Corona-Wirtschaftshilfen: Rückforderungen im Auge behalten
von Dr. Susann Brackmann und Philipp von dem Bussche, LL.M. (corp. restruc.),
Die Veranstaltungsbranche wurde während der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Die sogenannten Corona-Wirtschaftshilfen sicherten während der Krise die Fortführung einiger Unternehmen. Doch nun drohen Rückforderungen – und viele Unternehmen sind nicht vorbereitet. Was tun? Juristischer Rat von Dr. Susann Brackmann und Philipp von dem Bussche von CMS Deutschland.
(Bild: Shutterstock / SergeyBitos)
Um den Unternehmen in der Coronakrise finanziell beizustehen, stellte der Staat umfangreiche Hilfspakete zur Verfügung, darunter die Überbrückungshilfen I-IV sowie die November- und Dezemberhilfen. Diese Mittel wurden häufig auf Basis geschätzter Umsatzeinbrüche gewährt. Abschließend war die Einreichung einer sogenannten Schlussabrechnung erforderlich, um die tatsächlich zustehende Förderhöhe zu ermitteln. Doch die Frist zur Einreichung dieser Abrechnungen ist inzwischen abgelaufen – mit teilweise gravierenden Konsequenzen für Unternehmen, die die Frist fruchtlos haben verstreichen lassen oder bei denen es aufgrund einer abweichenden Schlussrechnung zu Nachforderungen kommt.
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Nichteinreichung der Schlussabrechnung: Rückzahlungen in voller Höhe
Unternehmen, die die Schlussabrechnung nicht fristgerecht eingereicht haben, sind verpflichtet, die erhaltenen Hilfen vollständig zurückzuzahlen. Für viele Betriebe der Veranstaltungsbranche, die die Gelder vollständig zur Deckung laufender Kosten verwendet haben und die ihre Fortbestehensprognose lediglich aufgrund der erwarteten Hilfen aufrechterhalten konnten, kann dies existenzbedrohend sein. Denn die seit Auslaufen der Corona-Pandemie erwirtschafteten Gewinne dürften für viele Unternehmen nicht ausreichend gewesen sein, um entsprechende Rücklagen für eine Rückzahlung gebildet zu haben. Aus der Erfahrung der Verfasser haben einige Unternehmen das Risiko von Rückforderungen der Corona-Hilfen nicht oder zu spät in Betracht gezogen.
Eine Einspruchsmöglichkeit gegen die Rückzahlungsverpflichtung gibt es in der Regel nicht. Die Nichteinreichung wird als Verletzung der Bewilligungsauflagen gewertet, woraus sich eine automatische Rückzahlungspflicht ergibt. Die Rückzahlungsfrist beträgt in diesen Fällen in der Regel einen Monat ab Datum des Schlussbescheides, in welchem die Rückforderungssumme beziffert wird. Daher sollten betroffene Unternehmen dringend ihre Liquiditätssituation prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen zur Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit ergreifen.
Selbst Unternehmen, die ihre Schlussabrechnung rechtzeitig eingereicht haben, können von Nachforderungen betroffen sein. Diese entstehen, wenn die tatsächlichen Umsätze in den Förderzeiträumen höher ausfielen als ursprünglich prognostiziert oder wenn Fixkosten fehlerhaft angesetzt wurden. Auch Änderungen oder Unstimmigkeiten bei subventionserheblichen Angaben, beispielsweise Mietkosten oder Personalkosten, können Rückforderungen begründen. Viele Unternehmen mussten zudem in der Anfangsphase der Pandemie unter hohem Zeitdruck und oft mit unklaren Vorgaben Hilfen beantragen, was leicht zu fehlerhaften Angaben führen konnte. Daneben wurden in einigen Fällen die Kriterien für die Förderung erst im Nachhinein präzisiert. Sofern in diesem Fall ein Schlussbescheid vorliegt, können in der Regel Stundungsvereinbarungen geschlossen werden, welche im Einzelfall eine Stundungsdauer von bis zu drei Jahren enthalten können. Stundungsanträge müssen jedoch vertieft begründet werden.
Rückforderungsbescheide der zuständigen Behörden müssen Unternehmen ernst nehmen und gegebenenfalls rechtlich prüfen lassen. Innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids können Rechtsmittel eingelegt werden.
Die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels sind individuell zu beurteilen. Eine detaillierte Überprüfung durch juristische Experten ist daher entscheidend.
Wirtschaftliche Folgen von Rückforderungen
Rückforderungen oder die Verpflichtung zur Rückzahlung der kompletten Fördermittel können erhebliche wirtschaftliche Probleme verursachen. Ein Erlass der Rückforderung durch die Behörden ist zwar nicht per se ausgeschlossen – allerdings ist der Erfolg eines Erlassbegehrens vom jeweiligen Einzelfall und dem gewährenden Bundesland abhängig. Allein ein Hoffen hierauf wäre leichtfertig und mit dem Pflichtenkanon der Geschäftsführung in der Krise des Unternehmens nicht zu vereinbaren. Unternehmen der Veranstaltungsbranche, die häufig mit niedrigen Margen und knappen Liquiditätsreserven in Verbindung mit häufig langfristigen Verträgen für Locations, Technik oder Personal arbeiten, sollten deshalb frühzeitig ihre finanzielle Lage analysieren. Eine detaillierte Liquiditätsplanung, die die kommenden 24 Monate abdeckt, ist unerlässlich, um den Zahlungsfluss zu sichern, wirtschaftliche Entscheidungen rechtzeitig treffen zu können und rechtliche Rahmenbedingungen im Auge zu behalten.
