Seit Mittwoch voriger Woche haben wir es amtlich: „Großveranstaltungen spielen in der Infektionsdynamik eine große Rolle, deshalb bleiben diese mindestens bis zum 31. August 2020 untersagt.“ Da drängen sich sofort Fragen auf: Was ist mit den kleinen und mittleren Veranstaltungen? Wie geht es ab September weiter? Können wir künftig so weitermachen wie noch zum Jahresanfang? Was passiert, wenn die Infektionsraten wieder ansteigen? Wenn es im Herbst eine zweite Infektionswelle gibt, sodass die Intensivbetten und die Beatmungsplätze doch knapp werden? Und letztlich: Steht die Veranstaltungsbranche vor dem finalen wirtschaftlichen Exitus oder schaffen wir den Exit?
(Bild: Gerd Altmann - Pixabay)
Wenn Aufgeben keine Option sein soll, brauchen alle Stakeholder Perspektiven und Handlungsoptionen, damit wir uns als Locationbetreiber, Veranstalter, Agentur, Hotel, Gastronom, Caterer, Technikfirma oder Dienstleister jeder Art gut aufstellen können für die „neue Zukunft“.
Bei den von der Politik beschlossenen Schutzmaßnahmen handelt es sich vielfach um Verbote. Andererseits eröffnet der Beschluss vom 15. April über die „Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der COVID19-Epidemie“, ebenso wie die vorangegangen Gutachten und Stellungnahmen der Fachgesellschaften und Expertengruppen, auch echte Chancen für die MICE-Branche zur (relativ) frühen Wiedereröffnung des Wirtschaftsbetriebes. Dies jedenfalls dann, wenn es gelingt, die Bundes- und Landespolitiker davon zu überzeugen, dass Veranstaltungen unter den geforderten Bedingungen sicher durchgeführt werden können. Das gilt ganz besonders für die Lokalpolitiker und die kommunalen Verwaltungen. Sie sind es, die letztlich die Beschlüsse von „ganz oben“ in konkrete Vorgaben und Auflagen für die Veranstaltungen vor Ort umsetzen und Veranstaltungen untersagen oder grünes Licht geben.
Alles eine Frage der Definition?
Ein Knackpunkt sind die Großveranstaltungen. Paul Henkels würde in der Feuerzangenbowle vielleicht fragen: „Wat is en Großveranstaltung?“ Die Definition, die der Orientierungsrahmen-NRW (Düsseldorf, 15.08.2012, S. 5) liefert: „Großveranstaltungen im Freien im Sinne dieses Orientierungsrahmens sind Veranstaltungen,
- zu denen täglich mehr als 100.000 Besucher erwartet werden, oder
- bei denen die Zahl zeitgleich erwarteter Besucher ein Drittel der Einwohner der Kommune übersteigt und sich erwartungsgemäß mindestens 5.000 Besucher zeitgleich auf dem Veranstaltungsgelände befinden, oder
- die über ein erhöhtes Gefährdungspotential verfügen.“
Was soll denn nun gelten? Beginnt eine Großveranstaltung bei 5.000 oder 100.000 Tagesbesuchern? Dann sind alles darunter kleine oder mittlere Veranstaltungen! Wenn 100.000 Personen der entscheidende Grenzwert ist, dann gibt es eigentlich kein Problem: Nahezu alle Veranstaltungen könnten sofort freigegeben werden. Bei 5.000 Besuchern erhalten noch die meisten grünes Licht.
Und: Gibt es überhaupt „die“ Veranstaltung? Diskriminiert der Oberbegriff Veranstaltung derart, dass alle „Arten“ bzw. Typen von Veranstaltungen strukturell hinreichende Gemeinsamkeiten haben, um mit Blick auf die Corona-Schutzmaßnahmen gleich reglementiert zu werden? Damit sie über einen Kamm geschoren werden können? Sehr fraglich. Was es dringend braucht, sind Differenzierung und Struktur!
Im Kontext der Corona-Krise werden immer wieder Fußball-Bundesligaspiele, Rock-/Open Air-Konzerte, Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen, Galerien, Ausstellungen aber auch Messen, Gottesdienste, Kongresse u.a.m. in einem Atemzug genannt. Man muss kein Fachmann sein, um zu wissen, dass es Welten sind, die diese Veranstaltungsformate trennen. Dies sowohl inhaltlich als auch strukturell und nicht zuletzt in Bezug auf das Gefährdungspotential für die Übertragung des Coronavirus. Diese undifferenzierte Betrachtung ist nicht angemessen!
Wie können wir unterschiedliche Veranstaltungsformate wieder möglich(-er) machen?
Die „Million-EURO-Frage“ lautet: Mit welchen Schutzmaßnahmen für Besucher, Teilnehmer, Mitarbeiter und alle Dritten können wir eine frühe(-re) Öffnung der Locations schaffen? Kurz, wie könnte die Exit-Strategie, der Masterplan für das Geschäftsfeld Veranstaltungen aussehen?
Ganz einfach. Die Erfolgsformel lautet:
E = A + P + H + T
E = Exit, A = Abstand, P = Personenzahl, H = Hygiene, T = Tracking-App
Im Kern geht es um den Mindestabstand von 1,5 Metern (besser 2 Metern) zu anderen Personen und damit um die Personendichte je Fläche bzw. Raum, die Begrenzung der maximalen Personenzahl (ggf. Teilnehmer), die Beachtung der Hygiene und (künftig) der Einsatz der Tracking-App. Das sind die Kardinalforderungen von Wissenschaft und Politik, fixiert im Beschluss der „Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungscheffinnen und Regierungschefs der Länder vom 15. April 2020“. Welche Optionen tun sich damit für die „Macher“ von Veranstaltungen auf? Hier exemplarisch ausgewählte Handlungsmöglichkeiten für den Veranstaltungstyp Kongress – z. T. aber auch mit Gültigkeit darüber hinaus.
Überlegungen/Maßnahmen zum Schutz gegen Corona
- Die Wahl von Destination und Location unter den Bedingungen der Corona-Pandemie
- Begrenzung der Teilnehmerzahl, Risikogruppen
- Teilnehmerdichten: Organisation, Marketing, Kosten
- besondere Corona-Hygienemaßnahmen bei großen Kongressen
- Einlassmanagement/-kontrolle für das dynamische Teilnehmergeschehen/Crowdmanagement
- Catering
- Markt, Nachfrage, Preise
Über den Autor:
(Bild: Alex Talash)
Dr. Frank Mücke ist Geschäftsführer der Kodex-zertifizierten Full-Service-Agentur comed GmbH in Köln und bietet 30-Jahre Erfahrung in der Veranstaltungsorganisation, speziell in den Bereichen Pharma, Medizintechnik, Wissenschaft und Verbände. Die Agentur organisiert „kleine und feine“ Veranstaltungen ebenso wie Kongresse mit mehreren Tausend Teilnehmern.