The Event Experiment

Awareness schaffen mittels Reverse Pitch

Der Pitch. Er ist das unliebsame Notwendige, wenn eine Eventagentur oder ein Eventdienstleister sich neue Aufträge sichern will. Die Gepflogenheiten der Pitch-Durchführung belasten Mensch wie Budget. Eine länder- und gewerkeübergreifende Taskforce hat daher einen Reverse Pitch entwickelt, um auf die Probleme in der MICE-Branche aufmerksam zu machen: The Event Experiment.

Tobias Weber (l.) und Felix Kupfer (r.) stellen auf der IMEX 2023 den Reverse Pitch vor.
Tobias Weber (l.) und Felix Kupfer (r.) stellen auf der IMEX 2023 den Reverse Pitch vor.

Unzureichende Briefings, knappe Bearbeitungszeiträume und intransparente Angebotsvergleiche – vor diesen Problemen stehen Eventagenturen wie -dienstleister immer wieder, wenn es darum geht, an einem Pitch teilzunehmen. Dies führt zu einer geringen Vergleichbarkeit der Angebote und einer hohen Absagequote, die langjährige Geschäftsbeziehungen belastet.

Anzeige

Dies wollten die Geschäftsführer:innen der Eventagentur format:c aus Köln, Natalie Driesnack und Tobias Weber, sowie Felix Kupfer, der Geschäftsführer der Eventlocation Gurgl Carat in Tirol, nicht länger hinnehmen und gemeinsam gebaren sie in 2021 eine Idee: Ihre Lösung der Pitch-Problematik besteht darin, dass Eventagenturen und Locations gemeinsam ein perfektes Event mit exklusiven Features planen und Kunden sich bewerben können, dieses Event zu kaufen und umzusetzen. Dieser Ansatz soll die Effizienz und Qualität in der Branche steigern und Geschäftsbeziehungen stärken.

Projekt-Launch mittels LED-Mirror-Experience

The Event Experiment wurde schließlich nach anderthalb Jahren Vorbereitung auf der IMEX in Frankfurt im Mai 2023 mit einem eigenen Stand gelauncht. Das Thema ist komplex. Deshalb entschieden sich die Initiatoren dafür, es mit einer einzigartigen LED-Mirror-Experience in einem Film zu erklären: Die Gäste standen mit Kopfhörern auf einem LED-Boden vor einer LED-Rückwand, den Blick leicht nach oben in einen diagonalen riesigen Spiegel gerichtet. So konnten sie immersiv erleben, wie ein Pitch ihre Ressourcen verschlingt. Dabei war es egal, ob der Gast von Buyer- oder Supplier-Seite kam und kommt. Entscheidend ist, dass Pitches für beide Seiten große Mengen an Energie, Zeit und Geld kosten, ohne dabei immer zwingend zum bestmöglichen Ergebnis zu führen.

Medienproduktion im Messestand auf der IMEX 2023 in Frankfurt

Jetzt startet die nächste Phase von The Event Experiment, und die Kunden können ihre Bewerbungsunterlagen für den Reverse Pitch einreichen. Aus diesem Anlass sprachen wir mit Tobias Weber über seine Erwartungen an den weiteren Projektverlauf.

Mit dem Reverse Pitch geht es euch darum, die Aufmerksamkeit auf eine gerechte Entlohnung auch für Kreativleistungen und komplexe Angebotserstellungen zu lenken. Warum ist dies deiner Meinung nach nötig?

Tobias Weber: Die Frage trifft perfekt ins Mark, denn man sollte sich wirklich fragen, warum es überhaupt nötig ist, auf „gerechte Entlohnung“ hinzuweisen. Bei The Event Experiment geht es uns vor allem darum, eingetretene Pfade nicht einfach für immer weiterzugehen, sondern Dinge zu hinterfragen, Dialog anzuregen und ganz praktisch Alternativen auszuprobieren.

