Unser EVENT PARTNER-Autor Andreas Schäfer beobachtet seit Jahrzehnten Events und kommt zu dem Schluss, dass der Humor bei Events doch recht gut versteckt wird. In dieser Kolumne preist er den Witz als idealstes Mittel für erfolgreiche Live-Kommunikation.
Ein Lob des scheinbar nutzlosen Unsinns und ein Hoch auf den Humor des Alltags
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Ich mache und beobachte Events nun seit Jahrzehnten und kenne das dazugehörige Business demgemäß wohl aus dem Effeff. Was mir immer wieder auffällt, ist, mit welcher Humorlosigkeit bei uns Kommunikation seit jeher behandelt wird. Da steckt noch viel pietistischer Eifer drinnen und der Schweiß dringt aus allen Poren. Man darf nur den letztendlichen Erfolg zelebrieren, aber nicht den Weg zum Ruhm feiern. Dabei ist Humor gemäß Picasso ein wunderbares Mittel, die Distanz aufzubauen, die es erfordert, einen Gegenstand in seiner Gänze zu betrachten. Die Zeiten sind sogar vorbei, in denen man sich den verschwitzten Witzen eines Fips Asmussen hingeben musste. Das Lachen braucht man auch nicht mehr mit Monty Python importieren. Es gibt inzwischen in Deutschland wunderbare Comedy: Von Martina Hill, Caroline Kebekus oder Anke Engelke. Zum Beispiel. Und der glorreiche Robert Gernhardt war ein toller Wegbereiter.
Aber auch da drinnen steckt sogleich die (letztlich humorlose) Krux, denn wenn man beim Event fröhlich sein will, engagiert man sich für diesen Programmpunkt ebendiese(n) Komiker(in) und sperrt das Lachen in das Ghetto des PowerPoint-Charts Programmpunkt XY: Lachen von 10:30 bis 10:45 Uhr! Man will unvorhersehbar sein und scheut doch das Risiko der Überraschung, wie übrigens auch das gebührengetriebene öffentlich-rechtliche System, das dies gar nicht muss und laut Auftrag eigentlich gar nicht darf. Wir scheuen das Missverständnis und fürchten einen missverstehenden, misslaunigen, strafenden Kunden. Deshalb kochen wir auf der niedrigsten Flamme des kleinsten gemeinsamen Nenners und bleiben in der Regel lau oder, wenn wir geschickt sind, beschränken wir uns auf die kalte Küche. In der Kommunikation wie dieser Küche ist die größte Sünde aber die Fadheit.
Der Witz liegt auf der Straße
Das Überraschende und selbst das Missgeschick gehören zum Leben. Das sollten wir nicht sauertöpfisch hinnehmen. Wir sollten aber auch nichts mit Lach-Yoga-Arbeit erzwingen. Der Witz liegt auf der Straße. Man muss ihn nur sehen. Der ob seiner Bildbände (mit moderaten Preisen) hochgelobte Verlag von Benedict Taschen beweist das gerade mit einem Prachtexemplar: Der Ur-Pariser Straßenfotograf Robert Doisneau hat auf 540 Seiten seinen richtig großen Auftritt (ISBN: 978-3836547147). Ja, man muss den Alltag lesen, um das Besondere zu finden. Und Doisneau offenbart uns da und dort sogar noch eine wundersame Wirkung: „Humor ist eine Art Schamgefühl vor Emotionen. Wenn das Geschehen zu anrührend oder zu schrecklich wird, flüchtet man sich in den Humor, das bewahrt vor Peinlichkeit.“
Der etwas andere Nobelpreis
Selbst die Wissenschaft kann fröhlich sein. Das Wirtschaftsmagazin brand eins machte mich auf ein schönes Phänomen aufmerksam. Wenn im Herbst in Oslo und Stockholm die Nobelpreisträger verkündet werden, zelebriert man im Sanders Theater an der ehrwürdigen Harvard University zu Cambridge ebenfalls Superhelden der Forschung. Da steppt der Bär: Honorige Professoren schießen Papierflieger durch die Luft, Akademiker verkleiden sich als Hühner oder mannsgroße Eier und tanzen wie irre durch den Saal. Die Stars eines solchen Abends sind aber die Forscherinnen und Forscher, die den Ig-Nobelpreis erhalten. Dieser wird seit 1991 für „obskure wissenschaftliche Arbeiten“ verliehen. Es begann als studentischer Witz und ist heute ein ernstzunehmendes Ereignis im akademischen Kalender. „Ig“ ist die Abkürzung für „ignoble“, was so viel bedeutet wie seltsam, schmählich, sinnlos.
