Handlungsempfehlungen

Blitzschutz: Organisatorische Schutzmaßnahmen für kleinere Open-Air-Events

Gerade auf kleineren Veranstaltungen, auf denen es meist keine aufwendigen technischen Blitzfangeinrichtungen gibt, besteht die Gefahr von Blitzeinschlägen für Besucher:innen. Bernhard Bröde erarbeitet in seiner Bachelor-Arbeit wertvolle Handlungsempfehlungen zum Schutz der Gäste. 

(Bild: Aleksandar Kamasi/Shutterstock)

„Bei Rock am Ring in Mending werden bei Blitzeinschlägen mehr als 70 Menschen verletzt. Zwei Fans müssen reanimiert werden. Nachdem die Konzerte am Samstag erst um 21.30 Uhr starten, wird der letzte Festivaltag komplett gestrichen“ (Dupke 2016).  So lautet der Untertitel auf der Website der Rheinländischen Post zu den Ereignissen auf dem Festival Rock am Ring im Jahr 2016. Auch wenn die Blitzhäufigkeit in den letzten Jahren immer weiter abnimmt, kommt es dennoch immer wieder zu Blitzunfällen auf Veranstaltungen. Der oben genannte Vorfall ist wohl der bekannteste der letzten Jahre. Aber auch auf kleineren Veranstaltungen, wie bei einem Vereins-Fußballspiel in Baden-Württemberg im Jahr 2009, bei dem 26 Menschen durch einen Blitzeinschlag verletzt wurden, besteht diese Gefahr. Blitzschutz ist somit ein Thema, mit dem sich jeder Veranstalter auseinandersetzen muss, egal wie groß seine Veranstaltung ist.  

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Unter dem Gesichtspunkt, dass auf kleineren Veranstaltungen die Zumutbarkeit von technischen Blitzfangeinrichtungen in den meisten Fällen nicht gegeben ist, sollten hierfür Grundlagen für organisatorische Handlungsempfehlungen gelegt werden. Kleinere Veranstaltungen wurden für die durchgeführte Studie auf unter 1.000 Besucher:innen definiert, auch wenn dies mit Sicherheit diskussionswürdig ist. Mithilfe von Experteninterviews verfasst der Autor Handlungsempfehlungen für organisatorische Blitzschutzmaßnahmen auf kleinen Open-Air-Veranstaltungen. Der Fokus der Betrachtung liegt auf dem Schutz der Besucher:innen. Selbstverständlich müssen auch Mitarbeitende geschützt werden, sind aber nicht zentraler Bestandteil der Handlungsempfehlung.  

Entstehung von Blitzen

In der Antike glaubte man, dass die wie Feuerstrahlen aussehenden Erscheinungen von Göttern aus dem Himmel auf die Erde geschleudert werden. Heutzutage ist man in der Forschung und im Verständnis von Gewittern deutlich weiter.  

Vereinfacht gesprochen, muss zur Gewitterbildung warme feuchte Luft in höhere und somit kältere Luftschichten aufsteigen. Dies kann entweder durch das Aufheizen von Luft am Boden (Wärmegewitter), durch warme Luft, die durch kalte Luft nach oben gedrückt wird (Frontgewitter) oder durch warme Luft, die über ansteigendes Gelände steigt und somit angehoben wird (orografisches Gewitter), geschehen. Bei diesen Aufwärtsbewegungen werden in Aufwindschläuchen massive Luftmengen nach oben transportiert. Die genaue Art und Weise, wie die elektrische Aufladung in der Gewitterwolke geschieht, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Festgehalten werden kann, dass diverse elektrostatische Ladungstrennungsprozesse beim Aneinanderreiben von Teilchen durch die Aufwinde in der Wolke vonstatten gehen und dass dadurch positiv und negativ geladene Teilchen entstehen. Oft – insbesondere bei Wärmegewittern – findet man im oberen Teil der Gewitterwolke positive und im unteren Teil negative Ladungen. Wird die Spannung zwischen den am Boden geladenen Teilchen (oft an höheren Objekten wie Bäumen oder Kirchtürmen) und den Teilchen in der Gewitterwolke groß genug (über 1 MV/m), kommt es zur Entladung. In diesem Fall spricht man von einem Erdblitz. Spannungsentladungen können auch zwischen Wolken oder der Wolke und der Ionosphäre stattfinden.  

