Das Münchner Manifest – und was es für die Eventbranche bedeuten könnte.
Das „Münchner Manifest zur Live-Kommunikation“ spricht die Schwachstellen der Erlebniskommunikation – sowohl auf Agentur- wie auf Kundenseite – deutlich an. Sein Inhalt in aller Kürze: Bedingt durch die Konturlosigkeit vieler Agenturen unterschätzen viele Kunden die Möglichkeiten der Branche und versagen ihr das verdiente Ansehen. Gute Kreation muss von beiden Seiten als Schlüssel erfolgreicher Erlebniskommunikation gesehen und entsprechend honoriert werden; eine enge Partnerschaft zwischen Agentur und Kunden ist unabdingbar für optimales Gelingen. Es wird dazu aufgerufen, diese Erkenntnisse in einem offenen Dialog aller beteiligten Interessengruppen zu diskutieren; ein Fachkongress zur weiteren Vertiefung soll baldigst initiiert werden.
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Man stelle sich vor, durch die gesamte Gastronomie geht ein Ruck, weil man zu einer revolutionären Erkenntnis kommt: Es geht um Essen und Trinken! So ähnlich wirkte auf mich das Münchner Manifest mit seiner Forderung nach intellektueller und konzeptioneller Weiterentwicklung in der Erlebniskommunikation – in Zusammenarbeit mit dem Kunden. Innerlich wurde ich da zum Gernot Hassknecht aus der „heute-show“ und brüllte mit geschwellten Halsschlagadern und hochrotem Kopf los: „Ja, war das denn nicht von Anfang an das Thema, ihr Spackos?“
Warum ich mich so aufregte? Weil die Eventbranche (gemeint ist das Gros der Agenturen – Ausnahmen bestätigen die Regel – samt ihrer Dachorganisation) rund zwanzig Jahre damit verbracht hat, ihre Fertigkeit als Produkt zu verkaufen, ohne zu beachten, dass der kreative Inhalt und die Idee dahinter das Kernstück dieses Produktes ist. Gerade der kreative Teil, die Konzeption, wurde als Bestandteil des Kostenvoranschlages verschenkt, um besser dazustehen als andere Anbieter. So gewinnt man beim Kunden natürlich kein wirkliches Ansehen … Eine solche Handlungsweise ist – eher schlicht. Edle Einfalt, stille Größe.
Vertrauen? – Fehlanzeige
Vor diesem Hintergrund wirkt das Münchner Manifest auf den ersten Blick befremdlich, fast grotesk und vor allem anachronistisch. Denn diese Erkenntnisse sind wirklich alles andere als neu, sie wurden nur immer und immer wieder abgewürgt und unter den Teppich gekehrt, und zwar von den Agenturen selbst und ihrem Fachverband. Um auf mein Bild vom Anfang zurückzukommen: Die Gastronomie besinnt sich aufs Essen … die Eventbranche auf Inhalte! Aber ich will nicht spotten. Der Ansatz ist ernst gemeint und er ist gut. Das Problem ist: Die Eventbranche hat sich in ein Dickschiff verwandelt, das nicht so schnell abbremsen oder seinen Kurs ändern kann – zumal die Brücke nicht immer von flexiblen Kapitänen besetzt ist und der Laderaum schwer ist von technischem Gerät. Da braucht so ein Richtungswechsel einfach Zeit. Auch auf der Kundenseite. Denn „mehr Inhalt“ bedeutet ein grundsätzliches Umdenken, sowohl für den Kunden als auch für den umsetzenden Teil. Es muss eine ganz neue Kultur des „Miteinanders“ entstehen, die vor allem von einem wesentlichen Element getragen ist, das in der letzten Zeit immer mehr in den Hintergrund getreten ist: Vertrauen! Anspruchsvolle, vom Inhalt bestimmte Veranstaltungen können nur gemeinsam erarbeitet werden – das geht nicht nur mit Ausschreibung, Pitch, Präsentation, Abnicken und Ausführung. Solange „Geiz ist geil“ den Entstehungsprozess der Erlebniskommunikation bestimmt, ist dieses Umdenken für beide Seiten sehr schwer. Und die Branche hat sich – per saldo – zu lange zu bereitwillig in einer zu unterwürfigen Dienstleisterhaltung positioniert. Edle Einfalt, stille Größe.
Ein Ende des Verschenkens
Was muss geschehen, denkt man die Forderungen des Münchner Manifests konsequent zu Ende? Kunden- wie Agenturseite müssen sich der Bedeutung des Inhalts bewusst werden und ihn als wertvolles Gut betrachten: Das Verschenken von Konzeptionen muss aufhören. Die Branche muss erkennen, dass nicht jeder noch so gut organisierende Eventmanager auch ein Kreativer ist, sie muss sich wieder – wie früher – auch den freien Kreativen öffnen, unkonventionelle Anstöße zulassen und so den Raum schaffen für optimale Ergebnisse. Gleichermaßen muss die Kundenseite davon abrücken, alles durch die Sparbrille zu betrachten, sie muss der inhaltlichen Beratungsleistung der Agenturen aufgeschlossen gegenüberstehen und darf in ihnen nicht länger beliebig austauschbare Bespaßer und Techniklieferanten sehen. Dann werden die Eventagenturen auch endlich ernst genommen werden wie Werbeagenturen und müssen nicht länger am Katzentisch sitzen.
Besser spät als nie! Ich jedenfalls werde die Zielsetzung des Münchner Manifests mit allen Mitteln unterstützen. Es wird schwer werden, nach all den Jahren – aber es ist nicht hoffnungslos. Und bei dem geplanten Fachkongress werde ich auf jeden Fall dabei sein. Ehrensache.