Norm für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement

Die ISO 20121 und ihr Trickle-down-Effekt

Angefangen bei der Wahl der Dienstleister bis hin zur Eventkommunikation – die ISO 20121 deckt die komplette Wertschöpfungskette einer Veranstaltung im Sinne der Nachhaltigkeit ab. Damit zählt sie zu den wenigen, branchenspezifischen Normen für ein nachhaltiges Managementsystem.

Nachhaltigkeit bei Phocus Brand Contact
Die Agentur Phocus Brand Contact lässt sich ISO-20121-zertifizieren. Ihre Teilnahme am Konvoi-Projekt von 2bdifferent, fwd: und IFES verdeutlicht sie u.a. mit einer Grafikstrecke auf der eigenen Website. (Bild: Phocus Brand Contact GmbH & Co. KG)

Die Live-Kommunikation fordert einen oftmals hohen Tribut an unseren Planeten, denn Veranstaltungen verbrauchen reichlich Energie, beeinträchtigen ihr Umfeld und produzieren gewaltige CO2-Emissionen. Damit wir – im Einklang mit Natur und sozialen Interessen – weiterhin zu Messen, Business-Events, Galen und Co. zusammenkommen können, strukturieren einige Akteure der Branche ihre Prozesse nachhaltig um. Ein praktisches Instrument, um zugehörige Standards unternehmensweit zu sichern, ist die Zertifizierung nach DIN ISO 20121. Als eine der wenigen Normen für die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements definiert sie die Anforderungen speziell für Events, und zwar in allen Phasen der Lieferkette. Zertifizieren lassen können sich also, von Zulieferern über die Location bis hin zur Agentur, sämtliche Bereiche entlang der Wertschöpfungskette einer Veranstaltung.

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Die Beratungsagentur 2bdifferent, die fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft e.V. und die International Federation of Exhibition & Event Services (IFES) haben im vergangenen Jahr zur DIN ISO 20121 ein Konvoi-Projekt mit positiven Synergieeffekten aufgesetzt. Den Prozess im Konvoi beschreitet aktuell die Agentur Phocus Brand Contact, mit der wir u.a. über den „Nachhaltigkeits-Trickle-down-Effekt“ gesprochen haben.


Übersicht

Internationaler Nachhaltigkeitsstandard

Konvoi-Lösung für eine grünere Eventbranche

Kostensparen und Austausch im Konvoi

Trickle-down-Effekt und Branchenbezug

Dokumentation und kontinuierliche Verbesserung

Nachhaltigkeit startet mit der Eventkonzeption

Grüne Kommunikation nach innen und außen


Internationaler Nachhaltigkeitsstandard

Die ISO 20121 wurde im Jahr 2012 von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) entwickelt, zunächst als Nachhaltigkeitsstandard für Olympia in London. Erst 2018 wurden weitere Großveranstaltungen, z.B. die Formel-E oder der G7-Gipfel, nach ihrem System, das auf Standards wie der ISO 9001 (Norm für Qualitätsmanagement) und der ISO 14001 (Norm für Umweltmanagement) basiert, zertifiziert. Es soll sich flexibel an die Anforderungen eines Veranstaltungsbetriebes anpassen und so praxisgerecht in den Unternehmensalltag integrieren lassen. Betrachtet werden die Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales.

Unter Berücksichtigung der drei Dimensionen sind u.a. ein Unternehmenscheck und die Ausarbeitung eines Nachhaltigkeitsleitbildes Teil des Zertifizierungsprozesses. Das ISO-20121-Siegel dient anschließend als international anerkannter Nachweis für einen nachhaltig orientierten Geschäftsbetrieb innerhalb der Veranstaltungsbranche.

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Konvoi-Lösung für eine grünere Eventbranche

Die Konvoi-Lösung von 2bdifferent, fwd: und IFES soll Mitgliedern der Verbände die Einführung nachhaltiger Standards erleichtern. Teilnehmende Betriebe werden zu Projektgruppen zusammengeschlossen und profitieren auf diese Weise von gemeinsamen Schulungseinheiten, in denen sie u.a. ein Nachhaltigkeitsleitbild, eine nachhaltige Lieferkette und eine Kommunikationsstrategie erarbeiten. Im Zuge des Konvoi-Programms werden sie auch individuell beraten. Hierzu zählen innerhalb der ersten Prozessphase ein Basis-Check, eine CO2-Bilanzierung und ein Feedbackbericht samt Handlungsempfehlungen.

