Ich habe gerade darüber nachgedacht, wann mich ein Hotel bei der Zimmer- oder Tagungsbuchung zum letzten Mal so richtig positiv überrascht hat? Ich kann mich nicht erinnern.
(Bild: Pexels)
Zimmerbuchung online ist ein Standardverfahren, selbst auf den hoteleigenen Webseiten. Telefonische Zimmerbuchung läuft oft über „standardisierte“ Teams oder gar zentralisierte Call-Center. Angebote auf Tagungsanfragen sind auch viel zu gleich und unauffällig. Wann, liebe Hotels, fangen Sie endlich an, sich richtig herauszuschälen aus dieser Eintönigkeit im Umgang mit dem Gast – vor allem in der Zeit, bevor er das erste Mal bei Ihnen war?
Ich übernachte als Speaker, Trainer und Berater zu Marketing- und Positionierungsthemen jedes Jahr 100+ Mal in schönen Hotels. Wie oft wurde ich als Business-Einzelgast von einem Hotel nach dem Aufenthalt weiter kontaktiert? Null mal! Ich buche über meine Agentur experts4events und Firmen seit über 15 Jahren Tagungsleistungen für Seminar- und Event-Projekte. Wie oft werde ich von diesen Hotels danach im Rahmen der Kundenbeziehungspflege kontaktiert? Maximal drei bis fünf Mal pro Jahr und dann meist ohne Methode und Konzept.
Gelegentlich möchten mich dann Hotelvertriebsmitarbeiter im Büro besuchen, um mir auf iPads tolle Hotelbilder zu zeigen und hoffen, dass damit meine nächste Gruppenbuchung dort stattfindet. Nur ein Beispiel einer gigantischen Budget- und Zeitverschwendung, da solche oder ähnliche Hotelvertriebskonzepte heutige und vor allem Kunden der Zukunft eher vertreibt als gewinnt. Auch unser Hotelmarkt wandelt sich immer mehr zum Käufermarkt.
Hotels sollten daher immer weniger verkaufen, um mehr Zeit zu haben, daran zu arbeiten, dass Zielgruppen von sich aus auf das Haus aufmerksam werden und kaufen.
Die Aufgabe ist, als Hotel im Kopf des Kunden sofort zu erscheinen, wenn er an entsprechende Hotelleistungen denkt. So wird aus dem Vertrieb eine Kaufbegleitung ab dem Anruf eines potenziellen Kunden, die Spaß macht. Pull statt Push.
Hier einige der wichtigsten Schritte, die es benötigt, in diese Richtung zu gehen:
A) Chef und Führung:
Die Neuausrichtung des Hotelmarketing auf eine passgenaue Mischung aus Inbound- und Outbound-Marketing, also Sog-Marketing und vorwiegend Verkauf, ist zunächst eine strategische Entscheidung, die vor allem drei Voraussetzungen benötigt:
1. Eine neue Kommunikations-Strategie:
Die Führung von Hotels liegt sehr häufig in den Händen sehr erfahrener Manager. Sie sind aufgestiegen mit dem System, dass ein Hotel dieses und jenes, aber auch einen „kompetenten“ Verkauf haben muss. Da sich aber Märkte und Zielgruppen immer schneller ändern und adaptierten, braucht es in Hotels keine Konzepte von gestern, sondern regelmäßig neue Wege und Methoden mit den innovativen (Online-)Mitteln, die jeweils aktuell sind.
Die Weiche für eine erfolgreiche Kundengewinnung wird also im Kopf der Hotelführung gestellt und darf dann – ggf. durch Unterstützung externer Berater – in ein innovatives, aktuelles und pragmatisches Hotelpositionierungs- und Vermarktungskonzept gegossen werden, wo sich Verkauf und Marketing optimal verzahnen und das sich von einem dafür kompetenten Team professionell umsetzen lässt.
Eine Anmerkung dazu: Die meisten Hoteldirektoren und ihre Führungsteams sind mit 60-Stunden-pro-Woche-Chefs aufgestiegen und arbeiten oft selbst mehr als zu viel im Hotel. Und viel zu wenig am Hotel, am Unternehmen. Zum Entwickeln dieser wichtigen Kommunikations- und Marketing-Konzepte braucht mindestens der Kopf des Hauses zeitliche Freiräume, die nicht auf das schon überfüllte Zeitkonto obendrauf kommen.
Erfolgreiche Hotelchefs von heute und morgen geben ab, sorgen für eine exzellente zweite Führungsebene, um selbst mehr Strategisches und Konzeptionelles zu erarbeiten und sich um das zu kümmern, was sie sollen: Strategisches Management und Führung.
2. Eine veränderte Unternehmenskultur und damit Führung:
Erfolgreiche Hotels von heute und morgen basieren im Kern auf zwei Säulen: Einer für einen längeren Zeitraum stabilen, verlässlichen Produktion von täglich hoch professionellen Produkten und Leistungen, die die Erwartungen der Gäste je Hotelklassifizierung mindestens erfüllen. Und einer variablen, regelmäßig sich innovativ ändernden Service- und Überraschungskultur, die die Erwartungen der Gäste immer wieder übererfüllen und Begeisterung auslösen.
Die erste Säule schaffen professionelle Hoteliers meist. Die zweite erfordert die Implementierung einer ständigen 360°-Innovationskultur von oben nach unten und von unten nach oben mit viel Freiraum für die Mitarbeiter, die kontinuierlich richtig coole Ideen entwickelt und das tägliche Arbeiten mit viel Spaß bereichert – nicht zuletzt durch das überschwänglich positive Feedback der Gäste.
