Bedeutung der Green Claims Directive für die Eventbranche
von Clemens Arnold und Florian Himmelstein,
In der Eventbranche werden zunehmend Nachhaltigkeitslabel wie „klimaneutral“ verwendet, um Veranstaltungen als umweltfreundlich zu bewerben. Die Green Claims Directive der EU wird dies ändern: Marketing-Mogelpackungen sind nicht mehr erlaubt, echte Nachhaltigkeit muss belegt werden.
Anzeige
Der Begriff „klimaneutral“ als ein Modewort im „fossilen Marketingsumpf“ ist häufig eine „Mogelpackung“, die uns nicht näher an eine klimagerechte Welt bringen wird. Im Zuge des wachsenden Umweltbewusstseins der Öffentlichkeit und der verstärkten Regulierung durch Initiativen wie die Green Claims Directive der Europäischen Union steht die Eventbranche vor der Herausforderung, transparente und verifizierbare Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren. Begriffe wie klimaneutral, klimapositiv, klimaoptimiert werden zukünftig nicht mehr ohne weitere Belege verwendet werden können.
Dadurch rückt Nachhaltigkeit nochmals stärker in den Fokus bei der Eventplanung und -durchführung. Veranstalter von Messen, Kongressen, Sportevents, Festivals etc. erkennen die Notwendigkeit, die Umsetzung ihrer Events kritisch zu hinterfragen und sich eingehend mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen auseinanderzusetzen. Für die Veranstaltungswirtschaft ist es hierbei wichtig, über reine Marketingaussagen hinaus nachhaltige Praktiken zu verankern, die eine wirkliche Veränderung unterstützen.
(Bild: 2bdifferent)
Um was geht‘s bei der Green Claims Directive & Empowering Consumers Directive
Auch auf EU-Ebene wurde festgestellt, dass die generelle Kommunikation von Umweltaussagen, Nachhaltigkeitssiegeln und -awards einer Regulierung bedarf, wie in einer durch die EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie[1] festgestellt: Immer mehr Menschen und Unternehmen treffen ihre Entscheidungen für oder gegen eine in Anspruch genommene Ware, Dienstleistung oder ein Event auf Grundlage der Umweltauswirkung. Daher sollen auf EU-Ebene Kriterien und Regularien geschaffen werden, die eine transparente, extern geprüfte und wissenschaftlich fundierte Datenbasis für die Kommunikation von Umweltaussagen voraussetzen, sodass auch ein tatsächlicher Mehrwert entsteht.
(Bild: 2bdifferent)
Enthalten in den Richtlinien sind Anforderungen, die sich auf Nachhaltigkeitsaussagen, -siegel in allen Branchen sowie auf die Vielzahl von Umwelt- und CSR-Preisen auswirken. Insbesondere die Anzahl der Nachhaltigkeitssiegel soll reduziert werden. Neue Siegel sollen nur noch zugelassen werden, wenn diese auf EU-Ebene entwickelt wurden und sich in ihrer Aussagekraft wesentlich von anderen, bereits bestehenden Siegeln unterscheiden.
Neben der GCD wurde auf EU-Ebene eine weitere Richtlinie entwickelt und bereits Anfang des Jahres verabschiedet, die die Kommunikation von Umweltaussagen regulieren soll, die Empowering Consumers Directive (EmpCo). Nach den Anforderungen der Directive sollen insbesondere beim Anwenden von Kompensationszertifikaten treibhausgasbezogene Umweltaussagen wie „klimaneutral“ verboten werden. Des Weiteren landen generelle unspezifische Aussagen wie „grün“ oder „gut für die Umwelt/den Planeten“ auf einer Blacklist.
Zeitlicher Horizont
Durch die GCD soll nach Inkrafttreten genau reguliert werden, wie die externe Prüfung der Umweltaussagen abzulaufen hat und welche speziellen Anforderungen an Umweltaussagen im Einzelnen gestellt werden.
Mit Blick auf die zeitliche Agenda ist festzuhalten, dass im Jahr 2026 die Anforderungen der EmpCo in Kraft treten werden. Die GCD wird inhaltlich noch diskutiert, voraussichtlich aber im Laufe von 2024 beschlossen und in den darauffolgenden zwei Jahren in deutsches Recht umgesetzt werden.
