Die Weiterbildungsreihe „Young Masters“ des ADC – Art Directors Club – bietet zweitägige Vertiefungsseminare zu Themen wie Design, Digitale Medien, Event, Kommunikation im Raum, Konzeption, Planning, Storytelling, Präsentationstechniken oder Texten. Die Teilnehmer haben bereits Berufserfahrung, und die Dozenten sind oft Spitzenkreative in ihrer Disziplin. EVENT PARTNER-Redakteurin Annette Beyer setzte sich an einem Wochenende im Dezember in ein Social Media Seminar zur Praxis der Markenpflege bei Facebook und Co.
Torben, Lucie & die gelbe Gefahr
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Einer der Vorträge bei dem ADC Seminar behandelte „Torben, Lucie & die gelbe Gefahr“, kurz TLGG, die den weltweiten Social Web Auftritt von BMW managen. Die Berlin-Kreuzberger Social Media-Agentur ist nach eigenen Angaben die beste, objektiv bald die größte und sicherlich die erfolgreichste deutsche Social Media Agentur. Seit ihrer Gründung 2008 wuchs die Mitarbeiterzahl von 4 auf kurz vor 100, und es ist noch kein Ende abzusehen. Die drei Gründer sind jetzt um die Dreißig, die Mitarbeiter im Durchschnitt deutlich jünger. Der eine Chef präsentiert sich auf der Agentur-Homepage als „Geschäftsführungspraktikant“, die Chefin schreibt unter „ Aufgabe“ einfach nur „Lucie“ und die „gelbe Gefahr“ ist, schön unkorrekt, der thailändische Mitgründer und leitende Kundenberater Boontham.
Und dieser Bande vertraut BMW das Wohl und Wehe seiner Marke an? Aber sicher! Denn inhaltlich arbeiten die jungen Kommunikationsprofis genauso anspruchsvoll wie die Werber alten Schlages. „Wir verbinden strategisches Denken, kreative Exzellenz und Community-Management zu individuellen Beratungsansätzen und markenspezifischen Lösungen“, lautet ihr Credo.
Wie Community Management eine Heimat für BMW Fans aus der ganzen Welt schafft
So hieß der Titel des Vortrags der beiden TLGG Community Manager Florian Zühlke und Lucas Florian. Eine Heimat für Fans schaffen – das ist letztlich Ziel und Zweck aller Marken-Aktivitäten in sozialen Netzwerken.
Der Social Media-Auftritt von BMW startete erst vor 18 Monaten und ist jetzt schon die weltweit größte Facebook Automotive-Seite. 14 Millionen Fans erreicht die Marke BMW allein über Facebook. Hinzu kommen 10 andere Kanäle wie google+, Instagram oder Twitter.
Die beiden Community Manager produzieren täglich Content – also Bild- und Textinhalte, für die regionalen BMW-Redaktionen in allen Winkeln der Welt. Dafür haben sie ein internationales Social Media Center aufgebaut. Das Themenspektrum reicht von DTM-Meisterschaft über Laser Lights bis zur urbanen Mobilität. Hinzu kommen Supportanfragen und Hilfe bei technischen Defekten. Das muss rund um den Globus funktionieren, und zwar rund um die Uhr. In den Abendstunden sorgen freelance Community Manager dafür, dass kein Fan-Posting lange ohne Antwort bleibt.
Natürlich achtet BMW streng darauf, dass Themen und Bildsprache der Marke entsprechen. Die Community Manager haben sich an CM-Guidelines (Content Marketing) zu halten. Hochwertiges markengerechtes Bildmaterial erhalten sie direkt von BMW, damit nichts schiefgeht. Das kann leicht steril und langweilig werden. Das zu verhindern und den Kunden zu ermutigen immer wieder Neues auszuprobieren, ist eine wichtige Beratungsaufgabe von Social Media-Experten.
„Ein Ort zum Feiern“ – Die Kultmarke Astra im Social Web
Torben Wrobel und Basti Dömel, ebenfalls bei TLGG, bekamen 2012 den Auftrag, die Biermarke Astra ins Social Web zu führen. Es ging also nicht nur um die tägliche Fütterung der Community mit Content, sondern um ein Konzept. Die Zielgruppe und die Markenpositionierung von Astra kennt man von rustikal-schmuddeligen Kiez-Kampagnen wie „Was dagegen“ und „Arschkalt“. Astra ist ironisch, witzig, manchmal nackig und ein bisschen politisch unkorrekt. Und Astra ist Kult!
