Schluss mit schlechten Meetings

100 Nudges für eine neue Meeting-Kultur

17.30 Uhr Meeting in Konfi 2. Solche Kalendereinträge erzeugen bei den wenigsten positive Vorfreude. Im Gegenteil: 88 % aller Berufstätigen empfinden Sitzungen als lästige Pflicht und sich selbst als nutzloses Beiwerk*. In dem preisgekrönten Buch „Meet up!“ stellen Sebastian Kernbach und Martin J. Eppler zahlreiche Möglichkeiten für eine neue effektivere Meeting-Kultur vor, die zu einem grundsätzlichen Umdenken und Miteinander führen soll.

Meeting-Gruppenarbeit-Team(Bild: Pexels)

Nudging ist in aller Munde. Soll es uns doch auf die Sprünge helfen, wenn wir selbst gerade mal wieder träge unserem Alltagstrott nachgehen, nichts sehen rechts und links. Nudging (engl. „Anstupsen“ oder „Schubsen“) hat sogar einen Nobelpreis gewonnen, bzw. der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler, der diesen Begriff der Verhaltensökonomie geprägt hat. Das Denkmodell dahinter: Menschen verhalten sich bei Alltagsentscheidungen oft unbedacht oder irrational. Deshalb „stupst“ man sie in die Richtung der sinnvollsten besten Auswahlmöglichkeit. Das Ziel: entweder unerwünschtes Verhalten vermeiden oder produktives Verhalten unterstützen bzw. fördern.

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Begriff Nudging

Nudging (engl. „Anstoßen“, „Schubsen“ oder „Stupsen“) steht im Sinne von „Meet up!“ für Impulse für produktive Besprechungen. Laut Kernbach/Eppler ist es ein „Ansatz, der Menschen durch die subtile Ausnutzung von Bequemlichkeit und Denkfehlern dazu bringt, negatives Verhalten zu verhindern und positives Verhalten zu fördern“. Der Nudge-Ansatz basiert auf dem gleichnamigen Buch der Professoren Cass Sunstein und Richard Thaler, die ihn z.B. auf Gesundheits- und Konsumentenentscheidungen anwenden. Dabei spielt u.a. eine „Entscheidungsstruktur“ eine große Rolle, die gezielt geplant und gestaltet werden muss, damit sich Menschen von sich aus für eine Verhaltensänderung entscheiden.

Drei Beispiele, mit denen Nudging gern erklärt wird:

  • Die Fliege im Pissoir verringert die Menge des verspritzten Urins.
  • Wo der Zustimmung zur Organspende im Todesfall aktiv widersprochen werden muss, ist die Zahl der Organspender um ein Vielfaches höher.
  • Wenn man Obst in der Cafeteria auf Augenhöhe hinlegt, essen die Leute mehr Obst.

In Wirtschaft wie Politik gilt Nudging als Antwort auf viele Fragen, die sich in einer komplexer werdenden Gesellschaft stellen. Heiko Maas und Angela Merkel etwa haben 2015 entsprechende Expertenprojekte aufgesetzt. Und auch David Cameron und Barack Obama gründeten seinerzeit Regierungsstäbe, unter anderem unter Beteiligung von Experte Richard Thaler. Schließlich wussten auch sie: Nudging funktioniert.

Die beiden renommierten Wissenschaftler Martin J. Eppler und Sebastian Kernbach kommen in ihrem Buch „Meet up!“ zu dem Schluss, dass Unternehmen Nudging bei der Effizienzsteigerung von Meetings nutzen sollten. Sie wagen die These, dass nur dieser gänzlich neue Ansatz das allgemeine „Sitzungs-Problem“ lösen kann – und probierten es erfolgreich aus. Dabei konzentrierten sie sich grob auf vier Erfolgsfaktoren bzw. „Meet-up-Merkmale“, erklärt Sebastian Kernbach: „Mehr Fokus, Orientierung, Involvierung und Verpflichtung.“

Vier Erfolgsfaktoren

Fokus:

Meetings funktionieren nur durch (stetige) Konzentration (und das heißt auch mal Reduktion) auf das Wesentliche, sonst verzettelt man sich. Nützliche Vorgaben und Einschränkungen können die Qualität von Meetings radikal steigern.

Orientierung:

Meetings brauchen eine klare Gesprächsnavigation, um Zeitverschwendung und Konfusion zu vermeiden.

