Lösung“ für Corona-konforme Präsenzveranstaltungen mit kleinerer Teilnehmerzahl plus digitalem Publikum. Auch für das Ellington ist die kontaktlose Kommunikation kein Fremdwort. Seit mehreren Jahren bietet es bereits Optionen wie Live-Streaming im eigenen Veranstaltungsbereich – dieser verfügt über zehn Tagungsräume und ist ausgelegt auf 800 Personen. Hybride Formate werden nach Ansicht des Ellington zwar nicht zum Standard werden, da der zwischenmenschliche Kontakt immer noch bevorzugt werde, aber zunehmend häufiger genutzt. Für Video-Konferenzen und digitale Meetings gerüstet ist inzwischen auch das Dolce mit seinen 27 Tagungsräumen, das seit Juli wieder Gäste empfängt und zuletzt in Multitouch-Displays inklusive Kamera sowie Soundsystem und Mikrofone investiert hat.
Hygiene & Sicherheit: das Fundament in der Krise
Die sieben Hotelanbieter, mit denen EVENT PARTNER gesprochen hat, realisieren umfassende Hygiene- und Schutzvorkehrungen. Hinzu kommen u.a. technische Neuerungen für virtuelle Eventformate sowie Kooperationen mit Sicherheits- und Technikdienstleistern. Um Kunden in der momentanen Situation bei der Planung zu unterstützen, seien z.B. auch ein enger Austausch und eine individuelle Beratung wichtig, sagt Accor. Mit der Entwicklung des Hygiene-Labels „Allsafe“ und den zugehörigen Reinigungs- und Präventionsstandards möchte die Hotelkette ihren Gästen Sicherheit gewährleisten. Im Zuge einer Kooperation mit der Krankenversicherung AXA kann während des Aufenthalts zusätzlich eine medizinische Teleberatung in Anspruch genommen werden.
Das Dolce sieht die Vorteile der eigenen Tagungsfläche z.B. in der Frischluftzufuhr: Fast alle Fenster und Türen lassen sich weit öffnen und aus den Veranstaltungsräumen können Tagungsteilnehmer oftmals direkt ins Freie treten. Mit gleich mehreren Locations im Grünen wirbt hingegen Vila Vita. Nicht zuletzt trägt natürlich auch die Größe des Eventbereichs maßgeblich zur Erfüllung der Sicherheitsabstände bei: So garantiere die räumliche Flexibilität der eigenen Venues, dass alle Hygiene- und Abstandsregeln samt großzügiger Bestuhlung auf angemessener Quadratmeterzahl eingehalten würden. An flexible Raumkonzepte, Mindestabstände und Personendichten anpassen lasse sich ebenfalls das Congress Center des Estrel Hotels mit seiner 25.000 m² großen Veranstaltungsfläche und Platz für bis zu 12.000 Besucher.
(Bild: NH Hotel Group)Laut Ellington müssten künftige Ereignisse ebenso unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet sowie stets den geltenden Hygiene- und Schutzbestimmungen angepasst werden. Vorgehensweise und Ablauf seien hierbei transparent darzulegen: „Nur so können wir den Kunden eine Sicherheit vermitteln und sie davon überzeugen, dass wir die richtige Location für Ihre Veranstaltung sind.“ Um ungefährliche und maßgeschneiderte Lösungen für Meetings und Events anbieten zu können, hat NH das Konzept „Feel Safe at NH MICE” eingeführt: Die Hotelgruppe desinfiziert Tagungsräume und öffentliche Bereiche nach jedem Meeting, bietet flexible Optionen beim gastronomischen Angebot und greift auf digitale Lösungen wie den mobilen Gästeservice „Fastpass“ sowie Hybrid-Events zurück.
Bedeutung persönlicher Gesten
Marriott prüft aktuell neben neuen Reinigungs- und Hygienemaßnahmen u.a. die Einführung von Technologien für mobiles Check-in, Teilnehmerregistrierung und virtuelle Meetings über Live-Streaming-Funktionen – letzteres wird in einigen Marriott-Häusern bereits angeboten. Zudem gibt es Überlegungen zu Grab- & Go-Food-Konzepten und der Reduzierung/Entfernung nicht elementarer Gegenstände aus Besprechungsräumen, einschließlich Stoffen, Gedecken und Dekoration. Als Hotelier müsse man sich überdies Gedanken machen, wie Zusammenkünfte hygienisch und dennoch sozial gestaltet werden könnten. Während Marriott für einige Bereiche wie den Check-in technologische Maßnahmen nutzen könne, müsse das Unternehmen zugleich sicherstellen, wie es kleine persönliche Gesten, die beim Besuch von Veranstaltungen besonders wirkten, beibehalten könne.
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