#AlarmstufeRot: Interview mit Mit-Initiator Tom Koperek
von Anna Habenicht,
Corona-Krise: Mitte des Jahres 2020 wird die #AlarmstufeRot für die Eventbranche ausgerufen. Die gleichnamige Initiative setzt sich seitdem für die Rettung des Wirtschaftszweiges ein. Mit Erfolg? Wir sprachen mit dem Mit-Initiator Tom Koperek.
[Hinweis der Redaktion: der Artikel stammt vom Dezember 2020]
Anzeige
Kaum eine andere Branche hat die Corona-Pandemie so getroffen wie die Veranstaltungswirtschaft. Das Aktionsbündnis #AlarmstufeRot hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf die Nöte der Eventbranche aufmerksam zu mache und Hilfe einzufordern. Angefangen hatte Ende Juni 2020 alles mit der Night of Light. Nach der Aktion war schnell klar, dass das Momentum der medialen Aufmerksamkeit weiter genutzt werden muss. Ein Kreis engagierter Unternehmer verabredete sich, um Lobbyarbeit für die bisher ungehörte Branche zu machen. Einer von ihnen: Tom Koperek, Vorstand der LK AG und Mit-Initiator des Aktionsbündnisses #AlarmstufeRot.
(Bild: Ralph Larmann)
Zu Beginn der Corona-Krise schien es fast so, als hätte die Politik noch nie von „dieser Veranstaltungsbranche“ gehört. Was musste hier erst geleistet werden, damit die Branche in ihrer Gänze überhaupt erkannt wird? Und wie hat sich diese Wahrnehmung entwickelt?
Tom Koperek: Wir hatten uns mit dem Team der Night of Light drei klare Ziele vorgenommen, quasi einen Stufenplan. Stufe 1: Die Branche sichtbar machen durch die Einbeziehung nahezu aller Akteure, indem sie rotes Licht installieren. In Stufe 2 sollte dann aus der so gewonnenen Aufmerksamkeit eine allumfassende Community aufgebaut werden. Wir hatten nach der Night of Light ca. 20.000 Follower auf Facebook. Unser Ziel war, über die parlamentarische Sommerpause die Community weiter auszubauen und mit einer Awareness-Kampagne unsere Probleme und Nöte einer breiten Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Mittlerweile haben wir eine Community von fast 50.000 Followern auf Facebook und fast 40.000 Followern auf Instagram. Das macht das Aktionsbündnis #AlarmstufeRot zum größten Interessenvertreter über die diversen Segmente der Veranstaltungswirtschaft in Deutschland hinweg.
Wo liegen die größten Verständnisprobleme in der Kommunikation zwischen unserer Branche und der Politik?
Koperek: In der Politik ist die Wahrnehmung unserer Branche als sechstgrößter Wirtschaftszweig tatsächlich erst nach und nach angekommen. Nach unserer ersten Großdemonstration am 9. September 2020 nahmen endlich die Termine und Gesprächsanfragen seitens der Politik zu. Wir waren bei denen vorher gar nicht auf dem Radar.
(Bild: Ralph Larmann)
Die größten Probleme bestehen nach wie vor darin, verständlich zu machen, wie divers wir aufgestellt sind. Denn wir sind ein Wirtschaftszweig mit über 150 verschiedenen Gewerken und Disziplinen. Es ist für die Regierung nicht einfach, uns einzuordnen. Für Hilfspakete und Förderungen sind viele verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, das erhöht den Abstimmungs- und Erklärungsbedarf zusätzlich. Es führt bis heute dazu, dass immer wieder viele durchs Raster der Hilfsmaßnahmen fallen.
Klar, die Regierung muss abgrenzen und eingrenzen, um Pakete so zu schnüren, dass Budgets kalkulierbar bleiben. Das darf aber doch keine Entschuldigung dafür sein, dass viele Programme am Bedarf der Unternehmen vorbei konzipiert sind.
Braucht die Veranstaltungsbranche eine institutionalisierte Lobby in Berlin, die effektiv auf die Politik einwirken kann, ähnlich der Bahn oder Autobauer? Woran scheiterte und scheitert die Installation einer solchen Lobby bislang?