Greenwashing in der Veranstaltungswirtschaft
Die EU-Richtlinien werden erhebliche Auswirkungen auf die Veranstaltungswirtschaft haben, indem sie strengere Maßstäbe für Nachhaltigkeitsbehauptungen einführen. Folgende Beispiele illustrieren derzeit gängige Praktiken, die unter dieser Direktive nicht mehr zulässig sein werden:
Unbelegte „klimaneutrale“ Events
Veranstaltungen, die sich als „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ darstellen, ohne transparente und verifizierbare Nachweise zu erbringen, wie diese Neutralität erreicht wird (z.B. durch direkte Emissionsreduktionen vor Ort), könnten gegen die Richtlinien verstoßen. Die Direktive fordert solide Belege für solche Behauptungen.
Irreführende Aussagen über Recycling
Eventveranstalter, die behaupten, ihre Materialien seien „vollständig recycelbar“ oder „aus recycelten Materialien“ hergestellt, ohne klare Beweise zu erbringen oder ohne zu berücksichtigen, ob die Infrastruktur für das Recycling der Materialien tatsächlich vorhanden und zugänglich ist.
Übertriebene Behauptungen zur Energieeffizienz
Die Vermarktung von Veranstaltungstechnologien oder -dienstleistungen als „energieeffizient“ ohne klare messbare Beweise oder im Vergleich zu einem nicht repräsentativen Standard, könnte unter die Kategorie der irreführenden Umweltbehauptungen fallen.
Falsche Darstellung von Lieferketten
Behauptungen über nachhaltige Lieferketten oder ethische Beschaffungspraktiken, die nicht durch transparente Nachweise oder Zertifizierungen gestützt werden, könnten durch die Direktive eingeschränkt werden. Veranstalter müssen konkret nachweisen, wie Nachhaltigkeitskriterien in ihren Lieferketten erfüllt werden.
Unscharfe Aussagen zu Umweltvorteilen
Allgemeine oder unspezifische Aussagen wie „umweltfreundlich“, „grün“ oder „nachhaltig“, die nicht klar definiert oder durch spezifische überprüfbare Maßnahmen belegt sind, könnten als irreführend angesehen werden. Veranstalter müssen spezifische Umweltauswirkungen und die ergriffenen Maßnahmen klar kommunizieren.
Durch die Umsetzung der Green Claims Directive werden Veranstalter und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft dazu angehalten, ihre Nachhaltigkeitsbehauptungen sorgfältig zu prüfen und sicherzustellen, dass sie durch transparente nachprüfbare Informationen gestützt werden. Dies fördert nicht nur ehrlichere Kommunikation, sondern auch echte Nachhaltigkeitsbemühungen in der Eventbranche
Glaubwürdigkeit & Co. bei der Kommunikation zu Nachhaltigkeit bei Events
Viele Aussagen, die sich aktuell auf den umweltbezogenen Mehrwert beziehen, enthalten zu wenige Informationen und sind zu vage. Außenstehende Personen können nicht bewerten, ob der Mehrwert wirklich geleistet wird.
Probleme bei der Umweltkommunikation
Keine klaren Beschreibungen, was betrachtet wird
Zu wenige Informationen zur Datenerfassung und -qualität
Nicht nachvollziehbar, worauf Reduktion/Umweltmehrwert beruht
Werden Kompensationszertifikate angewendet?
Gibt es konkrete Reduktionsmaßnahmen und ggf. Ziele?
Gibt es eine externe unabhängige Überprüfung der Aussagen?
Beispielsweise bei dem Erstellen der Treibhausgasbilanzen für Veranstaltungen (Event Carbon Footprints) ergibt sich das Problem, dass durch die Rahmenwerke keine harten Anforderungen an Bilanzgrenzen und Berechnungsqualität gestellt werden. Bei der Ermittlung ist dabei immer eine gewisse Varianz möglich, d.h.
Varianz in …
… Bilanzgrenzen: Welche Aktivitäten werden betrachtet?
… Daten- und Berechnungsqualität
… Wesentlichkeitsgrenzen und insbesondere Ausschlüsse
Aufgrund der durch die Berechnungsstandards gegebenen Freiheiten werden somit detaillierte Beschreibungen der Ausschlüsse und Bilanzgrenzen, des Vorgehens zur Berechnung, der Emissionsquellen sowie Aussagen zur Datenqualität notwendig. Da diese wichtigen Informationen häufig nicht mitkommuniziert werden, fällt es umso schwerer, die Umweltaussagen oder Treibhausgasbilanz einzuschätzen.
