Nein, dieser Sangeswettbewerb in Wien samt seiner bärtigen Gastgeberin ist mir ziemlich Wurst. Obwohl das kinetische Bühnenbild, das gefiel mir. Und es erinnerte mich doch an ein anderes Projekt der genialen Bauder-Brüder.
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So, liebe LeserInnen. Harte Frage: Wisst ihr noch, was ich so an dieser Stelle in den vergangenen Ausgaben geschrieben habe? Ich will ja nicht rechthaberisch sein, aber im November habe ich deutlich vorhergesagt, dass die Berliner Lichtgrenze Gold gewinnen wird. Ok, das war auf den FAMAB-Award bezogen. Aber jetzt in Hamburg, mitten im selbsternannten „kreativen Gefahrengebiet“ des selbsternannt-elitären Art Directors Club, hagelte es nicht nur Nägel, vor allem gab es einen Grand Prix. Damit ist das Paradebeispiel von Kommunikation im Raum und Live-Kommunikation das zweite Live-Kommunikationsprojekt in der Geschichte des ADC, das einen Grand Prix erhielt.
Auch wenn die eher hipsterbärtige Werberwelt den Grand Prix nicht so ganz versteht – das war ein echtes und typisches KiR-Projekt. So genannte Fakes, die von den Agenturen initiiert werden und nur für den Zweck eines Goldenen Nagels realisiert werden, gab es wieder einige. Da pusht man lieber so ein tanzendes Ampelmännchen für kleine Autos, was ja ganz lustig, aber doch wohl eher ein „Fake“ ist. Schade, dass die äußerst realen Mitarbeiter- und Corporate-Events dagegen Stiefkinder der Jury blieben. Anders verhält es sich vielleicht bei dem anderen Live-Favoriten „Rechts gegen Rechts“, die haben nämlich aus Werbersicht „nur“ Platz 1 und keinen Grand Prix beim Wettbewerb bekommen. Ohhhhhhh. Dabei riecht das Hacking des alljährlichen Wunsiedler Neonaziaufmarsches auch ein wenig nach einem Fake. Oder sind die genervten BürgerInnen und die Wirtschaft aus dem kleinen oberfränkischen Städtchen wirklich auf GGH Lowe und Grabarz & Partner zugegangen?
So, noch ein paar Worte zum ADC-Event selbst im kreativen Gefahrengebiet in Sankt Pauli. Ich richte mich hier ausschließlich nach den vom ADC selbst aufgestellten Kriterien, um mindestens eine Auszeichnung zu erhalten. Hier das Vote der Zora-Jury:
Zum Kongress
Originalität: Die Location war prima, aber einen Nagel gibt es für Schmitz Tivoli nicht. So was recherchiert jeder Praktikant.
Klarheit: Creating the Digital Hype, war das Thema und die meisten Referenten lösten das auch klar ein.
Kraft: Der Kongress war vormittags super spannend, am Nachmittag ging ihm dann die Puste aus. Wäre da nicht der Performance-Künstler bzw. Cellist David Fernández gewesen. Der rettet mich und auch viele Anwesende vorm Einnicken.
Machart: Ist die Arbeit handwerklich überzeugend? Ok, ja, für einen Kongress war prinzipiell alles gut.
Freude: Tja, der Kongress an sich war Handwerk, die Inhalte teils „beglückend“, teils öde.
Subjektives Zora-Vote: Huit points.
Die Ausstellung im Stadion am Millerntor
Originalität: Schöne Idee und ganz schön mutig, ein Fußballstadion zur Ausstellungslocation zu machen.
Klarheit: Die Ausschilderung und Besucherführung ließ zu wünschen übrig. Die Präsentation der Arbeiten mit Fritz-Cola-Kisten als Ausstellungssystem passte. Leider wurden wieder nur die Gewinnerarbeiten aus Geld- und Platzgründen gezeigt, ansonsten musste man sich durch die Pappen wühlen.
Kraft: Dank dem Content ja. Wieder klare Tendenz, nicht nur bei Event: Live-Elemente als Trigger für digitale und analoge Reichweitenverlängerung.
Machart: Die Arbeit war handwerklich aber nicht überzeugend. Ich hab’ mich dort erheblich verkühlt, denn in dem Umlauf zog es nicht wie Hecht- sondern wie Haisuppe!
Freude: Ausgestellte Arbeiten ja, Ausstellung selbst nein.
Mein höchstpersönliches Zora-Urteil: Six points.
Die Awardshow und Aftershowparty
Originalität: Fairerweise muss man das trennen. Die Awardshow war zwangskomisch, da die Dramaturgie völlig fehlte und die Moderatoren die falschen Namenskarten zu den Gewinnern hatten. Party in der Fischauktionshalle: Nach dem dritten Anlauf nicht mehr super originell, aber eine gute Party muss das auch nicht sein.
Klarheit: Falsche Namen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das war schon sehr ehrabschneidend für die GewinnerInnen. Und nachdem der Wurm von Anfang an drin war, konnte auch der Max Mohr nicht noch mehr retten.
Kraft: Bewirkt die Arbeit eine Bewusstseinsveränderung? Nur durch den vorherigen Genuss bewusstseinsverändernder Drogen wäre das gelungen. Mit dem ersten Fauxpas war die Luft raus. Der Beweis: ADC-Testimonial für Storytelling Kiez-Kalle Schwensen fiel immer wieder in den Schlaf oder schimpfte wie ein Rohrspatz vor sich hin. Schade, ich saß zu weit weg und hätte gerne Mäuschen gespielt.
Machart: Was soll man da noch sagen. Halt – da gab es noch VJing als mediale Bildstörungen und entsprechende knarzende Sounds unter den Laudationes.
Freude: Kein Kommentar zur Show. Die Party war fein.
Show: Zéro points – wie unser Song für Deutschland beim ESC.
Party: Dix points.
Fazit: Live-Kampagnen wie Ampelmännchen oder Rechts gegen Rechts sind (wieder) der Abräumer. Schön für die Live-Kommunikation. Kein kleiner Wermutstropfen, sondern ein ganzer See ist aber, dass die Werber das – wohin man auch schaut – überwiegend unter sich ausmachen.
PS: Mein Favorit beim EZZ-Ranking 2015, das „Event-Zora-Zivilcourage-Ranking der Live-Kommunikationsagenturen mit dem meisten Arsch in der Hose“ ist augenblicklich der unfreiwillige Spendenlauf. Leute, das könnt ihr doch nicht auch noch den Werbern überlassen.