2014 ging der Physikpreis an Kiyoshi Mabuchi, Kensei Tanaka, Daichi Uchijima und Rina Sakai für ihre Messung der Reibung zwischen Schuhsohle und Bananenschale beziehungsweise zwischen Bananenschale und Fußboden, wenn jemand auf eine ebensolche Bananenschale auf dem Fußboden tritt. In der Kategorie Biologie wiesen Vlastimil Hart, Petra Nováková samt Kolleginnen und Kollegen gründlich nach, dass sich Hunde beim Urinieren und Stuhlentleeren bevorzugt entlang des Magnetfelds der Erde ausrichten. Und selbst in der Kategorie Wirtschaft ging es hoch her. Das staatliche italienische Statistikinstitut führte den Nachweis, dass Italien führend in der Erfüllung der europäischen Vorgaben für das Wirtschaftswachstum ist – wenn Einnahmen aus Prostitution, Drogenhandel, Schmuggel und illegalen Finanztransaktionen mitgerechnet werden. Die Preisverleihung wird üblicherweise live im Internet übertragen (www.improbable.com).
Die Abschweifung als herrlichste aller Sünden
In der Kreation ist die Abschweifung nicht die lässlichste aller Sünden, sondern die herrlichste und Voraussetzung für wirkliche Ideen. Kenneth Goldsmith ist vielleicht der bedeutendste zeitgenössische Poet der US-amerikanischen Hemisphäre. Er durfte auch schon bei Obama im Weißen Haus seine Leviten lesen. Gute Ideen presst man nicht so mal eben mit Anstrengung heraus. Das ist wie bei der menschlichen Verdauung. Das große Geschäft gelingt am besten entspannt nebenbei. Ja, das Pressen ist dabei gar nicht gut für den Prozess, noch den Organismus. Und wer will schon kreative Hämorrhoiden als Hausfreund. Disziplin, Ordnung und Methode folgen der Idee. Man kennt das eigentlich: Viele gute Ideen kommen im dösigen Halbschlaf. Jetzt muss man nur wach genug sein, solche auch flugs festzuhalten, bevor uns Morpheus diese perfekt geborene Idee wieder klaut. Die Surrealisten nutzten diesen Dämmerzustand äußerst erfolgreich und gerne, weiß Goldsmith. Der erfand an der University of Pennsylvania den Uncreative-Writing-Kurs „Wasting Time on the Internet“ für das 21. Jahrhundert. Die Studenten floaten pro Seminarsitzung drei Stunden lang durchs Internet und tun genau das, was gemeinhin als „Zeit verschwenden“ bezeichnet wird. Aber, daraus wird am Ende Literatur! Achtung, jetzt kommt ein wichtiges Zitat: „Wenn das Produkt nicht mehr interessant ist, dann müssen wir den Entstehungsprozess beurteilen. Der Fokus muss sich vom Objekt auf die Idee richten“, so der Meisterpoet. Es erfordert eine Haltung, wie man mit den Dingen umgeht.
Und ja, Joko und Klaas sind keine Lösung. Der Witz wird, sehr Deutsch, immer schon mitgespielt. Die Pubertät als Dauererektion funktioniert nur als Ejaculatio praecox!