Die Entwicklungen der letzten Jahre haben einen großen Einfluss darauf genommen, wie Events durchgeführt werden. Präsenzveranstaltungen sind wieder möglich, doch werden sie auch schon wieder geplant – und wollen Menschen überhaupt vor Ort an Meetings, Tagungen und Kongressen teilnehmen?
Welche Events aktuell angefragt werden, welche Aspekte hier für Veranstaltungsplanende eine wichtige Rolle spielen und welche Perspektive sich bereits für das laufende Jahr ergibt, wollten wir von verschiedenen deutschen Convention Bureaus wissen. Mitgemacht bei unserer nicht repräsentativen Umfrage haben große Metropolen und kleine Destination-Perlen – sie haben uns einen Einblick in ihre Arbeit gegeben und ermöglichen uns, dieses Stimmungsbild aus der MICE-Branche aufzuzeigen.
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Präsenz ist „in“
Auffällig dabei: Über 90% der Veranstaltungen würden laut der Convention Bureaus in Präsenz angefragt, gerade einmal 9% sollen auch hybrid durchgeführt werden. Dabei wird unter hybrid in der Regel eine Möglichkeit verstanden, um Gäste oder auch Speaker digital zuzuschalten. Veranstalter würden aktuell nur auf hybrid zurückgreifen, wenn z.B. ein:e Referent:in oder eine Teilnehmergruppe ansonsten nicht partizipieren könnten oder das Event aufgrund von Quarantänen abgesagt werden müsste, erklärt eine Befragte. Das bestätigt auch Katharina Bitterle, Managerin Marketing & Business Development, Stuttgart Convention Bureau: „Tagungen, Meetings und Kongresse werden auch weiterhin mit einer hybriden Komponente angefragt. Es soll dabei eine größere Reichweite der Veranstaltung geschaffen werden und auch den Teilnehmer:innen, die nicht anreisen können oder wollen, Zugang zur Veranstaltung ermöglicht werden. Zudem besteht eine Unsicherheit, wie sich der nächste Winter entwickeln wird.“ Es würden jedoch auch vermehrt Stimmen lauter, erklärt ein anderer Befragter, die den Kosten-Nutzen-Faktor immer mehr infrage stellen, da Hybrid teuer sei und sich der Aufwand erst ab einer gewissen Teilnehmergröße lohne.
Präsenzveranstaltungen sind also nicht nur wieder möglich, sie werden auch zu einem großen Teil angefragt. Vor allem mittlere sowie Großunternehmen (75%) aus Deutschland und den Regionen der Convention Bureaus (87,5%) wollen wieder Veranstaltungen durchführen. 37,5% der Convention Bureaus gaben zudem an, auch Anfragen aus dem europäischen Ausland zu erhalten, 12,5% der Befragten unterstützen auch Unternehmen aus dem außereuropäischen Ausland bei der Durchführung ihrer Events. Dabei verteilen sich die Anfragen ganz unterschiedlich auf die diversen Veranstaltungsformate. Insbesondere klassische Formate wie Tagungen (41,9%), Kongresse (21.8%) und Meetings (14,3%), bei denen die Vermittlung von Wissen sowie das Netzwerken im Fokus stehen, liegen hoch im Kurs. Events mit einem Schwerpunkt auf Entertainment und Experience, wie Incentive-Veranstaltungen (3,8%), Firmenfeiern (9,1%) und Product Launches (5,4%) werden aktuell eher verhalten angefragt. Auch Messen bzw. Ausstellungen machen mit 2,9% einen kleinen Teil der Anfragen bei den teilnehmenden Convention Bureaus aus.
Erwartungen der Auftraggeber
Die Folgen der Pandemie werden auch deutlich, wenn man betrachtet, welche Aspekte bei Anfragen eine wichtige Rolle spielen: 75% der Convention Bureaus geben an, dass Unternehmen kurze Stornofristen erwarten. Dies dürfte die große Unsicherheit der veranstaltenden Firmen widerspiegeln sowie die Sorge, bei einer pandemiebedingten kurzfristigen Absage auf den Kosten sitzen zu bleiben. Ein durchdachtes Hygiene- und Sicherheitskonzept nennt die Hälfte der Befragten als entscheidenden Faktor. Gleichzeitig scheint die Möglichkeit, das Event bei Bedarf komplett digital zu veranstalten, nur eine untergeordnete Rolle zu spielen (dies deckt sich mit den vorherigen Angaben) – nur 25% der befragten Convention Bureaus geben an, dass dieser Aspekt bei Anfragen entscheidend ist. 62,5% der Befragten erklären zudem, dass Erlebnis-Rahmenprogramme der Region sowie die Verkehrsinfrastruktur wichtige Aspekte bei Veranstaltungsanfragen sind. Laut Jutta Heinrich, Leiterin Frankfurt Convention Bureau, würden auch Faktoren wie das Preis-Leistungs-Verhältnis sowie Outdoor-Möglichkeiten eine Relevanz für Veranstalter haben. Nicht zu vernachlässigen seien laut einer weiteren Befragten auch die Erreichbarkeit der gewünschten Zielgruppe in bzw. um die Destination sowie die in der Destination ansässigen Branchen und Firmen. Barrierefreiheit (12,5%) sowie Nachhaltigkeitsaspekte (37,5%) scheinen bei den befragten Convention Bureaus noch nicht die Relevanz zu haben, wie in wissenschaftlichen Arbeiten und Diskussionen in der Branche oft vermittelt wird.
