Bewegte Bilder - woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Teure Content Creation: Ab wann lohnt sich der Aufwand?
von Annette Beyer,
Moderne Projektionstechniken begeistern. Was jedoch richtig wirkt, ist der Content. Doch Aufwand und Kosten werden oft unterschätzt. Ab wann sich der Aufwand lohnt, erklärt Autorin Annette Beyer.
Galadinner. 100 Jahre Fresenius. 1.200 festlich gestimmte Gäste sitzen in der Jahrhunderthalle, umgeben von einer aufwändigen 360°-Projektion. Der weltweit tätige Gesundheitskonzern feiert sein Jubiläum mit dem Claim „Forward Thinking Healthcare“. Reichlich abstrakt. Wie sieht denn sowas aus? In welche Bilder lassen sich die vielfältigen, komplexen und hochspezialisierten Geschäftsfelder des Weltunternehmens übersetzen? Irgendwas mit Gesundheit, klar. Aber man will ja nicht nur Informationen vermitteln, sondern die Würde des Anlasses und natürlich – Emotionen!
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Die Berliner Leadagentur CB.e inszeniert einen donnernden medialen Auftakt: Die Gäste erleben das letzte Jahrtausend Medizingeschichte in Bildern und Zeichen, live begleitet vom Babelsberger Filmorchester. Der Film dauert sieben Minuten. An der Recherche und Beschaffung seiner Inhalte hat ein Agenturteam ein Jahr lang gearbeitet.
Guter Content ist immer teuer. Wann sich der Aufwand lohnt
Im Zentrum des Fresenius-Festaktes sollen die Kernkompetenzen des Gesundheitskonzerns stehen. Klingt auch nicht grade prickelnd. Wie kann daraus ein emotionaler Höhepunkt werden? Auch hier entscheidet man sich für aufwändigen Inhalt: Vier kurze Dokumentarfilme porträtieren Menschen, denen Fresenius-Produkte eine neue Lebensperspektive geschenkt haben. Die authentischen Patientenschicksale spielen in China, Ghana, Deutschland und Australien. Die Filme werden exklusiv in diesen vier Ländern gedreht.
Lohnt sich dieser Aufwand? Ja, weil die Filme dramaturgisch höchst wirkungsvoll in die Live-Inszenierung eingebaut werden: Die vier Patienten, deren filmisch erzählte Geschichte keinen Gast unberührt lässt, stehen plötzlich leibhaftig auf der Bühne in Frankfurt und erzählen, wie es ihnen heute geht.
Galapublikum ist nicht leicht aus der Reserve zu locken, hier glückt es auf ganzer Linie. Seinen Anteil an der außergewöhnlichen emotionalen Wirkung hat sicher auch die 160 Meter lange, hoch aufgelöste Rundum-Projektion. Aber entscheidend sind die sorgfältig recherchierten und geradezu „liebevoll“ produzierten Inhalte – und die geschickte Live-Dramaturgie.
Wenn’s um komplexe Inhalte geht, ist Film das Mittel der Wahl
Im Gegensatz zum Kinofilm steht im Event das Medium Film – Experten sagen „Bewegtbild“ – nie für sich allein. Bewegtbild ist immer nur ein Element im Gesamtmix der Inszenierungstools, die auf einer Veranstaltung zum Einsatz kommen. Film kann als großes emotionales Bild im Zentrum stehen oder eine vermittelnde bzw. atmosphärische Nebenrolle spielen. Insofern ist es eine Frage des Storytellings und der Dramaturgie, an welcher Stelle es sinnvoll ist, teuren Film und Motion Graphics einzusetzen.
Elsa Wormeck, freie CD und Expertin für den Einsatz visueller Elemente bei Veranstaltungen, weist auf die besonderen Möglichkeiten von Film hin, komplexe Zusammenhänge zu vermitteln. „Das besondere Potenzial von Bewegtbild liegt für mich darin, dass es Komplexität nicht nur abbilden, sondern sie regelrecht vor dem Auge des Betrachters entfalten kann. Darin liegt für ein Unternehmen die große Chance, sein gesamtes Wesen inklusive Geschichte, Werten, Visionen und Kennzahlen im Raum und im Kopf des Zuschauers lebendig werden zu lassen.”
Vorsicht Falle! Gehört dieses Material wirklich meinem Kunden?
Wie kommt man an das Material? Als erstes gilt es, Archive durchzusehen und zu prüfen, welches Material sich für eine Verwendung eignen könnte. Hier ist auch Fotomaterial von besonderem Interesse. „Fotos liegen oft in hoher Auflösung vor, während v.a. ältere Filme meist eine Qualität haben, die sich für eine Großbildprojektion nicht eignet“, erklärt Elsa Wormeck.
Christoph Kirst, Geschäftsführer und CD der Berliner Agentur insglück, fahndet in der Regel zuerst im Archiv des Kunden. Die Presseabteilungen von Konzernen verfügten meist über einen Mediapool mit freigegebenem Bildmaterial für Pressezwecke. Auch fände sich oft in den einzelnen Fachabteilungen Material, das man umnutzen könne. So ließen sich z.B. Videos neu schneiden oder Stills animieren.