Prozessphase_Konvoi-Projekt_2bdifferent
Nachhaltigkeit wird im Zuge des Konvoi-Projekts innerhalb von drei Prozessphasen im Geschäftbetrieb verankert. (Bild: 2bdifferent)

In der zweiten Prozessphase werden Umweltziele und -maßnahmen abgeleitet, eine Gesundheits- und Arbeitssicherheitspolitik aufgebaut und weitere individuelle Inhalte entwickelt. Sobald die Nachhaltigkeitsprozesse in den Betrieben der Konvoi-Teilnehmenden nach etwa neun bis dreizehn Monaten implementiert sind, ist in Phase drei die Zertifizierung nach ISO 20121 durch ein externes Prüfunternehmen vorgesehen.

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Kostensparen und Austausch im Konvoi

Gemeinsam mit 2bdifferent den Status quo evaluiert und damit Prozessphase eins hinter sich gebracht, hat inzwischen Phocus Brand Contact. Die Agentur für Begegnungskommunikation ist am 8. Dezember 2022 im ersten Konvoi als eine von insgesamt elf Partizipierenden der Bereiche Ausstellung, Catering und Agentur gestartet und möchte für die Branche Vorreiterin in puncto Nachhaltigkeit sein. Die Zertifizierung nach ISO 20121 plant sie im ersten Quartal 2024 ein.

Dascha Berns, Phocus Brand Contact
Dascha Berns, Senior Project Manager und Nachhaltigkeitsbeauftragte bei der Agentur Phocus Brand Contact (Bild: Phocus Brand Contact GmbH & Co. KG)

Vom Konvoi-Projekt versprechen sich die Kreativen insbesondere finanzielle Vorteile, aber auch Erfahrungsaustausch: „Im Konvoi erhalten wir die Beratungsleistung von 2bdifferent und auch die Zertifizierung günstiger, als wenn wir uns selbst akkreditieren ließen“, sagt Dascha Berns, Senior Project Manager bei Phocus Brand Contact. Als Nachhaltigkeitsbeauftragte steuert sie, gemeinsam mit den beiden Geschäftsführerinnen Anja Osswald und Susanne Krebs, maßgeblich das Projekt Nachhaltigkeit in der Agentur. Berns schätzt außerdem die gemeinsamen Schulungseinheiten: „Auch wenn alle Teilnehmenden in derselben Nische tätig sind, können wir voneinander lernen und uns gemeinsam weiterentwickeln.“ Schließlich habe man dasselbe Ziel: die Selbstverpflichtung zum nachhaltigen Handeln.

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Trickle-down-Effekt und Branchenbezug

Es ist aber nicht allein die eigene Motivation, die Phocus Brand Contact zum grünen Umdenken antreibt. „Als vergleichsweise kleine Agentur mit 25 Festangestellten in Nürnberg, Stuttgart und Berlin haben wir bereits einen Impact auf andere Dienstleister“, sagt Berns und beschreibt den „Nachhaltigkeits-Trickle-down-Effekt“. Bei großen Konzernen, die oftmals bereits mehrfach mit Umwelt-Labels zertifiziert seien, habe Phocus Brand Contact einen Lieferantenkodex unterzeichnet, der zum nachhaltigen Handeln verpflichte. Einem solchen Kodex müssten bald, wenn man weiterhin zusammenarbeiten wolle, genauso die eigenen Dienstleister zustimmen. Entlang der Lieferkette versicherten auf diese Weise alle kooperierenden Eventakteure, noch nachhaltiger zu agieren.