Im Sinne eines glaubwürdigen und belastbaren Event Carbon Footprints ist z.B. die Berücksichtigung der Mobilität für An- und Abreise der Gäste notwendig. Gerade die Erfassung der An- und Abreisedaten mit der Art des Verkehrsmittels sowie der Wegestrecke der Besucher:innen und Teilnehmenden bei einem Event sind von wesentlicher Bedeutung, wie auch die Tabelle zu den Scopes ausweist. Der größte Anteil der Gesamtemissionen eines Veranstaltungsformats entsteht in der Regel bei der Gästemobilität. Trotz der zum Teil schwierigen Erhebungsdatenlage gibt es inzwischen belastbare Ansätze, wie die An- und Abreise der Gäste erfasst werden und daraus die Emissionen abgeleitet werden können. Beispielsweise können im Rahmen des Teilnehmermanagements bei der Anmeldung ein Online-Erfassungslink integriert werden oder beim Check-in vor Ort kurze Abfragen zur An- und Abreise erfolgen.
Grundsätzliche Herangehensweise für eine belastbare Kommunikation
Bei der Kommunikation sollte darauf geachtet werden, dass die Umweltaussagen auf international anerkannten Standards und Systemen basieren. Um sich abzusichern, sollten Aussagen nach Möglichkeit extern unabhängig überprüft werden. Umweltaussagen sollten zudem mit konkreten Maßnahmen untermauert werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Kommunikation sich an den folgenden Kriterien im Schaubild orientiert:
Ansätze für eine glaubwürdige Kommunikation zu nachhaltig umgesetzten Events
Kommunikation von Nachhaltigkeitszielen
Viele Veranstaltungen betonen ihre Bemühungen, CO2-neutral zu sein oder streben dies für die nahe Zukunft an. Sie kommunizieren Ziele wie die Reduktion von Emissionen, den Einsatz von erneuerbaren Energien und die Kompensation von unvermeidbaren Emissionen durch Investitionen in Umweltprojekte. Diese Ansätze werden oft durch Zertifizierungen oder Partnerschaften mit Nachhaltigkeitsorganisationen gestützt.
Fokus auf materielle Aspekte
Ein weiterer häufiger Kommunikationspunkt betrifft die Reduktion von Abfall durch das Vermeiden von Einwegprodukten, die Förderung von Recycling und die Verwendung nachhaltiger Materialien. Veranstalter heben hervor, wie sie Wasserflaschen aus Plastik durch wiederbefüllbare Lösungen ersetzen oder wie Dekorationen und Bühnenelemente aus recycelten oder nachhaltig beschafften Materialien bestehen.
Informieren über nachhaltige Praktiken
Einige Events nutzen ihre Plattform, um Teilnehmende und Partner:innen über nachhaltige Praktiken aufzuklären. Dies umfasst Informationen darüber, wie Besucher:innen zur Nachhaltigkeit des Events beitragen können, z.B. durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, die Teilnahme an CO2-Kompensationsprogrammen oder die Unterstützung lokaler Nachhaltigkeitsinitiativen.
Nachhaltige Ausrichtung der Lieferkette
Informationen über die Nachhaltigkeitsbemühungen entlang der gesamten Lieferkette mit anerkannten Standards nutzen, um damit Verbesserungsprozesse transparent zu machen. Dazu gehören die Offenlegung von Informationen über nachhaltige Praktiken, die Verwendung von Zertifizierungen, die Förderung langfristiger Partnerschaften mit engagierten Lieferanten und die Messung der Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten.
Transparenz und Authentizität
Im Zuge der wachsenden Sensibilisierung für Greenwashing streben viele Veranstalter nach mehr Transparenz in ihrer Kommunikation. Sie legen detailliert dar, welche spezifischen Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Nachhaltigkeitsclaims zu untermauern, und veröffentlichen Berichte oder Zertifikate, die ihre Fortschritte belegen. Das zahlt insbesondere auch auf die Anforderungen der kommenden „Green Claims Directive“ ein.
Engagement und Interaktion
Moderne Kommunikationsstrategien beinhalten auch das Engagement der Teilnehmenden durch interaktive Elemente wie Apps, die das persönliche CO2-Fußabdruck-Tracking ermöglichen, oder Plattformen für Feedback und Ideen zu weiteren Verbesserungen der Eventnachhaltigkeit.
Zukunftsaussichten für die Veranstaltungswirtschaft
Die Basis für die Kommunikationsstrategie reicht von selbst auferlegten Verpflichtungen und Zielen über die Einhaltung international anerkannter Standards und Richtlinien, wie die ISO 20121 für nachhaltiges Eventmanagement bis hin zu konkreten Partnerschaften mit Umweltorganisationen und Zertifizierungsstellen. Eine ISO 20121 Zertifizierung mit dem Kernansatz des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) zahlt aktiv auf belastbare Kommunikationsinhalte ein.