Involvierung:

Durch einfache (Feedback-)Regeln und Prozesse (etwa Zweiergespräche nach dem Prinzip think-pair-share) kann eine konstruktive Beteiligung gefördert und gestaltet werden, sonst dominieren immer die Gleichen.

Verpflichtung:

Für alle sichtbare, individuelle Verantwortlichkeiten und gemeinsames Engagement stellen sicher, dass Beschlossenes auch umgesetzt wird.

Chancen einer neuen Meeting-Kultur

Die Produktivität von Meetings sei, so Eppler und Kernbach, eine der großen Herausforderungen unserer Zeit fürs Management. „Aber dies beinhaltet auch eine gewaltige Chance“, gibt Sebastian Kernbach zu bedenken. Schließlich entstünden durch eine schlechte Meeting-Kultur enorme, meist versteckte Kosten. So ist auch sein Appell an Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmenslenker gleichermaßen gerichtet „Haben Sie Mut zu unkonventionellen Lösungen! Erwarten Sie mehr von Sitzungen! Nutzen Sie Gelegenheiten zur Visualisierung! Vitalisieren Sie Ihre Besprechungen anstatt sie einfach auszusitzen! Fordern Sie ein und dokumentieren Sie kompakt.“

Denn derzeit, so Kernbach, verbrächten viel zu viele Menschen viel zu viele Stunden in unproduktiven Besprechungen. Das wollen er und Martin J. Eppler mit ihrem Buch ändern. Mit dem Konzept von „Meet up!“, was im amerikanischen Englisch für fokussierte, relativ informelle Treffen, an denen die Teilnehmer freiwillig teilnehmen, steht, setzen sie den eingefahrenen Strukturen eine neue interaktive Kultur entgegen. „Die meisten Sitzungen lassen sich durch die Anwendung von leicht zu bewerkstelligenden, unterschwelligen, positiven Anreizen für alle attraktiver gestalten.“ In ihrem Buch stellen sie genau dafür 100 konkrete Möglichkeiten vor, wie man mit den passenden Nudges diese Effizienz bei Meetings erzielt.

Auswahl an effektiven Nudges von „Meet up!“

  • Verändern Sie Ausgangswerte – etwa bei der angesetzten Dauer von Meetings – anstatt gewohnheitsgemäß 60 nur 45 Minuten, Beginn: 11:15 Uhr; oder gehen Sie mit ihrem Team ins Freie anstatt im miefigen Raum zu sitzen.
  • Nutzen Sie Scrumboards, um Aufgaben und Verpflichtungen aus Besprechungen leicht nachzuverfolgen und transparent zu machen.
  • Nutzen Sie mehr digitale Tools wie Mentimeter.com für eine schnelle Meinungsumfrage während der Besprechung.
  • Ein „Gallery-Walk“ gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, die wichtigsten Folien im Großformat in Ruhe zu betrachten und sich Gedanken zu machen. Gleichzeitig sollte dort am Rand Platz für Anmerkungen und Ergänzungen bestehen.
  • Eine DOCS-Meeting-Toolbox dient einer kompakten Art, Sitzungsprotokolle zu erstellen. Darin werden sowohl Entscheidungen (Decisions), offene Punkte (Open Issues), Bestätigungen (Confirmations) als auch Überraschungen (Surprises) festgehalten.
  • Eine Handybox/-ladestation am Eingang des Sitzungsraumes gewährleistet, dass die Teilnehmer sich während des Meetings nicht vom Handy ablenken lassen.
  • Pünktlich beginnen, den Mittelteil interaktiv gestalten und einen klärenden Abschluss planen.
  • Nutzen Sie innovative Technologien wie den „Surface Hub“ von Microsoft, das „Jamboard“ von Google oder interaktive Whiteboards mit KI – dadurch wird das Teilen von Informationen einfacher und schneller.

Autorenduo

Martin J. Eppler (l.) und Sebastian Kernbach
Martin J. Eppler (l.) und Sebastian Kernbach (Bild: Michael Jäger, Privat)

Prof. Dr. Martin J. Eppler, Direktor des MCM, des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen

Dr. Sebastian Kernbach, Projektleiter und Dozent am MCM und Gründer/Leiter des „Visual Collaboration Labs“ der Universität St. Gallen

Buch „Meet up!“

Cover Meet up!

Erschienen im Februar 2018 im Schäffer-Poeschel Verlag, München, ISBN: 978-3-7910-3974-9, 19,95 EUR, ausgezeichnet mit dem „getAbstract International Book Award“.

*ifo Befragung aus dem Jahr 2014

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