Die Event-Zora: Die würckliche und tüchtige Sücherheit dero Menschen
von Redaktion,
Auf das Wort „Sicherheit“ reagiere ich augenblicklich allergisch, weil es bei besorgten Bürgerinnen und Bürgern und deren politischen Vertretern in deren Munde ist, wenn es um „unsere“ Sicherheit auf Straßen und Plätzen geht. Dabei war unser Land – laut offiziellster Statistik – noch nie so sicher wie heute.
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Mal ehrlich, als Frau fühle ich mich auf dem heimatlichen Oktoberfest deutlich unsicherer als auf der Kölner Domplatte. Und selbst vor Kunden ist man im Bierzelt nicht vor verbaler oder tätlicher Übergriffigkeit sicher. Macht doch mal bitte eine Umfrage im Kolleginnenkreis, wie solche Kundenbindungsmaßnahmen falsch verstanden werden.
Oder nehmen wir den Brandschutz, der jüngst fadenscheiniger Vorwand war, die protestierenden Baumhausbewohner aus einem der ältesten verbliebenen Wälder dieser Republik zu räumen. Oder dieses lustige Polizeigesetz in Bayern, wo man jetzt auch ohne Verdacht mal einfach Menschen in Schutzhaft nehmen kann, weil sie Gefährder sein könnten. Kann auch unseren Gästen aus dem Ausland passieren. Stellt euch vor, einer unserer Eventteilnehmer fährt mit der Bahn vom Flughafen zum Event und wird drei Mal wegen seines Fahrausweises kontrolliert, nur weil er in der ersten Klasse sitzt und eine dunklere Hautfarbe hat. Beim dritten Mal wird er unhöflich und schwupps, er spricht arabisch, wird er als Gefährder hopps genommen. Und weil sich alle missverstehen, kommt er ohne Anklage in Polizeigewahrsam. Unrealistisch? #MeTwo folgen, lesen und wir erleben unser blauäugiges und blondes Wunder, wie stark Alltagsrassismus verbreitet ist und was er für die „Betroffenen“ bedeutet, nämliche alltägliche Verunsicherung.
Einer der Urväter der Bauvorschriften: ein Sachse
Sorry, für den kleinen gedanklichen Umweg zum Thema Safety. Ich sollte doch was zur Veranstaltungssicherheit schreiben. Nee, das Thema finde ich nicht lustig. Ich wäre vielleicht auch um ein Haar am 24. Juli 2010 in Duisburg gewesen und hätte in dem Tunnel festgesteckt. Wenn ich mich also mit der Bauaufsichtsbehörde bei Abnahmen rumärgere, dann ist das also ok. Übrigens ist einer der Urväter der Bauvorschriften ein Sachse: Der Dresdner Johann Christoph von Naumann, ein Protegé August des Starken, gilt als Begründer der modernen Baupolizei in Sachsen und erließ zahlreiche Brandordnungen, um die früher häufigen und verheerenden Stadtbrände einzudämmen. Chapeau!
Kommen wir zur „Security“ zurück. Da macht man sich bei dem einen oder anderen Public Event schon seine Gedanken: nach Nizza oder Berlin. Was tun, wenn bei der Roadshow mal jemand ausrastet? Da sollte man vielleicht mal drüber geredet haben, auch mit seiner Security-Firma. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Wachmann oder die Wachfrau aus dem rechten politischen Umfeld kommt, deutlich höher, als dass ein religiöser Eiferer das Messer zückt. Das Chemnitzer #wirsindmehr-Konzert fand in den neuen Bundesländern, wie ich hörte, keine einzige Security-Firma.
Hm. Jetzt war ich doch wieder politisch, obwohl ich nur über Veranstaltungssicherheit schreiben wollte. Also einfach realistisch bleiben, im Job wie im Alltag, und wie der kurfürstliche und königliche Baudirektor Naumann denken. Das tun wir alles nur: „Denen unerfahrenen Gewerken … zur nöthigen Besserung …“
PS: Ich stürze mich in die Lektüre seines Werkes „Architectura Practica, oder: Die würckliche und tüchtige Bau-Kunst, so wohl bey Palatiis, als auch Bürgerlichen Häusern, Bautzen 1736“. Auch online ein Sprachgenuss: www.digi.ub.uni-heidelberg.de