Für die Veranstaltungsbesucher:innen am Boden stellt lediglich der Erdblitz eine Gefahr dar. Erdblitze können ihren Ursprung sowohl in der Wolke (Wolke-Erde-Blitz) als auch auf dem Boden (Erde-Wolke-Blitz) haben und positiv wie auch negativ geladen sein. Bei Wolke-Erde-Blitzen wird der aus der Wolke entstehende Leitblitz durch eine Fangladung vom Boden „geerdet“. Ist dies der Fall, entlädt sich die in der Wolke gespeicherte Ladung und wird zum Boden über den Hauptblitz abgeführt. Dabei sind Mehrfachentladungen durch Folgeblitze oder sogenannte Stromschwänze (längere Entladung über mehrere 10 ms) möglich. Der Blitzkanal des Leitblitzes erhitzt sich bei der Entladung auf einige 10.000°C, was den Luftdruck auf ein über 100-faches erhöht, somit zu einem Überdruck führt und als Donner wahrgenommen wird. 

Blitzeinwirkung auf den Menschen und deren Gefahren

Blitze können direkt oder indirekt auf den Menschen einwirken. Diese führen in den meisten Fällen zu Verletzungen, aber zum Glück nicht immer zum Tod. Eine Studie aus dem Jahr 2016 hat gezeigt, dass die Letalität bei maximal 20% liegt und bei Massenanfällen von Verletzten sogar lediglich bei 6,19%. Bei letzterem ist dies auf die hier wahrscheinlich wirkende Schrittspannung, die geringere Auswirkungen auf den Körper hat als ein Direkteinschlag, zurückzuführen. Das Verletzungsmuster kann bei Blitzunfällen unterschiedlich aussehen. So können sowohl elektrische als auch thermische und/oder mechanische Energien auf den Körper einwirken. Mögliche Verletzungen wären enorme Verbrennungen durch die hohen Temperaturen im Blitzkanal, Störungen der Zellmembran und -funktion durch die elektrischen Ströme, Schädigungen des Hör- oder Sehsinns oder offene Wunden durch die Schockwelle der schnell erhitzten Luft. Führt der Blitzeinschlag zum Tod, ist hier meist ein Herzstillstand oder eine Atemlähmung die Ursache.  

Personengefährdungen können durch direkten Einschlag des Blitzes in den Körper, Überschlag von einem Objekt, Berührspannung zu einem Objekt oder der Schrittspannung durch den Boden entstehen. Ebenfalls können Sekundärgefährdungen, wie Explosion oder Brand, die Besucher:innen einer Veranstaltung bedrohen. Obwohl die Letalität durch Blitze „relativ“ gering ist, darf die Gefahr für die Gäste nicht unterschätzt werden. Die möglichen körperlichen Einschränkungen durch Verletzungen sind massiv und gerade bei Veranstaltungen, bei denen sich (verhältnismäßig) viele Menschen auf engem Raum befinden, darf die Gefahr nicht außer Acht gelassen werden.  

Notwendigkeit des Blitzschutzes

Bevor die Maßnahmen selbst aufgezeigt werden können, muss die Frage nach der Notwendigkeit eines Blitzschutzes betrachtet werden. Der Veranstalter ist verpflichtet, seine Besucher:innen vor Gefahren zu schützen. Das ergibt sich unter anderem aus der Verkehrssicherungspflicht (§§ 823 ff. BGB) oder der Sicherheitsgewährleistung (§ 241 Abs. 2 BGB). So deutet auch ein noch nicht rechtskräftiges Urteil vom Landgericht Frankfurt am Main in Bezug auf einen Blitzunfall auf einer Veranstaltung auf diese Verpflichtung hin. Außerdem fällt die Blitzgefahr auf Veranstaltungen nicht vollständig unter das allgemeine Lebensrisiko. Die Besucher:innen haben aufgrund der Umstände (z.B. der Ablenkung durch das Programm) nicht die Möglichkeit, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. Die fremden örtlichen Gegebenheiten und die durch die Veranstaltung vorgegebenen Strukturen erschweren es ebenfalls, sich selbst in Sicherheit bringen zu können. Aus all diesen Gründen ist es zwingend notwendig, Blitzschutzmaßnahmen für den Schutz der Besucher:innen umzusetzen.  

Die Expert:innen diskutierten im Rahmen der Studie kontrovers über die Dimensionierung (technisch und/oder organisatorisch) der Maßnahmen. Festzuhalten ist aber, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen. Hierüber war der Konsens der Experten eindeutig. Um die richtige Dimensionierung feststellen zu können, bedarf es einer Einzelfallprüfung und ist vom Schutzziel der Veranstaltung abhängig. Der Veranstalter muss aber mindestens organisatorische Blitzschutzmaßnahmen treffen, um seine Besucher:innen zu schützen. Diese sind gut umsetzbar – unabhängig von der Größe und dem Budget der Veranstaltung.  