Phocus Brand Contact_Acht Schritte zur Plakette
Die Grafikstrecke auf der Homepage der Agentur symbolisiert: Phocus Brand Contact hat Prozessphase 1 abgeschlossen. (Bild: Phocus Brand Contact GmbH & Co. KG)

Andere Gründe für die Wahl der Norm sind für Phocus Brand Contact z.B. der Branchenbezug. „Da wir in einer sehr spezifischen Nische arbeiten, haben wir uns mit der ISO 20121 auch für eine etwas spezifischere Zertifizierung entschieden“, erklärt Berns. Die ISO mit Fokus auf „Sustainable Event und Management Systems“ sei speziell auf den Veranstaltungssektor gemünzt und passe daher noch besser zum eigenen Geschäft. „Mit den Anforderungen der ISO können wir sicherstellen, dass unser Daily Business, also das, was wir produzieren, auch wirklich nachhaltig ist und im Rahmen der Zertifizierung nicht nur unser Qualitätsmanagement generell betrachtet wird“, sagt Berns.

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Dokumentation und kontinuierliche Verbesserung

Um den Anforderungen der ISO 20121 zu begegnen, hat die Kreativagentur im ersten Schritt alle internen Prozesse schriftlich zusammengefasst. „Wir haben einen Fragebogen mit über 200 Punkten beantwortet, den Agenturalltag bis ins kleinste Detail aufgeschrieben und festgestellt, wie sich die Prozesse auf unseren CO2-Fußabdruck auswirken“, sagt Berns. Dabei ging es u.a. um Gehältergerechtigkeit, die Anfahrtswege der Mitarbeitenden und ihre Lüftungsgewohnheiten, die Standby-Zeiten der Laptops oder den Wasserdurchlauf der Toiletten. Anschließend gab es ein ausführliches Feedback von 2bdifferent mit Handlungsempfehlungen. „Wir wissen jetzt, an welchen Stellen wir z.B. energiesparender arbeiten können und unser Learning für die Zukunft ist, ab sofort alle Entscheidungen zu dokumentieren“, meint Berns.

Phocus Brand Contact_Status Quo
Für den Status Quo dokumentiert Phocus Brand Contact alle internen Prozesse. (Bild: Phocus Brand Contact GmbH & Co. KG)

Auf Basis des Status quo optimiert die Agentur in Konvoi-Phase zwei verbesserungswürdige Prozesse. Langfristig werden die Nachhaltigkeitsstandards im Zuge eines „kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“ mit internen Audits sichergestellt. „Die Ziele und Timings bestimmen und staffeln wir individuell“, sagt Berns. „Zum Zeitpunkt X evaluieren wir, ob wirklich alle erfüllt sind.“ Nach der Erstzertifizierung wird in den Folgejahren im Rahmen kleinerer Re-Zertifizierungen weiter überprüft, die komplette Re-Zertifizierung erfolgt im vierten Jahr.

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Nachhaltigkeit startet mit der Eventkonzeption

Nachhaltig soll bei Phocus Brand Contact auch das Eventmanagement sein. Bei Projekten lag der Fokus bisher besonders auf der soziokulturellen Nachhaltigkeitsdimension, denn Veranstaltungen sollen sich bleibend auf Erinnerung und Erleben der Teilnehmenden auswirken. Die ökologischen und ökonomischen Aspekte rücken nun mit der Vorbereitung auf die Zertifizierung in den Vordergrund. „Veranstaltungen müssen im größeren Sinne nachhaltig werden“, betont Berns und als sechstgrößter Wirtschaftszweig könne man Veränderung zweifellos anstoßen. Ein Mittel zum Zweck ist die ISO-Zertifizierung, im Sinne derer die Agentur z.B. Materialien für Messestände CO2-sparend bzw. neutral beschafft, wiederverwendet oder recyclet zurück in den Kreislauf einführt.

Phocus Brand Contact_CO2 Einsparung
Auf Basis des Status Quo kann Phocus Brand Contact nun CO2 sparen. (Bild: Phocus Brand Contact GmbH & Co. KG)

„Nachhaltigkeit beginnt bei uns bereits bei der Konzeption eines Events“, beschreibt Berns den Workflow. Oft führe dies zu teureren Materialien, Aufpreisen und längeren Produktionszeiten. Die Konsequenzen des grünen Umdenkens gehen die Kunden von Phocus Brand Contact größtenteils mit, jedoch müsse noch stärker für das Thema sensibilisiert werden, meint Berns. Denn als Eventagentur sei man dafür verantwortlich, dass die komplette Lieferkette nachhaltig agiere. „Wir haben ein Netzwerk an Dienstleistern und Freelancern aufgebaut, die auf nachhaltige Prozesse achten. Doch der kontinuierliche Verbesserungsprozess sieht vor, dass wir in den nächsten Jahren unsere komplette Lieferkette sorgfältig überprüfen“, erklärt die Projektmanagerin. Kooperationspartner hätten dann eine Zeitspanne, um selbst Nachhaltigkeitsstandards zu implementieren.