Grundsätzlich gilt: Je früher reagiert wird, desto besser
Denn ist aus der Liquiditätsplanung eine drohende Zahlungsunfähigkeit (negative Liquiditätsprognose auf 24 Monate, § 18 InsO) ersichtlich, sind zügige Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich. Dazu gehören beispielsweise Verhandlungen mit Gläubigern, die Optimierung des Working Capitals oder auch der Einsatz von Instrumenten des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG). Dieses Gesetz ermöglicht es Unternehmen, gerichtliche Sanierungsverfahren durchzuführen, um eine Insolvenz abzuwenden. Kernstück der Restrukturierungsverfahrens ist der sogenannte Restrukturierungsplan, auf dessen Grundlage in bestehende Forderungen von Gläubigern eingegriffen werden kann, beispielsweise durch Stundungen oder Forderungsschnitte. Unabhängig davon ist das Unternehmen berechtigt, aber nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Bei Kapitalgesellschaften kann auch eine Überschuldung (§ 19 InsO) vorliegen: Diese liegt im Falle einer auf die folgenden 12 Monate kalkulierten negativen Liquiditätsprognose und einer negativen Überschuldungsbilanz unter Zugrundelegung von Zerschlagungswerten vor und stellt einen zwingenden Insolvenzgrund dar. Auch wenn ein Rechtsmittel gegen den Rückforderungsbescheid eingelegt worden ist, sollte die Geschäftsführung zusammen mit ihren Beratern analysieren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass das Rechtsmittel nicht zum Erfolg führen und der Bescheid weiterhin Bestand haben wird. Schlussendlich handelt es sich bei der Zahlungsunfähigkeit (keine Möglichkeit der Tilgung von 90% aller fälligen Verbindlichkeiten in den kommenden drei Wochen, § 17 InsO) auch um einen Insolvenzgrund, der für jeden gilt. Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit handelt es sich sogar um zwingende Insolvenzgründe: In diesem Fall ist der Gang zum Insolvenzgericht innerhalb von maximal drei Wochen (nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit) bzw. innerhalb von maximal sechs Wochen (nach Eintritt der Überschuldung) angezeigt, um eine weitere Haftung zu vermeiden.
Haftungsrisiken der Geschäftsführung
Die Geschäftsführung ist verpflichtet, eine Krise des Unternehmens rechtzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Besonders kritisch wird es, wenn Zahlungen, die nicht notwendig für die Fortführung des Geschäftsbetriebs sind, nach Eintritt zwingender Insolvenzgründe vorgenommen werden oder eine Insolvenzantragstellung verspätet erfolgt. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen drohen in solchen Fällen auch strafrechtliche Konsequenzen. Deshalb ist ein proaktives Krisenmanagement essenziell – nicht nur, um Haftungsrisiken zu minimieren, sondern auch, um den Handlungsspielraum des Unternehmens zu wahren.
Ausblick und Handlungsbedarf
Die Veranstaltungsbranche steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Rückforderungen oder die Rückzahlung gesamter Fördermittel können für viele Unternehmen, die ohnehin durch die Pandemie geschwächt sind, zur existenziellen Bedrohung werden. Deshalb ist es umso wichtiger, rechtzeitig zu handeln.
Betroffene Unternehmen sollten ihre finanzielle Situation analysieren, Bescheide juristisch prüfen lassen und bei Bedarf professionelle Unterstützung für Restrukturierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Wer proaktiv handelt, kann nicht nur das wirtschaftliche Überleben sichern, sondern sich auch für künftige Herausforderungen besser aufstellen.
Zu den Personen:
Dr. Susann Brackmann ist Partnerin in der Wirtschaftskanzlei CMS am Standort Hamburg und berät national und international tätige Unternehmen im Insolvenzrecht, in Restrukturierungsfällen (einschließlich StaRUG) sowie an den Schnittstellen zum Gesellschafts- und Finanzrecht. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Unterstützung in Krisensituationen, vor allem im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Restrukturierungen. Erfahren ist Susann Brackmann zudem mit Fragen der Haftungsvermeidung in Krisensituationen sowie bei der Abwehr und Durchsetzung von Insolvenzanfechtungsansprüchen.
Philipp von dem Bussche, LL.M. (corp. restruc.) berät Geschäftsleitungen und Unternehmen in der Krise ebenso wie Gläubiger vor und während eines Insolvenzverfahrens im nationalen und internationalen Kontext. Er entwickelt für Betriebe aller Größenordnungen, vor allem aus der Startup- Branche, Sanierungslösungen mittels Übertragener Sanierung und Insolvenzplänen. Insolvenzverwaltern steht er bei Verhandlungen mit Stakeholdern sowie in anfechtungsrechtlichen Fragestellungen zur Seite, Geschäftsleiter erfahren Unterstützung bei der Analyse und Vermeidung von Haftungsrisiken im Insolvenzszenario.