3. Neue Kompetenzen und ggf. neue Mitarbeiter:
Die meisten Hoteldirektoren klagen in meinen Coachings immer mehr, eine „zu alte“, viel zu unbewegliche Belegschaft zu haben. Oder nicht die richtigen oder gar keine Leute mehr zu finden. Und ich frage dann zurück: Warum sollte ich als aktiver, motivierter, kreativer Hotelexperte bei Ihnen motiviert (weiter) arbeiten? Häufig kommt dann genau der gleiche Standard, das Übliche und Langweilige, wie es auch Kunden vom Hotel hören.
Die Neuausrichtung des Hotels auf Pull schafft eine attraktivere Hotelposition(ierung), eine magnetisch wirkende Hotelmarke: Nicht nur auf Kunden, sondern auch auf Mitarbeiter. Die Mitarbeiter von morgen, die eh immer weniger und damit gefragter denn je werden, die viel „flüchtiger“ sind und öfter wechseln, entscheiden sich für „coole“ Hotels mit Marke. Und mit der Fähigkeit der Hotelführung, diese Mitarbeiter anzuziehen und für sich zu gewinnen, entscheidet sie gleichzeitig, ob das Hotel zukünftig die guten Kunden und Gäste anziehen, gewinnen und binden kann.
B) Prozesse und TQM:
Hab ich das wirklich geschrieben? Ich kann feste Prozesse und Total Quality Management eigentlich nicht leiden, denn ich verbinde es mit Zertifizierung, Aktenordnern und Papierbergen, die in Schränken verstauben – vorwiegend, um eine Zertifizierungsurkunde im Hoteleingang hängen zu haben, deren eigentlichen professionellen Service-Output aber selten jemand merkt.
Wir wissen, dass aus der weiter oben dargestellten neuen Führung von Mitarbeitern mit erweiterten Kompetenzen und veränderter, proaktiver Einstellung ein neuer Drive entsteht. Ablaufpläne und Notfallpläne im Umgang mit Gästen und Kunden sollten ergänzt werden durch einen Absatz, in dem steht, in welchem (Story-) Rahmen Mitarbeiter im jeweiligen Hotelbereich arbeiten dürfen und in dem viel mehr steht, was sie selbst auf ihre Art gestalten und entscheiden dürfen.
Ja – jeder Mitarbeiter sollte einen „Muster“-Prozess mal gesehen, verstanden und durchgespielt haben. Dann aber zählt Situationsprofessionalität und -kreativität, die den Gast und Kunden begeistert. Um diese Professionalität zu erlangen, setzt es kontinuierliches Training und die Beteiligung aller Mitarbeiter an der Prozessgestaltung voraus. Nur dann identifizieren sich Mitarbeiter damit und geben Vollgas.
Ein Hotelier, der vor seiner Belegschaft Neues präsentiert, muss sich klar sein: Die meiste Kompetenz steht nicht vor der Belegschaft, sondern sitzt vor dem Hotelier.
(Bild: Pexels)
C) Marke, Story und Positionierung:
Wenn ich Hotelangestellte frage, für wen sie arbeiten, erhalte ich zu häufig die Zahlen-Daten-Fakten-Geschichten (Lage, Zimmer, Größe, Historie …) als erstes. Und dann wird von jedem das ganz individuelle Bild vom Haus ergänzt, das man sich selbst zusammengebaut hat. So entsteht aber keine Hotel-Marke. Und schon gar keine Hotelpositionierung, die Sog auf Zielgruppen auslöst.
Vielmehr sollte sich die Hotelführung mal intensiv damit beschäftigen, warum sie das Hotel so führt, wie sie es führt. Auf Basis welcher Motive, Überzeugungen, Grundsätze, Erfahrungen wird täglich entschieden? Was treibt sie an, was macht sie anders, welchen Missstand, den sie selber schon zu oft in Hotels erlebt hat, will sie nie machen oder beheben, was will sie etwas besser machen als der Rest? Daraus ergibt sich eine unverwechselbare Story für das Hotel, die ergänzt wird durch Zahlen, Daten, Fakten und Nutzenargumente, die ggf. aus Lage, Historie, Bauart oder Ähnlichem resultieren.
Wenn dieser Kern als Story feststeht, dann ist es Aufgabe der Führung, diese zwei bis drei Sätze jedem Mitarbeiter so zu vermitteln, dass er/sie sich damit identifiziert, es sich merkt und jederzeit mit dem Blitzen in den Augen wiedergeben kann. Nicht zuletzt, weil jeder Mitarbeiter diese Story überall liest und von den Vorgesetzten regelmäßig hört. So wird das designt, was andere über das Hotel erzählen, wenn der Hotelier selber nicht dabei ist. Denn nur das ist eine Marke, die sich in den Köpfen der Zielgruppe einbrennt und zu Empfehlungen führt.
Der Mut, wohl überlegte, professionelle neue Wege in der Kundengewinnung zu gehen, wurde schon immer belohnt. Verhindert wird er meist durch die Angst, dass die Abkehr von dem, was alle Hotels da draußen tun, eine Gefahr bedeutet. Wenn die meisten vorwiegend auf Push-Verkauf setzen, müssen und sollten das Vorbild-Hoteliers nicht. Wenn alle auf diese oder jene Messe rennen, ist das nicht unbedingt nachahmungspflichtig. Und wenn, dann bitte mit einer klaren Position, einer professionellen Positionierung am Markt und einem geschulten Team, das diese Messe damit „rockt“.
Fakt ist: Wer sich seiner Position/Story und seiner Stärken (selbst-)bewusst ist und damit den Laden führt, findet unzählige dazu passende Ideen und Mitarbeiter, um die Kunden so richtig zu begeistern.
[251]