Bei neuen Aufträgen informiert die Agentur gleich zu Beginn über den Lieferanten-Verhaltenskodex und klärt über die mit Nachhaltigkeit verbundenen Mehraufwände auf, wobei auch mögliche Erleichterungen in der Livephase wie z.B. digitale Bezahlmodelle thematisiert werden. „Nachhaltigkeit ist in unseren Augen nicht unbedingt ein Verzicht, sondern vielmehr ein Umdenken“, erklärt Berns und erzählt von einem Projekt, bei dem Teilnehmende per Digital-Armband für Verköstigung bezahlten. Statt lange in der Warteschlange anzustehen und Bargeld rauszusuchen, wurden Daten gesammelt. „Die digitale Lösung kostet mehr Zeit und Geld in der Vorbereitung, ist aber während des Events viel angenehmer und entspannter für Kunden und Teilnehmende“, resümiert Berns.

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Artikelreihe Nachhaltigkeitszertifizierungen

Viele Unternehmen der Eventbranche durchleuchten die eigenen Workflows und machen sich fit für eine Nachhaltigkeitszertifizierung – derer es viele gibt. In der Artikelreihe stellen wir verschiedene Siegel vor und den Prozess dahin. Lesen Sie auch „DGNB-Siegel: Nachhaltigkeit im Location-Lebenszyklus“, „Es geht noch grüner: Zertifizierung nach ISO 14001“ und „EMAS, das europäische Umweltmanagementsystem“.


Grüne Kommunikation nach innen und außen

Bei regelmäßigen Jour Fixes werden auch die Mitarbeitenden von Phocus Brand Contact mit relevanten Updates des Zertifizierungsprojektes versorgt und in interne Verbesserungsprozesse eingebunden. Insights anderer Eventakteure vermitteln die sogenannten „Inspiring Sessions“ oder Mitarbeitende selbst, die sich im Sinne einer offenen Unternehmenskultur mit ihren Anliegen einbringen können. „Nachhaltigkeit liegt vielen Mitarbeitenden am Herzen“, weiß Berns.

Phocus Brand Contact_Nachhaltigkeit kein Selbstzweck
Die ISO-20121-Zertifizierung ist für Phocus Brand Contact kein Selbstzweck. (Bild: Phocus Brand Contact GmbH & Co. KG)

Nach außen kommuniziert Phocus Brand Contact den Zertifizierungsprozess mittels einer eigenen Rubrik auf der Website. In Konvoi-Phase zwei möchte die Agentur mehr und ehrliches Marketing betreiben, denn der Zertifizierungsprozess soll den authentischen Verbesserungsprozess der Kreativagentur aufzeigen. Hierbei werden auch Fehler, Eingeständnisse, und die daraus folgenden Lernprozesse thematisiert. Berns verrät so viel: An den humorvollen Stil der Online-Grafikstrecke wolle man anknüpfen, denn als Kreativagentur versuche man das Thema Nachhaltigkeit mit Leichtigkeit zu nehmen. Die weitere Kommunikation werde z.B. die Erweiterung der Bildreihe, Grafiken in den Kundenpräsentationen sowie eigene Blog- und Social-Media-Beiträge umfassen. „Durch unser Nachhaltigkeitsengagement und zielgerichtete Außenwirkung können wir uns noch attraktiver als Arbeitgeber platzieren“, ist sich Berns sicher und motiviert durch den Gedanken, dass alle Veränderungen im Zuge der ISO-Zertifizierung auf das Standing der Agentur und ihr tägliches Business einzahlen werden.

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Das meiste ist selbstverständlich. Na Lüftungsverhalten der Mitarbeiter und WC Spülung. Schwierig sind die Lieferketten zu sehen

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