Wir glauben, dass Pitches, so wie sie aktuell meist ablaufen, nicht mehr zeitgemäß sind. Moderne Codes of Conduct verweisen häufig auf Partnerschaftlichkeit, Respekt, faire Bezahlung, nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und viele weitere Werte, Rechte und Pflichten. Pitches erfüllen diese von vielen Corporates, Agenturen und Dienstleistern selbst gesetzten Ansprüche meist nicht. Man kann hier auch auf die SDGs verweisen, insbesondere auf SDG 12. Im Pitch wird oft erwartet, unter enormem Personal- und Zeiteinsatz, großem Ressourcen-Verbrauch und ohne Bezahlung umfassende Kreativ- und Konzeptionsleistungen zu erbringen. Oft erhält man keine Gelegenheit, diese hochindividuellen Konzepte persönlich vorzustellen.

Mit all diesen Facetten im Blick sind wir überzeugt, Qualität, Nachhaltigkeit und Erfolg von Pitches deutlich verbessern zu können, wenn für diese Form der umfassenden Konzept- und Angebotserstellung eine angemessene Bezahlung regelmäßig im Ausschreibungsbudget einkalkuliert wird.

Wie kommt das bei den Auftraggebern an?

Weber: Beim Launch von The Event Experiment auf der IMEX waren die Reaktionen begeistert und meistens entstand sofort eine angeregte Diskussion zum Thema. Wir haben dort viele erste Interessensbekundungen bekommen und sammeln seitdem fleißig Follower auf Instagram und LinkedIn.

Jetzt stehen wir kurz vor Beginn der zweiten Phase, das bedeutet, dass man sich in Kürze für die Teilnahme am ersten Reverse Pitch der MICE-Branche bewerben kann. Wir wünschen uns zahlreiche Unternehmen, die die nötige Offenheit und sicher auch das Augenzwinkern mitbringen und in echter Partnerschaftlichkeit eine respektvollere Zukunft mit uns gestalten wollen.

Wie sind die Bewerbungsunterlagen für die Auftraggeber gestaltet? Was müssen sie alles einreichen? Und wie ist die Entlohnung? 🙂

Weber: In Kürze werden alle Unterlagen auf unserer Homepage veröffentlich. Es wird ein klassisches Pitch-Briefing geben. Aber natürlich reverse … die Unternehmen bekommen das Briefing von Agentur und Dienstleistern und müssen präsentieren.

Es wird eine kreativ aufbereitete Unternehmensvorstellung gefordert. Dabei geht es nicht um Umfang, sondern um kreative Kürze. Die teilnehmenden Unternehmen müssen unter Beweis stellen, wie sie respektvolle Partnerschaftlichkeit sowohl intern als auch mit Dienstleistern leben und warum sie genau die Richtigen sind, um dieses Thema mit uns voranzutreiben. Selbstverständlich wird es eine persönliche Präsentation geben, zu der wir die Unternehmen besuchen werden.

Den Pitch-Gewinner erwartet ein exklusives Event in Europas höchstgelegener Eventlocation Gurgl Carat am Ende des Ötztals in Tirol. Das Event wird einige unique moments beinhalten, die wir mit den großartigen Partnern im Ötztal garantiert nur dieses eine Mal für unseren Pitch-Gewinner umsetzen werden. Dabei wird es auch um das Thema Corporate Responsibility gehen. Selbstverständlich dürfen auch die anderen Teilnehmenden ein Event in Gurgl mit uns umsetzen.

Ganz wichtig: Das Event wird nicht verschenkt. Der Gewinner darf das Event von uns kaufen. Selbstverständlich ist das von uns geplante Event perfekt auf die Location und die Partner abgestimmt, bietet aber viele Möglichkeiten, inhaltlich passgenau für den Gewinner ausgestaltet zu werden. Wir wollten einfach mal einen Eventablauf ohne Pitch-Vorgaben planen. Teilnehmen können Gruppen von 100 bis 300 Personen mit drei oder vier Tagen Aufenthalt in Gurgl.

Zusätzlich entlohnt werden die Pitch-Teilnehmenden durch ein exklusives Medienpaket, das ihre Teilnahme am Experiment öffentlichkeitswirksam aufarbeitet. Außerdem sind unsere regulären Tagessätze für unsere Kreativarbeit auf dem Projekt rabattiert. Uns geht es vor allem um die Aufmerksamkeit für die Idee.