Das Ziel war schnell klar: Die Marke will Reichweite, und die Astra Fans wollen einen Ort zum Feiern. Der befindet sich nun auf Facebook und bringt mehrmals in der Woche ein nettes Foto und einen lockeren Spruch. Auf den Fotos sieht man eigentlich immer nur eins: Astra-Bier. Das reicht. Wenn Torben Wrobel auf dem Agentur-Küchentisch von TLGG 50 Astra-Flaschen aufbaut, sie schräg von unten knipst und das Foto postet mit dem Spruch „Oh, ein Flashmob!“, gefällt das rund 14.000 Leuten, und 1.700 von ihnen teilen es mit ihren Freunden.
Der Job macht den Community Managern natürlich Spaß – die große Freiheit und Spontanität beim Produzieren des Contents, die innere Aufregung beim Posten, die Frage, ob die Idee bei der Community ankommt, das schnelle Feedback über die angezeigte Anzahl der Likes und die Bestätigung, wenn ein Posting „durch die Decke geht“. Aber die Arbeit im Social Web ist kein Spaßprogramm, auch bei Astra entscheiden harte Zahlen. Die Dozenten beim ADC Seminar präsentierten deshalb auch Charts mit Balken und Kurvendiagrammen zu Fanzahlen, PTA (People Talking About), Reichweiten und Engagement-Raten. Das ist der große Unterschied zur analogen Kommunikation: Um zu sehen, ob eine Aktion im Social Web beim User ankommt, braucht man keine langen, teuren Marktstudien. Der Blick auf die Klickraten reicht.
„Ungezähmt“ – Die CLA Launchkampagne mit Instagram + Event
Martin Strutz, langjähriger CD bei Jung von Matt/Alster, präsentierte beim ADC Seminar den Case Digital-Kampagne zum internationalen Launch des neuen Mercedes-Benz CLA. Die Leitgedanke hieß „Der natürliche Feind des Durchschnitts“. Die Grundidee kombiniert Event und Social Media: User laden auf Instagram ihre ungewöhnlichsten Fotos hoch. Diese erscheinen zeitgleich in einer führenden Galerie wie dem MOMA in New York als Live-Installation. Der Clou: Keine Jury, sondern ein digitaler Kurator in Form eines Algorithmus entscheidet, welche Fotos auf den Screens vor Ort auftauchen – immer die, die gerade am ungewöhnlichsten sind.
Der Dozent des ADC zeigte die Entwicklung des Projekts von der strategischen Vorgabe über die Instagram-Kampagne bis zur Foto-Ausstellung. In diesem monatelangen Prozess knirschte es im Getriebe, besonders zwischen Event und Social Media. Am Ende war die Umsetzung recht konventionell: Die im Netz generierten Fotos der User wurden ausgewählt und in einer attraktiven Location in Paris präsentiert. Nicht schlecht, aber das Potenzial der ursprünglichen Idee wurde nicht voll ausgeschöpft.
Der CLA Case im ADC Seminar machte deutlich, dass Strukturen und Denke sowohl beim Kunden als auch auf klassischer Agenturseite noch nicht wirklich „360 Grad“ funktionieren. Diese Lücke könnten breit aufgestellte Kommunikationsagenturen mit spezifischer Event-Kompetenz ideal füllen.
Fazit
Für Event-Konzeptioner, die Social Media mitdenken müssen, boten die drei genannten Vorträge den interessantesten Input des ADC Social Media-Seminars. Aber auch die anderen fünf Beiträge des automotive-lastigen Programms enthielten wichtige Aspekte des Themas. Teilgenommen haben knapp 30 junge Social Web-Profis, vorwiegend Agentur-Nachwuchs, die selbst schon als Community Manager arbeiten. Sie reagierten entsprechend anspruchsvoll auf die angebotenen Inhalte und Arbeitsformen im ADC Seminar und erwarteten von den Stars der Branche brauchbare Problemlösungen für ihren eigenen Social Media-Job. Diesen Praxisbezug hatten nicht alle Vorträge und Mini-Workshops. Insgesamt kamen aber auch bei diesem Young Masters Seminar Junioren und Seiteneinsteiger wieder voll auf ihre Seminar-Kosten.