Organisatorischer Blitzschutz

Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurden acht Expert:innen aus dem Bereich der Veranstaltungssicherheit und des Blitzschutzes für Veranstaltungen interviewt. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über einige Handlungsempfehlungen gegeben werden, die aus der Analyse der Interviews hervorgingen. Dies stellt keine vollständige Präsentation der Ergebnisse dar.  

Planung des Blitzschutzes:

  • Für jede Veranstaltung muss es eine verantwortliche Person geben. Gerade bei kleineren Events (z.B. Vereinsfeste auf Dörfern) gibt es oft keine:n designierte:n Veranstaltungsleiter:in. Eine solche verantwortliche Person ist aber notwendig, um Maßnahmen zum Schutz der Besucher:innen einzuleiten. Diese Person muss schriftlich festgehalten werden. 
  • Das Gelände muss auf Risiken untersucht werden. Es muss nicht zwingend ein Blitzgefahrenplan auf jeder Veranstaltung erstellt werden, aber auf gefährdete Orte, wie z.B. hohe Bäume, muss geachtet und ggf. Maßnahmen ergriffen werden. 
  • Der Veranstalter muss sich im Vorfeld über die Art und Weise der Informationsgewinnung Gedanken machen. Es müssen reliable Wetterdaten aufrufbar sein. Im Optimalfall ist ein Meteorologe vor Ort, der das Wetter einschätzen kann. Da dies aber oft nicht möglich ist (aus welchen Gründen auch immer), sind die Daten des DWD eine gute Alternative. 
  • Eine anstehende Gefährdung muss immer Maßnahmen einleiten. Hierbei hilft es, im Vorfeld Abstandsradien (des Gewitters) um das Gelände zu definieren, die (1) das Zusammenrufen der Entscheidungsträger:innen zur Folge hat, (2) die Mitarbeitenden über die anstehende Maßnahme zu informieren und (3) die Räumung des (Teil-)Geländes einzuleiten. Bei diesen Abständen müssen Faktoren wie Zugrichtung, Zuggeschwindigkeit, Größe des Geländes, Übersichtlichkeit des Geländes, Reaktionszeiten, Besucherstruktur (z.B. älteres Publikum ist oft langsamer) und die Mitarbeitenden (diese brauchen genug Zeit, sich selbst im Anschluss an die Besucher:innen in Sicherheit zu bringen) beachtet werden.

Schutzorte:

  • Es können Teilbereiche oder das gesamte Gelände durch Blitzschutzeinrichtungen geschützt werden (technischer Blitzschutz). 
  • Besucher:innen können in Gebäude mit Blitzschutzeinrichtungen gebracht werden. Hier bieten sich städtische Gebäude, Restaurants, Tiefgaragen, Sporthallen, etc. an. 
  • Reist ein großer Teil der Besucher:innen mit PKW an, so können auch diese genutzt werden. Hierbei bedarf es eines alternativen Schutzortes für Gäste, die mit dem ÖPNV angereist sind. 
  • Der Veranstalter kann auch Zelte mit Blitzschutzeinrichtungen zur Verfügung stellen. Hierbei müssen weitere Gefahren, die ein Zelt mit sich bringt (z.B. Windlasten), beachtet werden. 
  • Bei allen Schutzorten ist auf die Kapazität, die Laufzeit und die Zugänglichkeit zu diesen zu achten. Alle diese Aspekte gilt es, vor der Veranstaltung zu klären. 

Kommunikation:

  • Risikokommunikation im Vorfeld kann den sicheren Ablauf eine Veranstaltung fördern. Hier können z.B. Verhaltensweisen sowie die Lage und Zugänglichkeit der Schutzorte mitgeteilt werden. 
  • Im Räumungsfall müssen Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, die alle Besucher:innen erreichen. Diese können technisch (z.B. ELA-/SAA-Anlagen oder PA-Systeme), digital (z.B. Event-App) und/oder persönlich (z.B. durch Mitarbeitende) sein. Bei den Kanälen ist auf Barrierefreiheit zu achten, sodass alle Besucher:innen die Informationen bekommen können. 
  • Die Kommunikation muss auf die Art und den Zustand der Besucher:innen angepasst sein. So müssen beispielsweise alkoholisierte Jugendliche anders angesprochen werden als ältere Besucher:innen auf einem klassischen Konzert. 
  • Sobald die Räumung kommuniziert wird, muss ein Show- und Ausschankstopp erfolgen, um die Aufmerksamkeit auf die Ansagen zu lenken. 
  • Es muss der bzw. die richtige Kommunikator:in gewählt werden. Hierfür wurde der bzw. die Moderator:in, der Haupt-Act, der Veranstalter oder ein:e professionelle:r Sprecher:in identifiziert. 
  • Kommunikation muss offen und frühzeitig geschehen und zum Ziel haben, das Stress-Level der Besucher:innen möglichst niedrig zu halten und zugleich diese schnell in Sicherheit zu bringen. Dazu gehört etwa auch, verwirrende „Nicht-Sätze“ zu vermeiden, um die Verständlichkeit möglichst groß zu halten.  
  • Die Kommunikation muss in den Schutzorten weitergeführt werden. 