Gurgl Carat
Gurgl Carat
Gurgl Carat
Gurgl Carat
Gurgl Carat

Wie sieht für dich ein perfekter und respektvoller Umgang von Auftraggeber- und Auftragnehmerseite bei der Beauftragung von Events in der Zukunft aus?

Weber: Genau dieser Frage wollen wir aktiv mit The Event Experiment und dem Reverse Pitch auf den Grund gehen. Viele Codes of Conduct geben uns heute schon vor, wie es sein sollte. Das Problem ist nur, dass das meist für den Pitch, der rein rechtlich als Preisausschreiben betrachtet wird, nicht gilt.

Aus unserer Sicht ist es wichtig, beide Seiten zu sehen. Für Agenturen und Dienstleister spielen faire Bezahlung und transparente Bedingungen sowie die persönliche Vorstellung der Ideen eine große Rolle. Für Kunden ist es wichtig, möglichst individuelle und hochwertige Vorschläge und Angebote zu erhalten. Dabei entscheiden Vollständigkeit und Detailgrad des Briefings maßgeblich über die mögliche Abgabe-Qualität.

Viele Kundenanfragen zeigen, dass manchmal sehr umfassende Fachexpertise allein schon für die Ausschreibung notwendig wäre. In diesen Fällen ist beispielsweise ein Workshop mit einem Fachdienstleister zur genauen Bedarfsanalyse eine sinnvolle Vorbereitung einer Ausschreibung. Außerdem ist es effektiver für beide Seiten, langfristiger zu planen und nicht mehr jährlich auszuschreiben. Insbesondere bei der hohen Komplexität von Multi-Channel-Kommunikation heutzutage sind eine stetige Betreuung und das miteinander Wachsen von entscheidender Bedeutung.

Bleibt dies eine Utopie oder wie stehen die Chancen der Verwirklichung deiner Ansicht nach?

Weber: Nein, ich glaube nicht, dass das eine Utopie bleibt. Wir wollen schon in der nun folgenden Bewerbungsphase, dem eigentlichen Reverse Pitch, mit Dienstleistern, Agentur und Kunden einen runden Tisch eröffnen. Der vielleicht spannendste Aspekt unserer Idee, neben der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung, ist der Ansatz, ganzheitlich zu denken. Fast alle Initiativen für die Verbesserung von Pitch-Bedingungen sind einseitig, getrieben aus Sicht der Pitch-Teilnehmenden. Wir sehen im schlechten Pitchen ebenso große Nachteile für die ausschreibende Seite und bekommen dafür viel Bestätigung.

Unsere Überzeugung ist, dass man hier nur gemeinsam weiterkommen kann. Übrigens wird die Situation mit Blick auf anstehende Anpassungen der ISO 20121 sowie sich dynamisch verändernde Lieferkettengesetzgebungen auch rechtlich in Zukunft anders aussehen. Im krassesten Fall ist Pitchen, wie wir es heute noch machen, in naher Zukunft so gar nicht mehr erlaubt, da es gegen dann geltendes Recht verstößt. Darauf sollten wir unserer Meinung nach frühzeitig vorbereitet sein und respektvolle partnerschaftliche Alternativen schaffen.


Projekt-Beteiligte

Idee und Konzept:

Natalie Driesnack und Tobias Weber, Geschäftsführung format:c, mit Felix Kupfer, Geschäftsführer Gurgl Carat

Umsetzungspartner:

  • Launch-Support: Heather Gough, Sales Director IMEX Group
  • Speaker-Support: Anthony Vade, Event Experience Strategy Director Encore Global
  • Messebau: The Inside, Deventer/Niederlande
  • Medientechnik: loud GmbH, Breuna
  • Komposition und Sound: m2productions, Marin Subasic
  • Grafik: Patricia Eichert
  • Kamera und Medienkonzeption: muckography, Michael Muck Kremtz
  • Schnitt und Postproduktion: Gorillia Media, Benedikt Fischer

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.