Neben der ISO 20121 kann im Rahmen von Treibhausgasneutralitäts-Aussagen die frisch publizierte ISO 14068 angewandt werden.
(Bild: 2bdifferent)
Diese kann für Unternehmen, aber auch Veranstaltungen verwendet werden. Die Norm kann als Managementsystem verstanden werden, um den Status „Carbon Neutral“ (Treibhausgasneutral) zu erreichen.
Kernstück ist dabei der Carbon Neutrality Management Plan, in dem detailliert beschrieben wird, mit welchen konkreten Maßnahmen in welchen Schritten wann Reduktionen stattfinden und welche Ziele bis wann erreicht werden sollen. Dabei müssen auch mittelfristige Ziele gesetzt werden. Verbleibende Emissionen müssen am Ende jeder Berichtsperiode über hochwertige Kompensationszertifikate ausgeglichen werden.
Fazit
Im Rahmen der regulativen Maßnahmen wie z.B. der Green Claims Directive oder aber auch der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Veranstaltungsindustrie in Zukunft noch stärker in Richtung Nachhaltigkeit tendieren müssen, mit einem verstärkten Fokus auf Kreislaufwirtschaft, CO2-Neutralität und sozialer Verantwortung. Kernelement muss ab Inkrafttreten der EU-Richtlinien zusätzlich per gesetzlicher Anforderung eine transparente, belegbare und ehrliche Kommunikation sein.
Die Fähigkeit, schnelle, effektive und glaubwürdige Anpassungen vorzunehmen, wird entscheidend sein, um den Vorgaben der Regulatorik und den Erwartungen der Gesellschaft als auch den Anforderungen der Umwelt gerecht zu werden. Es wird immer deutlicher, dass die Hinwendung zu nachhaltigeren Praktiken nicht nur unerlässlich ist, sondern auch eine Chance bietet, das Zusammenkommen und Feiern neu zu gestalten.
Insgesamt zeigt der Status quo, dass die Veranstaltungswirtschaft aktiv daran arbeitet, ihre Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu definieren und zu kommunizieren. Trotz der Vielfalt in der Umsetzung ist das gemeinsame Ziel klar: die Förderung eines nachhaltigeren Eventsektors.
Begriffsdefinitionen
Wissenschaftliche Begriffsdefinitionen nach dem Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC):
Treibhausgasneutralität (THG):
Alle Emissionen von Treibhausgasen werden durch Senken wieder aufgenommen, d.h. Netto-Null-Treibhausgasemissionen. Eine Senke ist dabei ein Reservoir, das Treibhausgase aufnimmt und speichert. Diese können natürlicher (bspw. Aufforstung) oder technologischer Art (bspw. Carbon Capture and Storage – CCS) sein.
Klimaneutralität:
Erweiterung der THG-Neutralität. Neben der reinen Emission müssen alle anthropogenen Effekte auf das Klima ausgeglichen werden. Hierzu zählen beispielsweise das Versiegeln von Flächen, wodurch die Rückstrahlkraft der Erdoberfläche verändert und die Aufnahme von Wasser verhindert wird.
[1] European Commission (2020) Environmental claims in the EU: Inventory and reliability assessment, Final report.
Zu den Autoren:
Clemens Arnold ist Geschäftsführer von 2bdifferent – der Beratungsagentur für Nachhaltigkeit in der Veranstaltungswirtschaft. Mit der Ausbildung zum Corporate Responsibility Manager an der Universität Bayreuth, als Interner Auditor für die ISO 20121 für Nachhaltiges Eventmanagement und als Trainer des Deutschen Nachhaltigkeitskodex setzt er nachhaltige Konzepte bei Unternehmen der MICE- und Livekommunikationsbranche ein, um deren Geschäftsbetriebe nachhaltig zu entwickeln. Ein weiteres Kompetenzfeld umfasst die Analyse, Bewertung und Optimierung von Messen, Kongressen, Tagungen, Roadshows, Corporate- & Sport-Events sowie Digitalformaten nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien.
Florian Himmelstein war für mehr als drei Jahre lang für die GUTcert GmbH im Bereich Carbon Footprint tätig. Seit August 2024 arbeitet er für die sustainable AG als Sustainability Consultant.