Oder: Die Dramaturgie bestimmt den Erfolg

Vom „kleinen Tod“ und dem „großen Spaß“

Chris Cuhls, Eventkonzeptioner und Regisseur, sucht mit seiner Podcast-Reihe „What’s Next – Events im Wandel“ nach den Prinzipien wirkungsvoller Begegnungsgestaltung. Zuletzt sprach er mit Christoph Kuckelkorn, der von Beruf ein Bestattungsunternehmen führt und aus Berufung Karnevalist und derzeit Präsident des Festkomitees Kölner Karneval ist. Und natürlich war der Spagat zwischen Tod und Karneval das wesentliche Thema, wobei sich erstaunliche Parallelen auftaten.

Christoph Kuckelkorn - Whats next Events im Wandel

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So erläuterte Christoph Kuckelkorn, inwieweit dramaturgische Überlegungen auch ein „Event“ wie eine Trauerfeier bestimmen. Die Notwendigkeit eines entspannten Einstiegs mit pulsberuhigender, aber keinesfalls trauriger Musik, die wichtige Planung zur Reihenfolge der Trauerreden, wobei die tiefste und emotionalste davon als letzte kommen sollte, um dann wieder Musik mit etwas leichterem und eher anregendem Tempo den Übergang in den Alltag schaffen müsse. Gutes Timing erzeugt Exzellenz.

Überhaupt sei Planung ja der entscheidende Faktor – auch beim Karneval. Im organisierten Fasteleer (kölsche Version) arbeitet man nahezu ein Jahr lang für die wenigen Wochen der 5. Jahreszeit, um nichts dem Zufall zu überlassen. Back-ups für den Rosenmontagszug seien ebenso wichtig wie etwa für größere Trauerfeiern, denn aufgrund der hohen emotionalen Beteiligung der Teilnehmer an beiden Arten von Veranstaltungen, würde jeder Fehler wie unter einem Brennglas wirken und müsse deshalb so weit wie möglich ausgeschlossen werden.

Chris Cuhls sprach die dramaturgische Form der „Heldenreise“ an, die man in jeder guten Story, jedem erfolgreichen Film und eben auch guten Events wiederfindet. Und in der Tat sieht Kuckelkorn da durchaus wieder Überscheidungen, denn letztlich sei der Karneval auch eine Art „Heldenreise“. Jeder „Jeck“ würde sich für ein paar Tage aus dem Alltag verabschieden und mit Hilfe des Kostüms in eine andere Welt eintauchen. Das wirke reinigend für Seele und hätte daher durchaus Auswirkungen auf die Zeit „danach“.

Besonders augenfällig sei das für das „Dreigestirn“, wobei der Prinz ja früher sogar „Held Karneval“ genannt wurde. Das amtierende Dreigestirn habe etwa 400 Auftritte in der Session, in Kitas, Altenheimen, Krankenhäusern und Hospizen. Und verfehlt für die Karnevalisten und ihre Begleitungen seine Wirkung nicht, auch dann nicht, wenn sie nach Aschermittwoch wieder zuhause den Müll runterbringen müssen.

Und selbst für Karnevalssitzungen gelte dramaturgische Planung. Man könne nicht vier bis fünf Stunden nur Klatschmärsche veranstalten. Kölner Bands wie Kasalla und andere hätten deshalb bewusst neben schwungvollen Songs auch stille, sehr emotionale Lieder im Programm, die ebenfalls ihre Wirkung nicht verfehlen. Der „kleine Tod“, das bewusste Wechselbad der Gefühle, sei der Garant für einen emotionalen Abend.

Wobei der Rheinländer vielleicht dafür besonders empfänglich sei, denn die Menschen hier seien offener, leichtlebiger – manche sagen auch oberflächlicher. Aber das „Drink doch eene met“ sei eben typisch – man kommt hier leicht ins Gespräch, bezieht alle ein und macht sich einen schönen Abend, ohne darüber nachzudenken, was morgen sein könnte und mit dieser Offenheit gehen die Rheinländer eben auch auf Gäste anderer Nationen oder Bundesländer zu.

Auch das spiegelt sich im Karneval, zwar ist „jede Jeck anders“, aber durch die Kostümierung seien eben doch alle gleich, man könne dem Matrosen oder der Hexe nicht ansehen, ob sich darunter eine Führungskraft oder ein:e kleine:r Angestellte:r verberge. Das gilt eben auch für Weltanschauungen oder Meinungen – Karneval macht gleich.

Das gemeinsame Feiern über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg funktioniert damit auch als eine Art „sozialen Kitts“, zumal die sogenannten sozialen Netzwerke eher auf Spaltung der Gesellschaft setzen und auch die Kirchen ihre Funktion als Hort eines Gemeinschaftsgefühls leider verloren haben.

Diese Art der Begegnung auf Augenhöhe könne vielleicht auch für andere Events zielführend sein, findet Christoph Kuckelkorn, wenn es darum geht, miteinander ins Gespräch zu kommen und einen schönen und entspannten Abend zu verbringen, ohne sofort einen „Call to action“ ins Auge zu fassen.

„Das Leben ist voll von Abschieden und Abschiede gehören zum Leben“ – das gelte auch für den Karneval. In der Nacht zum Aschermittwoch wird in Köln der Nubbel verbrannt und mit seinem „kleinen Tod“ verbrennen alle Sünden und Fehler – der Spaß und neues Leben kann beginnen.

Ohne den kleinen Tod kein Leben – und kein Spaß.

>> Das komplette Gespräch findet ihr unter http://ablaufregisseur.de/christoph-kuckelkorn-begegnung-zwischen-karneval-tod-wne073/.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Wie Recht Herr Kuckelkorn doch hat mit seinen interessanten Ausführungen. Der Begriff Karneval taucht in Köln um 1780 auf. Tatsächlich gab es Vorläufer in Mesopotamien vor 5000 Jahren! D.h., Karneval ist die älteste Form der Events. Und ähnlich ist es bei Trauerfeiern! Auch wenn das makaber klingen mag, aber auch eine Beerdigung ist eine Art Event!

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