Aber Achtung, warnt Christoph Kirst, oft werden Unternehmensfilme nur für einen bestimmten Anlass produziert und das Unternehmen bezahlt auch nur die einmalige Nutzung. Ob der Unternehmenskunde das Recht auf Weiterverwertung seines Materials hat, ergibt sich aus dem Rahmenvertrag mit dem Lieferanten. Dieser ist nur selten verfügbar. Den Unternehmen sei diese Problematik kaum bewusst, sagt der erfahrene Event-Inszenierer.
Bilddatenbank vs. Eigenproduktion: YouTube prägt eine neue Ästhetik
Für allgemeinere, nicht unternehmensspezifische Themen bieten sich die gängigen Bildarchive wie Brainpool oder Getty Images an. Christoph Kirst schränkt ein, dass es sich bei einem Durchschnittspreis von 300 bis 400 Euro pro Schnitt durchaus lohnen könne, selbst zur Kamera zu greifen. Durch die Digitalisierung sei das Selbstproduzieren viel günstiger geworden. Selbst Handykameras machten HD-Aufnahmen. Und für Luftaufnahmen schicke er heute eine Billig-Drohne statt eines Hubschraubers los. Auch die Post Production sei in letzter Zeit viel unkomplizierter geworden. Und v.a. hätten sich durch den Videoboom in den sozialen Medien die Qualitätsansprüche geändert. Die Bildästhetik sei heute freier und verrückter. „Der Einfluss der YouTube-Isierung kommt uns entgegen.“
Ein klares Statement kommt von Kirst gegen den laxen Umgang mit Bildrechten. Auch in einer „internen“ Veranstaltung habe man nicht das Recht, unfreies Material zu verwenden. Die Transparenz sei heute viel größer. Niemand könne verhindern, dass Teilnehmer das Handy zückten und den Screen abfotografierten. Aber v.a. sei es eine Frage des Anstands, ob man als Agentur ein Großunternehmen darin unterstütze, sich umsonst an der Arbeit einer kleinen Produktionsfirma zu bedienen.
“Interne Veranstaltung oder nicht. Du klaust.”
Christoph Kirst, insglück
Motion Graphics – der Stil der unbegrenzten Möglichkeiten
Wenn die Inhalte stehen, kommt die konzeptionelle Frage nach Story und Stilistik auf. Allein im Realbildbereich reicht das Spektrum von selbstgedrehten Mitarbeiterfilmen über die Arbeit mit semiprofessionellen Filmteams bis zur professionellen Filmproduktion. Zwischen Dokumentarfilm und Motion Graphics liegen Welten. Wenn hier nur anhand der Kosten entschieden wird, kann viel falsch laufen. Damit das filmische Produkt die gewünschte Wirkung erreicht, sollte man sich sowohl inhaltlich als auch technisch gut beraten zu lassen. Das Fresenius-Projekt verdankt seinen Erfolg nicht zuletzt der intensiven konzeptionellen Zusammenarbeit zwischen der Agentur und der Produktionsfirma „m box“.
In den letzten Jahren haben Motion Graphics die Projektionsflächen erobert. Elsa Wormeck erklärt, warum: „Eine rein grafische Bewegtbildproduktion hat den Vorteil, dass den Möglichkeiten in der Umsetzung keine Grenzen gesetzt sind. Alles Material wird neu erschaffen, vorhandenes Realbildmaterial kann eingearbeitet werden oder dient als Vorlage für eine grafische Umsetzung. Auf die technischen Anforderungen des Eventsettings hinsichtlich Bildgröße und Auflösung kann man flexibel eingehen. Ganz abgesehen von den stilistischen Möglichkeiten, die das Abweichen vom Realbild hin zu einer abstrakteren Stilistik bietet.”
Und die Kosten für Content Creation? Der Experten-Tipp
Die erfahrenen Kreativen Elsa Wormeck und Christoph Kirst sehen Einsparmöglichkeiten weniger bei Konzept und Produktion, sondern in der Mehrfachnutzung des produzierten Materials. Schon bei der Konzeption eines Filmes für ein Event ist es sinnvoll, sich zu überlegen, ob dieser Film auch für weitere Verwertungen und Kanäle in der Unternehmenskommunikation von Interesse sein kann. Oft lassen sich Budgets verschiedener Abteilungen zusammenlegen und so der Kostenaufwand für den einmaligen Einsatz minimieren. Außerdem wird der kommunikative Gesamtauftritt stringenter, wenn Medien kanalübergreifend konzipiert sind.
Auch wenn Anforderungen an Filme für Events oft besonders sind – z.B. aufgrund von anderen Formaten für Panoramaprojektionen – lässt sich ein filmisches Thema mit geringen Anpassungen für die verschiedenen Kanäle nutzen.