Das ist die Zukunft: Interaktivität in Kunst, Wirtschaft & Politik
von Andreas Schäfer,
Wenn „Olli“ mit seinen 20 Stundenkilometern jetzt durch Berlin-Schöneberg gondelt, ist dies nicht nur ein wichtiger Schritt in der Implementierung neuer elektrischer Verkehrssysteme, sondern auch der Start eines interaktiven Systems im Alltag. Der Bus, der zum Teil im 3D-Drucker entsteht, ist ein fahrerloses System mit zwölf Plätzen, das auf seine Benutzer und seine Umgebung selbsttätig reagiert. Ohne Digitalisierung wäre ein solches Produkt nicht denkbar. Und ohne Schnittstellen zur echten Realität erst recht nicht.
Der polnische Schriftsteller Stanisław Lem hatte viele solcher Entwicklungen vorausgesehen: Drohnen, das Internet, Virtual Reality, Nanotechnologie und autonome Waffensysteme. Und doch sieht die Zukunft im Detail meist noch etwas anders aus als gedacht. Lem war entsetzt, für welchen Müll das Netz in seiner Tiefe letztendlich gebraucht wird.
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Die Tchoban Foundation, Museum für Architekturzeichnung in Berlin zeigte gerade eine Ausstellung zur Anime-Architektur in berühmten japanischen Filmen. Was am Golf oder in China in den letzten Jahren aus dem Boden gewachsen ist, fand im Land der Sonne längst bei seinen visionären Comic-Zeichnern statt.
Selbst in der 70. Internationalen Bergischen Kunstausstellung sollte es interaktive Kunst geben. Die funktionierte bei der Eröffnung aber nicht wie ausgedacht. Mit einer App hätte man das Kunstwerk steuern können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Zum Download selbiger hätte man sich in das WLAN des Kunstmuseums einwählen müssen, was aber nicht ging, da niemand in der Lage war, den Repeater richtig zu bedienen. Der Mensch zeigte sich unzulänglich. Nicht die Maschine.
Apropos Versagen. Da mein 16 Jahre alter Wäschetrockner gerade mit Schluckauf verendete, musste ich bei der Suche nach einem neuen feststellen, dass Firmen wie Miele längst Trockner mit Smartphoneoder Tablet-PC-Steuerung bauen. In Gütersloh! Und auf dem PlatineFestival ist auch die Kunst virtuell und interaktiv. Auch das erste große Augmented-Reality-Ereignis weltweit wurde mit Pokémon Go für alle sichtbar im Juli 2016 gestartet. Der moderne Trapper ist ein Teenager mit seinem Smartphone. Virtueller Sternenstaub ist seine Belohnung. Erheb’ dich Seele!
Die digitale Wirtschaft verändert die Wertschöpfungskette
Der Amazon Dash-Button läutet das Einkaufen 4.0 ein. Natürlich wird er, wenn er sich durchsetzt, zu einer weiteren Verengung auf den Märkten führen und die Marktführer weiter beschleunigen. Das führt zu einer Konzentration, die Ludwig Erhard im Grab dauerrotieren lässt. Herrn Bezos stört das nicht. Er will die Marktmacht. Erhards Formel „Wohlstand für alle“ war allerdings auf anderen, mannigfaltigeren Boden gebaut. Mir jedenfalls bereitet es Sorgen, wenn nur noch zehn Lebensmittelkonzerne das große Geschäft weltweit unter sich aufteilen. Vielfalt war für Milliarden Jahre ein recht erfolgreiches evolutionäres Prinzip. Und dass wir in Deutschland die Finanzkrise so gut überstanden haben, liegt an ebensolcher Vielfalt und den vielfältigen wie vielen Hidden Champions in der Realwirtschaft, die man leider nicht in die erste Reihe stellt.
Aber eben diese Realwirtschaft wird sich verändern. Direct Digital Manufacturing (DDM) wird große Teile der konventionellen Fertigung von Teilen oder sogar ganzen Produkten ersetzen. Ebenso die Verfahren. Die werden inter aktiver und jederzeit steuerbar. Das wird nicht gleich die ganze Wertschöpfungskette ausradieren, aber verändern. Beson ders die Teilhabe durch bezahlte Arbeit an derselben. Wobei sich also die Frage aufwirft, wovon die Menschen die Produkte kaufen sollen, wenn sie selbst gar keine Produkte mehr herstellen, die sie eintauschen könnten. Eine Marktwirtschaft braucht immer noch Käufer. Das wird sich auch durch den Wechsel von (ökologisch sinnvollen, da weniger Abfall) subtraktiven auf additive Verfahren nicht ändern.
Laut Andy Greenberg von Wired ist die Ideenschmiede Jigsaw von Google – bislang unter Google Ideas firmierend – dabei, ein Programm zu entwickeln, das den Google-Suchanzeigenalgorithmus sowie YouTube dazu nutzt, um potenzielle Rekruten des IS ausfindig zu machen, und versucht, sie von ihrem Einstieg in den Dschihad abzubringen. Von der Kausalität werden wir immer mehr zur Korrelation kommen, fürchte ich! Die Transparenz der gleichzeitig stattfindenden Prozesse steigert das nicht.
Der digitale Staat ohne echte Digitalität
Adrian Lobe berichtet in der Cicero von neuen Visionen und altbekannten Namen. Patri Friedman, der Enkel des neoliberalen Heavy-WeightFighters Milton Friedman will flotierende Inselstaaten gründen, die auf hoheitsfreien Ozeanen daherschwimmen und keinem bekannten Gesetz unterliegen. Der Staat als Start-up, wie der Cicero schreibt. PayPalGründer Peter Thiel guckt sich schon um. Politik nach den Gesetzen der Valley-Ökononie von „Anything goes“ für den Gatekeeper: Manchester 4.0 im Mimikry von Singapur 2.0!
An die Stelle von „One man, one vote“ werden Algorithmen treten. Die Beschleunigung wird zunehmen, der Populismus auch. Adrian Lobe stellt fest: „Tatsächlich wirken demokratische Prozesse im Zeitalter von Hochfrequenzhandel und Echtzeitkommunikation zäh und langwierig.“ Bislang hat der digitale Staat mehr mit Service als mit einem echten Kern von Digitalität zu tun. Gibt es demnächst den benutzerfreundlichen Staat mit Fünf-Sterne-Wertung? Wer macht die Algorithmen und wer wertet sie wie aus? Ist die Wahl von Stellvertretern, Repräsentanten, die die Verantwortung auf Zeit wahrnehmen, wirklich veraltet und soll anstelle der parlamentarischen Prozesse wirklich eine Echtzeitabstimmung aller erfolgen. Die Schweiz im Laptop oder im Smartphone. Kann ein Rechner das Heer von Bürokraten, das Entscheidungen vorbereitet und trifft, ersetzen? Wer entscheidet mit welcher Ethik? Gibt es Algorithmen der Gesinnungsethik oder schafft man es, Verantwortungsethik in Programme zu packen? Max Weber in the Box. Wahrscheinlich muss man sich dem Effizienzdenken entziehen, dass die Demokratie ein durch Updates immer leistungsfähigeres Betriebssystem ist oder je sein kann