Koperek: Eindeutige Antwort: Ja! Wir haben jetzt mit dem Aktionsbündnis #AlarmstufeRot in den letzten sechs Monaten die Versäumnisse der letzten 35 Jahre aufholen müssen. Solange bin ich jedenfalls schon in der Branche aktiv, und ich kenne bis heute eigentlich keine Institution, die sich intensiv und institutionalisiert um Lobbyarbeit in Berlin gekümmert hat. Da rächt es sich, dass unser Sektor – anders als die Stammgäste in den Ministerien wie die Automobilbranche – bisher nie Geld abholen wollte bei der Regierung. Sicherlich haben wir eine umfangreiche Verbandsstruktur, aber die ist in ihrer Arbeit und ihrem Auftrag eng fokussiert auf ihre jeweiligen Mitglieder und Teilinteressen. Die liegen teilweise weit auseinander. Lobbyarbeit in Berlin zur effektiven Einwirkung auf den politischen Willensbildungsprozess hat nicht ausreichend stattgefunden. Ansonsten wäre unser Wirtschaftszweig mit immerhin einer Million direkt beschäftigten Menschen sicherlich viel früher und mit ganz anderer Aufmerksamkeit bedacht worden in dieser Krise.
Da haben wir jetzt riesige Fortschritte gemacht. Wir sprechen in Berlin mit hochrangigen Ansprechpartnern. Unser Anspruch – aber auch unser Versprechen an die Branche – für die Zukunft ist, das weiter zu intensivieren. Wir wollen für die Veranstaltungswirtschaft in Deutschland politische Lobbyarbeit fest etablieren.
(Bild: Ralph Larmann)
Muss sich unsere Branche zukünftig anders aufstellen? Bislang kommt einem die Veranstaltungsbranche recht zersplittert vor, und es kommen immer neue Initiativen und Verbände hinzu.
Koperek: Dass sich in der Krise immer neue Initiativen und Verbände in unserer Branche gründen, offenbart die Versäumnisse der Vergangenheit. Insofern ist die Branche auch Teil des Problems. Wenn sich unter 10 % aller Unternehmen nur in den Verbänden organisieren, könnte man ketzerisch sagen: Selbst Schuld, wenn ihr kein Gehör findet. Andererseits offenbaren tiefgreifende Krisen, an welchen Stellen die augenblicklich etablierten Systeme nicht richtig konfiguriert sind. Da wird der Handlungsdruck schnell sehr hoch und es bilden sich disruptiv neue Ausprägungen in Form von Initiativen und Vereinen. Auch #AlarmstufeRot ist eine solche Bewegung. Bei allem Engagement aus der akuten Not heraus: Bündelung statt Fragmentierung ist jetzt entscheidend.
„Bei allem Engagement aus der akuten Not heraus: Bündelung statt Fragmentierung ist jetzt entscheidend.“
Tom Koperek
Die beiden Großdemonstrationen in Berlin fanden gute Resonanz, entscheidende Hilfen haben unsere Branche bis dato dennoch nicht erreicht. Welche Eskalationsstufen bleiben uns noch?
Koperek: Die Demos hatten eine sehr gute Resonanz, insbesondere angesichts der momentanen Corona-Bestimmungen: mit Maske, mit Abstand, mit Verstand. Dass wir nichts erreicht haben, kann ich nicht bestätigen. Wir haben uns als Aktionsbündnis stark dafür eingesetzt, dass wir von den Novemberhilfen profitieren. Uns hatte die Regierung beim ersten Aufschlag überhaupt nicht auf dem Radar, obwohl sehr viele Unternehmen und Selbstständige in der Veranstaltungswirtschaft mindestens genauso hart vom Lockdown light betroffen sind, wie Gastronomie und Hotellerie. Wir sind weiterhin in detaillierten Gesprächen darüber, wie die Überbrückungshilfe III ausgestaltet werden muss, um möglichst vielen unserer Branche gezielt zu helfen. Auch da haben wir bereits viel erreicht, denn wesentliche Änderungen und Erweiterungen im Vergleich zur Überbrückungshilfe II sind: Anhebung des Fixkostenzuschusses von 50.000 Euro auf 200.000 Euro. Anerkennung von frustrierten Kosten, die wir als Unternehmen hatten für bereits geplante Veranstaltungen, die dann doch nicht stattfinden konnten aufgrund von Veranstaltungsverboten. Anerkennung von Abschreibungen auf Anlagevermögen gleichgestellt zu Leasingraten. Unternehmerlohn und Zuschüsse für Soloselbstständige und Einzelunternehmer sind bereits durch. Diese Forderungen kamen von Anfang an auch von den Verbänden und Initiativen.
