ADC Festival 2015: Ein Kommentar von Andreas Horbelt
von Andreas Horbelt ,
Andreas Horbelt, freier Kreativdirektor für Kommunikation im Raum und Mitglied des ADC, kommentiert das ADC Festival 2015 aus der Perspektive eines Jury-Mitglieds des Wettbewerbs.
Creating the Digital Hype. So hieß das Motto des diesjährigen ADC Festivals. Ein wenig unzeitgemäß. Der Hype ist schließlich lange vorbei, die digitale Kommunikation längst als gleichberechtigter Spielpartner im Konzert der Kommunikationskanäle angekommen. Ein wichtiger Kanal, ja, aber eben auch nur einer von mehreren. Und schaut man auf die Ergebnisse des diesjährigen Wettbewerbs, dann war der Hype nicht digital, sondern erfrischend analog.
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Digitale Kommunikation braucht Content
Den Grand Prix des Wettbewerbs gewinnt 2015 – ein Event: Die wunderbar poetische Lichtgrenze von WHITEvoid anlässlich des 70. Jahrestages des Mauerfalls in Berlin. Ein würdiger Preisträger, der zeigt, was Events im besten Sinne können: Große Bilder schaffen, Menschen involvieren, Identifikation stiften, zur Kommunikation anregen. Wunderbar. Ein analoger Ausreißer in digitalen Zeiten? Mitnichten. Denn die digitale Kommunikation braucht Futter, und reale Interventionen liefern, worauf das Marketing des 21. Jahrhunderts angewiesen ist: Content. Starke Bilder, kleine Geschichten, große Emotionen. Und so beeindrucken viele der eingereichten Projekte durch die nahtlose Vernetzung von Aktivitäten im Realen und ihrer Verwertung im Digitalen. Das gilt im weitesten Sinne auch für die Lichtgrenze. Die starken Bilder der Aktion verbreiteten sich wie von selbst. Zu den hunderttausenden von Besuchern in Berlin gesellte sich eine Vielzahl von Rezipienten im Netz.
Betrachter im Netz sind wichtiger
Der Trend zur Vernetzung zeigt sich bei vielen erfolgreichen Einreichungen, sei es das tanzende Ampelmännchen von BBDO Berlin, die Jägermeister HausBar von Philipp und Keuntje oder die wirklich witzige und stringente „Rache des Champagners“ von gestalt communications für Hawesko. Immer gilt: Besucher vor Ort sind wichtig, Betrachter im Netz sind wichtiger. Traditionell werden solche B2C-Events im ADC besser „verstanden“ (und bewertet) als die B2B-Realität der Branche. Lediglich KMS Blackspace kann mit einem klassischen Eventformat Nägel gewinnen: Die Medienproduktion für die Markteinführung des neuen Audi TT interpretiert den aktuellen Trend „Bodenprojektion“ neu und reizt die Möglichkeiten der Technik auf beeindruckende Weise aus. Zweimal Bronze. Noch mehr goldene Nägel als der GrandPrix-Gewinner vereint ein weiteres „Event“ auf sich. Beeindruckende zwölfmal Gold gewinnt „der unfreiwilligste Spendenlauf Deutschlands“ von GGH Lowe und Grabarz & Partner, ein cleverer „Hack“ des Neonazi-Aufmarsches in Wunsiedel für die Aussteigerorganisation Exit Deutschland. Auch hier werden die Bilder auf der Straße produziert, der Hack, die Umwidmung, passieren im Netz. Eine intelligente und mutige Aktion gegen Rechts. Toll.
Der Nagel als harte Währung
Im Messebereich werden drei Agenturen belohnt, die ihren jeweiligen Kunden seit Jahren zu Auftritten auf höchstem Niveau verhelfen: eins:33 gewinnt mit Gaggenau auf der LivingKitchen Silber, genauso wie Martin et Karczinski mit dem langjährigen Kunden Occhio. tisch13 punktet im vierten Jahr hintereinander mit Audi auf der CES, diesmal mit einer Auszeichnung. Dazu gesellt sich diiip mit dem Projekt „Into Spaces“ für Interprint, ein Erlebnisparcours an der Schnittstelle von Event und Ausstellung, konsequent, verrätselt, inspirierend. Bei den Ausstellungen punkten zwei Projekte, die Medien und Objekte beispielhaft verbinden. Jangled Nerves gewinnt mit dem neuen „Autowerk“ in der Autostadt Silber, Ralph Appelbaum und Tamschick Media + Space mit der vielschichtigen Ausstellung zur Wechselbeziehung von Demokratie und Technik im Technikmuseum Oslo einen Nagel in Gold. Damit bestätigt die Jury auch bei Messen und Ausstellungen den Nagel als harte Währung.
Kein digitaler Hype ohne realen Raum
Beim ADC wird, entsprechend den Kriterien, nur ausgezeichnet, wer Außerordentliches vorlegt. Sehr gut gemacht alleine reicht nicht. Die kreative Kraft einer starken Idee oder einer wirklich stringenten, ikonographischen Gestaltung müssen das Projekt über die Masse der gut gemachten Projekte erheben. Und das ist 2015 erstaunlich vielen gelungen. Es war ein starkes Jahr mit beeindruckenden Projekten, von denen viele gezeigt haben, dass der „digitale Hype“ eben nicht ohne den realen Raum auskommt. Wer heute erfolgreiche Kommunikation machen will, muss alle Kanäle vernetzt bespielen. Und erzeugt so, im Idealfall, den Hype. Viel Erfolg.