Erfahrungen und Ausblick

Im Laufe der Gespräche mit den Expert:innen stellte sich ein großes Spannungsfeld über die Dimensionierung von Blitzschutzmaßnahmen (technisch vs. organisatorisch) heraus. Diesen Raum für Diskussion zu schaffen, scheint eine Aufgabe für die nächsten Jahre zu sein. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass es wichtig ist, Maßnahmen zum Schutz der Besucher:innen vor Blitzen umzusetzen. In Gesprächen mit Expert:innen und auch anderen Kolleg:innen wurde immer wieder hervorgehoben, dass das Thema Blitzschutz auf (kleinen) Veranstaltungen oft außer Acht gelassen wird. Aber gerade die eben vorgestellten organisatorischen Blitzschutzmaßnahmen sind ein einfach umzusetzender Weg, den Schutz zu verbessern. Durch Aufklärung über die Gefahren, einfach verständliche Handreichungen und die Umsetzung dieser können Besucher:innen kleiner Open-Air-Veranstaltungen in Zukunft sicher Veranstaltungen genießen.  

Die vom Autor durchgeführte Arbeit sollte eine erste Grundlage dafür schaffen, dieses Ziel zu erreichen. Eine wissenschaftliche Darstellung der Ergebnisse soll im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2024 in einem gleichnamigen Paper über die Technische Hochschule Mittelhessen veröffentlicht werden. Ebenfalls plant der Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung des VDE, im zweiten Halbjahr 2024 eine revidierte Version des Merkblatts zum Thema Blitzschutz auf Veranstaltungen zu veröffentlichen.


Über den Autor

Bernhard Bröde absolvierte seinen Bachelor of Science in Eventmanagement und -technik an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen. Neben seinem Studium ist er seit 2018 als selbstständiger Eventmanager und -techniker auf diversen Veranstaltungen tätig. Seit 2022 studiert er den konsekutiven Master of Science in Strategische Livekommunikation ebenfalls an der THM. Im Moment arbeitet er an seiner Masterarbeit im Bereich der Veranstaltungssicherheit. Für seine hier vorgestellte Bachelorarbeit wurde er vom VFSG mit dem Student Award 2022 ausgezeichnet.  

Bernhard Bröde
Bernhard Bröde

Bewertung der Professur

Die Veranstaltungswirtschaft weist viele spannende Ausbildungsmöglichkeiten auf und ist interdisziplinär aufgestellt. Die vorliegende Arbeit zeigt deutlich, was für einen Mehrwert wissenschaftliches Arbeiten Unternehmen bringen kann. Gerade in einer Branche, die sich durch so viele verschiedene Disziplinen auszeichnet, haben Absolvent:innen von Bachelor- und Masterstudiengängen eine Existenzberechtigung und bringen wichtige Sichtweisen ein. Das methodische Vorgehen bei der Recherche und den Interviews wurde hier mit einer ausgezeichneten Note belohnt und bringt Ergebnisse hervor, die es Veranstaltern ermöglichen, die speziellen Herausforderungen beim Schutz der Besucher:innen zu verstehen und berücksichtigen zu können. Weiter zeigt die Arbeit deutlich, dass sich alle Beteiligten einer Veranstaltung im Freien in Zukunft mehr mit dem Thema Gefährdungen durch Blitze auseinandersetzen sollten. Nicht vielen gelingt es, zwei so wichtige Themen (organisatorischer und technischer Blitzschutz) in einer Arbeit zu vereinen und dann noch so griffig zu formulieren. Persönlich bin ich sehr stolz, diese Arbeit und viele andere hervorragende Arbeiten betreut haben zu dürfen, und sehe weiteren Abschlussarbeiten neugierig entgegen. 

Prof. Axel Barwich, Professor für technische Veranstaltungskonzeption in den Studiengängen Eventmanagement- und Technik (BSc.) & Strategische Livekommunikation (MSc.), Technische Hochschule Mittelhessen 

HINWEIS DER REDAKTION: 

Der Artikel basiert auf Literatur und Quellen, die in der vollständigen Bachelorarbeit einzusehen sind und deren explizite Nennung für die Veröffentlichung im Magazin vernachlässigt wurde. 

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