Dass eine Eventagentur – oft verschrien für den immensen Workload – die Vier-Tage-Woche einführt, ist ungewöhnlich. Doch Schachzug aus Erlangen strebt einen kulturellen Wandel an. Karin Schneider, die mit ihrem Mann Ron 2008 die Agentur gegründet hat und den HR-Bereich verantwortet, erklärt Konzept und Ansporn.
(Bild: Schachzug)
Das Eventgeschäft ist nicht gerade für Top-Arbeitsbedingungen bekannt, sondern vielmehr für Stress und lange Arbeitstage bei häufig mäßigem Gehalt. Welches Umdenken ist hier erforderlich?
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Karin Schneider: „Nie wieder Agentur“ – das bekam die Branche erst zu hören und dann zu spüren. Die Vorurteile insbesondere dem Eventbusiness gegenüber kann man nur aus dem Weg räumen, wenn man ihnen den Nährboden dafür entzieht. Daher ist es essenziell, dass Agenturen sich New Work nicht nur zu eigen machen, sondern proaktiv vorantreiben. Mag sein, dass es vereinzelt noch schwarze Schafe gibt, aber die Mehrzahl der Agenturen können und wollen das jetzt. Und sowohl Branchenneulinge als auch Eventerfahrene sind ja auch gerne bereit, Arbeitspeaks mitzumachen – sie wollen nur eine Balance. Und das ist ihr gutes Recht.
Wie wollen Sie Eventgeschäft und New-Work-Anforderungen matchen?
Schneider: Wir wollen nicht nur eine Balance schaffen in einem Metier, in dem es wenig Regelmäßigkeit gibt. Unser Anspruch ist es, unser Team zu coachen, sodass jedes nächste Projekt unser bestes werden kann. Da bei Schachzug einige Triathleten aktiv sind, schwappte der Challenge-Gedanke immer wieder aufs Team über. Auch Triathlet:innen haben unterschiedlich intensive Trainingsintervalle, die schließlich am Wettkampftag in einem Live-Event münden. Dabei enthält die Vorbereitung präzise gewählte Regenerationszeiten. Denn die Leistungssteigerung findet vor allem in diesen Trainingspausen statt.
Übertragen wir dieses Konzept auf das berufliche Arbeitszeitenmodell, ist es nur folgerichtig, dass wir bei der herkömmlichen 40h/Fünf-Tage-Woche zu wenig Erholungsphasen haben. Denn selbst ein beruflich freier Samstag ist doch in den meisten Fällen mit jeder Menge Verpflichtungen verbunden. Verbleibt noch der Sonntag für Familie, Freunde, Hobbys und die enorm wichtige Me-Time. Die Vier-Tage-Woche ermöglicht ein „Trainingskonzept“, das Luft insbesondere für letztere lässt.
Auf den ersten Blick passen immer weniger Personal für immer mehr Aufgaben, gestiegener Kostendruck, Inflation nicht mit einer Vier-Tage-Woche zusammen. Wo sehen Sie hier eine Lösung?
Schneider: Wir brauchen mehr Effizienz. Mitarbeitende müssen das Beste aus ihrer Zeit herausholen können. Dafür optimieren wir Prozesse und stärken bzw. verstärken unser Team.
Es gibt verschiedenste Formen, wie eine Vier-Tage-Woche funktionieren kann. Welches Konzept setzen Sie bei sich in der Agentur um?
Schneider: In unserem Testpiloten agieren wir in zwei Teams: Eines davon legt mittwochs einen Break ein, das andere startet mit dem Freitag ins Wochenende. Schachzug ermöglicht aber nicht „einfach nur“ einen weiteren freien Tag, sondern coacht diese Regenerationsphasen. Die neu geschaffene Me-Time soll für eine gezielte Ent- oder Anspannung, eine Unterstützung des (geistigen) Stoffwechsels und vieles mehr genutzt werden. Das kann ein Ansporn zum Festivalbesuch sein oder, um ein provozierendes Beispiel zu nennen, eine „Langeweile-Session“ begründet durch neuronale Erkenntnisse im Hinblick auf Kreativitätsprozesse. So kultivieren wir ein nachhaltiges Energiemanagement.
Wird es auch gleichzeitig eine Reduktion der Arbeitsbelastung geben?
Schneider: Die gesamte wöchentliche Arbeitszeit wird sich etwas verringern (bei gleichbleibendem Gehalt). Daraufhin werden wir das Projektaufkommen und unser Recruiting ausrichten. Unser übergeordnetes Ziel ist, dass Arbeit nicht als Last empfunden wird. Und deshalb verstehen wir die Arbeitszeit auch mehr als Trainingsphase. In dieser bauen unsere Mitarbeitenden die Kondition und den Teamspirit auf, um eine Balance im Alltag zu finden und auf Event Höchstleistung zu geben.
Wollen Sie neben der Vier-Tage-Woche auch noch weitere Add-ons aus dem New-Work-Umfeld einführen?
Schneider: Benefits wie Jobrad, Fitnessstudio, Sabbatical, Personal Goal Support etc. gibt es bei uns bereits. Am Ende ist es immer eine Frage, was zu unserem Mindset passt. Wir haben auch nicht zur Vier-Tage-Woche gefunden, weil sie gerade en vogue ist. Werte wie Challenging the Status Quo oder Seeing Limits as an Invitation haben unser Handeln bereits definiert, als davon noch keine Rede war. Aber genau aus diesem Leistungsdenken heraus, haben wir nach Lösungen gesucht, die Effizienz und das Leistungsvermögen unseres Teams gezielt zu erhöhen. Und so hat sich dieser Ansatz als richtig für uns erschlossen.
Welchen langfristigen Effekt erhoffen Sie sich von der Umsetzung Ihres New-Work-Konzeptes?
Schneider: Für einen nachhaltigen Wandel reicht es nicht, New Work häppchenweise ins Eventbusiness zu integrieren. Es braucht große Veränderungen, welche eine Basis schaffen, um der Lebensauffassung von morgen gerecht zu werden. Wir alle haben die gleiche Zeit – richtig mit ihr umzugehen, ist und wird die größte Herausforderung. Wenn wir die Branche sind, welche hier mutig vorangeht und innovative Lösungen bietet, kann das Eventbusiness eine Heimat für viele werden.
Sehr geehrte Frau Schneider, nach 40 Jahren Event-Business und 40 Jahren Erfahrung im Umgang und Verantwortung für Menschen, kann ich Ihnen nur raten: wahren Sie eine andere Balance – die von Leistungsorientierung und Mitarbeiterorientierung.
Halten Sie die Balance von Nähe und Distanz zu Mitarbeitern. Und bitte nicht dieses schreckliche Dinglisch. Deutsch ist eine wunderbar ausdrucksfähige Sprache.
Sehr geehrte Frau Schneider, nach 40 Jahren Event-Business und 40 Jahren Erfahrung im Umgang und Verantwortung für Menschen, kann ich Ihnen nur raten: wahren Sie eine andere Balance – die von Leistungsorientierung und Mitarbeiterorientierung.
Halten Sie die Balance von Nähe und Distanz zu Mitarbeitern. Und bitte nicht dieses schreckliche Dinglisch. Deutsch ist eine wunderbar ausdrucksfähige Sprache.