(Bild: Ralph Larmann)
Du selbst bist Betreiber einer Location und Vorstand einer Unternehmensgruppe für Eventdienstleistungen: Wie habt ihr die Corona-Zwangspause bisher erlebt und wann geht bei euch das Licht aus?
Koperek: Die zweite Frage zuerst: gar nicht! Wir sind mit einer sehr soliden Bilanz in diese Krise gegangen und haben uns bereits sehr frühzeitig nachhaltig gut aufgestellt hinsichtlich Liquidität auf der einen Seite und Kostenreduktion auf der anderen Seite. Hinzu kommt, dass mein Partner Sven Robusch sich mit einem kleinen Kernteam unermüdlich und intensiv um alle Unternehmensbelange kümmert. Wenn wir insgesamt nicht so stark aufgestellt wären, wäre meine Arbeit für die #AlarmstufeRot so auch gar nicht möglich. Ich verbringe quasi 80 % meiner Arbeitszeit mit der Arbeit für das Aktionsbündnis. Das geht nur, wenn man auf ein starkes Team bauen kann, das einem den Rücken freihält.
Um auch die erste Frage zu beantworten: Zuerst kam der Schock, dass einem der ganze Laden gefühlt vor den Augen zusammenbricht. Da hat man 30 Jahre etwas aufgebaut und muss nahezu tatenlos zusehen, wie alles den Bach runtergeht. Danach, und das ging dann relativ schnell, kam die Erkenntnis, dass wir das so einfach nicht hinnehmen dürfen! Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie die geilste Branche der Welt vor die Wand fährt. Daraus ist dann die Idee der Night of Light entstanden, eine der Initialzündungen der #AlarmstufeRot. Wir dürfen nicht aufgeben. Es wird ein Leben mit Veranstaltungen auch nach Corona geben! Ich möchte hier gern Churchill zitieren: „Erfolg ist nicht endgültig, Scheitern nicht existenziell. Was zählt, ist die Courage, aufzustehen und weiterzumachen!“
#AlarmstufeRot gründet gemeinnützigen Verein
Ende 2020 hat das Aktionsbündnis #AlarmstufeRot zudem einen gemeinnützigen Verein gegründet. Dieser soll als Plattform für unbürokratische Hilfe dienen, dort wo es am dringendsten nötig ist und keine politischen Hilfen ankommen. Der #AlarmstufeRot e.V. dient als formale Grundlage, um Spenden anzunehmen und weiterzugeben. Dank der Gemeinnützigkeit soll jeder gespendete Euro ohne Abzug dort ankommen, wo er gebraucht wird. Ein unabhängiges Kuratorium entscheidet über die Spendenverwendung.
SGM übergibt Spendencheck
Michael Herweg (l.) und Thorsten Sattler (r.), die Geschäftsführer von SGM Deutschland, besuchten Anfang Dezember Tom Koperek. Stellvertretend für die gesamte Branche übergaben sie einen Scheck für den #AlarmstufeRot e.V. und bedankten sich damit für die hervorragende Arbeit aller, die sich in der Initiative engagieren.
Michael Herweg erklärt dazu: „Erstmals wurde unsere Branche wirklich von der Politik gehört. #AlarmstufeRot hat der gesamten Industrie ein Gesicht gegeben und war gleichzeitig Ansprechpartner für die Politik. Über die Gespräche hinaus bündelte die Initiative alle Forderungen so, dass sie verständlich und umsetzbar waren. Nicht zuletzt dank der vielfältigen Aktionen und der Hartnäckigkeit können SGM und viele andere Branchenteilnehmer auf Überbrückungshilfen zurückgreifen und den Fortbestand unserer Unternehmen wie auch die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter sichern. Die aktuell anstehenden November-/ Dezemberhilfen werden vielen unserer Kunden helfen, die Zeit bis zum Neustart zu überbrücken. Die Berücksichtigung der Veranstaltungswirtschaft seitens der Politik hinsichtlich der Verteilung der Hilfen ist ein Verdienst der #AlarmstufeRot. Somit ermöglicht #AlarmstufeRot vielen Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive nach der Pandemie. Tom Koperek ist unser ,Man of the Year‘!”