Viele Awards erscheinen sehr unbeseelt. Es wird eine Ritual nachgespielt. Gibt es da wirklich kein Entrinnen?
Erst einmal nicht, denn wie es immer so ist, hat sich das öffentliche Leben tautologisiert. Alle machen, was alle machen! In dem Moment, wo man sagt, man müsste es mal anders machen, stößt man auf Widerstände, weil man immer auf Widerstände stößt, wenn man etwas Gelerntes anders denkt. Man muss es aber mal neu denken, denn immer das Gleiche wird irgendwann ermüdend.
Außerdem ist es so, dass natürlich irgendwann immer mehr Leute – in diesem Fall Prominente – immer mehr Geld dafür verlangen, dass sie mitmachen. Selbst bei eigentlich sehr renommierten Veranstaltungen wollen Laudatoren inzwischen bezahlt werden. Wir erleben es, dass selbst da, wo eine Laudatio sehr persönlich ist – etwa beim Lebenswerk-Preis, bei dem es in der Regel Weggefährten sind – nahezu alle Angefragten nach Geld fragen. Das war eigentlich undenkbar. Irgendwann werden diese Awards und Preisverleihungen einfach zu teuer. Die Awards werden auch immer weniger wert, wenn man weiß, dass jeder, der prominent genug ist und bereit zu kommen, einen erhält.
Wenn man heute beschließt, zu den vielen vorhandenen Preisverleihungen einen zusätzlichen Preis zu stiften, muss man sich sehr genau fragen, warum. Und, wenn die Antwort lautet, um PR in eigener Sache zu machen, sollte man darüber nachdenken, ob das nicht vielleicht anders zu organisieren ist. Wenn wir wirklich die Aufmerksamkeit mittels einer Preisverleihung auf etwas richten möchten, das wir für wichtig halten und von dem wir möchten, dass die Welt es erfährt, wie ein Ehrenamt oder soziales Engagement oder eine technische Innovation, dann sollte man das tun. Es gibt nämlich noch einen dritten Grund für Preisverleihungen: Nämlich dass man damit Aufmerksamkeiten auf Bereiche lenken kann. So wie bei Festivals.
Wie die Berlinale!
Gestern war ich auf einem Krimi-Festival in Wiesbaden. Es reicht nicht, dass man den Menschen Kultur zeigt und sie einlädt, sich das anzugucken. Man pimpt das noch mit irgendwelchen Awards, die vergeben werden müssen. Zum Teil sind die dann etwas erzwungen. Die eigentliche Idee von Publikumsfestivals ist ja, dass man Menschen Sachen zeigt, die sie normalerweise nicht sehen können. Man muss das dann nicht noch durch irgendwelche Preise pimpen. Ich finde z.B. den Grimme-Online-Award sehr interessant.
Inwiefern?
Den Preis gibt es, um darüber eine Diskussion in Gang zu setzten, was eigentlich Qualitätsmerkmale in diesem Medium sind. Da stellt sich natürlich die berechtigte Frage: Warum wird so etwas wieder genauso abgefeiert wie jedes andere Event? Warum wird nicht der Tatsache Rechnung getragen, dass die Online-Community wieder eine andere ist als die Glamour-Welt des Fernsehens? Ich glaube, diese Frage müssen Veranstaltungen beantworten. Man versucht inzwischen jeden Abiball wie eine große Gala mit rotem Teppich und den entsprechenden Klamotten aussehen zu lassen.
Ich denke, dass eine Zukunft von Preisverleihungen nur im Downsizing liegen kann, dass man wieder überlegt: Welche Medien brauche ich wirklich, um meine Botschaft zu vermitteln und wie erreiche ich die? Wenn man weiß, man möchte am Ende auf die Wissenschaftsseiten der hochwertigen Tageszeitungen oder deren Online-Auftritte, kann man sich den roten Teppich sparen. Dann kann man vielleicht versuchen, einen Rahmen zu schaffen, in dem Denkende und Inhaltsorientierte sich wohlfühlen, denn man muss immer ein guter Gastgeber sein. Ein guter Gastgeber ist jedoch jemand, der an seine Gäste denkt, an seine Preisträger und Nominierten und nicht nur an seine eigenen Interessen. Das bedeutet das Einrollen der roten Teppiche.
Ich glaube, die größte Aufgabe bei der Gestaltung von Award-Shows ist, zu überlegen: Warum mache ich das und für wen? Wenn klar ist, dass man es nicht für sich und seine eigene Eitelkeit macht, muss man seine eigene Preisverleihung auch ernst nehmen. Ernst nehmen bedeutet, rote Teppiche einzurollen, falsche Prominenz gar nicht erst einzuladen, Preis-Paten zu haben, die für die Ausgezeichneten auch Autoritätsfiguren sind.
Die ihnen wirklich etwas bedeuten.
Ja, und den Menschen, die den Preis bekommen, einen großen Raum zu geben. Denn um die geht es! Dann haben Awards eine Zukunft, weil sie so Sinn machen.
Vielen Dank für das Gespräch.