(Bild: FWTM / di Matti)
Nachhaltigkeit – ein Kann, kein Muss
So gibt auch die Hälfte der Befragten an, dass Klimaneutralität bzw. Schritte für mehr Nachhaltigkeit keinerlei Bedeutung bei der Veranstaltungsplanung von vielen der angefragten Events haben. Die andere Hälfte erklärt, Nachhaltigkeitsaspekte werden mit bedacht, sind jedoch nur ein Aspekt von vielen bei der Planung der meisten Veranstaltungen. Kein einziges befragtes Convention Bureau stimmte der Aussage zu, dass das Event klimaneutral durchzuführen bei dem Großteil der Anfragen eine entscheidende Rolle spiele.
Dazu erläutert Jutta Heinrich, Leiterin Frankfurt Convention Bureau: „Wir sind immer wieder erstaunt, wie selten uns konkrete Anfragen für Nachhaltigkeitsaspekte bei Veranstaltungen erreichen. Nachhaltigkeit ist in aller Munde, dennoch scheint das bei dem Erstkontakt, der über uns stattfindet, noch keine Relevanz zu haben. Da wir aber auch auf unserer Website nachhaltige Veranstaltungshäuser und Dienstleistungen kennzeichnen, werden Planende auch online fündig, ohne uns direkt ansprechen zu müssen.“ Viele Leistungsträger in Frankfurt Rhein-Main würden zudem Nachhaltigkeitsaspekte bereits in ihrer Angebotserstellung berücksichtigen, auch ohne direkten Kundenwunsch. Genau dies bestätigt auch eine andere Befragte: Nachhaltigkeit würde nicht aktiv von den Veranstaltern hinterfragt werden. Die Locations der Region würden jedoch grundsätzlich daran arbeiten, immer nachhaltiger zu werden. Bei einer nachhaltigen Veranstaltungsplanung legen anfragende Unternehmen laut den befragten Convention Bureaus insbesondere einen Fokus auf die Bereiche Catering, Müllvermeidung, Energieeinsparung und Mobilität vor Ort (ÖPNV und/oder kurze Wege). „Gute Erreichbarkeit und Verkehrsinfrastruktur für die Teilnehmenden sind ein ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl einer Location. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine klimaneutrale Mobilität“, betont Katharina Bitterle. „Bedingt durch die Ereignisse der letzten zwei Jahre haben sich Prioritäten verändert. Bei der Begegnung von Menschen im Rahmen von Veranstaltungen hat Nachhaltigkeit in Verbindung mit Sicherheit und Hygiene noch stärker an Bedeutung gewonnen. Und insbesondere Ressourcen zu schonen, hat bei den stark steigenden Energiekosten aktuell oberste Priorität.“
Der Blick in die Glaskugel
So wandert bei einer aktuellen Betrachtung der Auftragslage in der MICE-Branche auch schnell der Blick über die deutschen Landesgrenzen hinaus. „Unter der Voraussetzung, dass wir die Pandemie sowie den Krieg in der Ukraine in den Griff bekommen, gehen wir fest von einer Wiederbelebung des MICE-Marktes, auf einem allerdings niedrigeren Niveau, aus“, erklärt Jan Gerrit Ebener, Geschäftsbereichsleiter GuestEvents & NürnbergConvention beim Nürnberg Convention Bureau. Der aktuelle und kurzfristige Buchungsstand sei gut, betont Ebener. Es gäbe einen spürbaren Nachholbedarf bei Veranstaltern und es existiere ein klares Commitment der Veranstalter und Kunden zu physischen Events. Das bestätigt auch Christina Fritsch, Projektleiterin Freiburg Convention Bureau, MICE-Partnernetzwerk: „Dieses Jahr sieht die Buchungslage sehr gut in den Locations aus. Wir sind auch für die kommenden Jahre sehr zuversichtlich. Live-Events werden wieder an Bedeutung gewinnen, weil im persönlichen Gespräch die Kontakte nachhaltiger wahrgenommen werden. Schwierig ist hingegen der Fachkräftemangel für die MICE-Dienstleister.“
Ebenfalls als kritisch werden von einigen Befragten die oft sehr kurzfristigen Anfragen betrachtet. Dies könne teilweise zu Kapazitätsengpässen führen, da beliebte Zeiträume mehrfach angefragt würden. Darunter seien auch viele Veranstalter, die aufgrund der pandemischen Einschränkungen ihre Live-Events verschoben hätten und ihre Planungen jetzt wieder aufnehmen würden.
Die Nachfrage scheint also aktuell gut zu sein, wird jedoch zum Ende des Jahres wieder verhaltener. Die Hotel- und Locationpartner des Frankfurt Convention Bureaus würden ihre Buchungslage für die Sommermonate bis Frühherbst durchaus positiv bewerten, so Jutta Heinrich. „Die Chancen für eine nachhaltige Wiederbelebung des MICE-Marktes stehen unseres Erachtens dennoch bei 50:50. Sollte uns im Herbst eine weitere Corona-Welle ereilen, wird die nachhaltige Wiederbelebung wohl erst später stattfinden. Wir drücken aber die Daumen und freuen uns auf die vielen Veranstaltungen und Messen, die in diesem Jahr stattfinden.“ Angesichts einer unklaren politischen sowie pandemischen Weltlage ist die Stimmung somit zwar grundsätzlich gut, die Zukunft bleibt jedoch ein Blick in die Glaskugel.