Aufwendige Installation zum Elbphilharmonie-Geburtstag
Drohnen-Ballett: Case-Study „Breaking Waves“
von Matthias Fuchs,
Hamburg feierte jüngst den fünften Geburtstag seiner „Elphi“ mit einer aufwändigen Drohnen-Installation unter dem Motto „Breaking Waves“. Ein Gespräch mit dem stellvertretenden Betriebsdirektor Nils Stahl.
(Bild: Mariia Melnyk)
Ursprünglich schon für den 11. Januar dieses Jahres geplant, jedoch anlässlich COVID-19-Restriktionen mehrfach verschoben, fand nun am Abend des 28. April die Premiere der Lichtinstallation „Breaking Waves“ im Hamburger Hafen statt. Laut stellvertretendem Betriebsdirektor der Elbphilharmonie Nils Stahl wäre im Januar ein Event mit großem Publikum, auch im Freien, angesichts der geltenden Schutzbestimmungen nicht möglich gewesen. Der nun realisierte Premierentermin wurde durch den Beginn des Internationalen Musikfestes Hamburg in einen neuen Gesamtzusammenhang gebracht.
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Wesentliche Elemente der knapp zehnminütigen Vorstellung waren ein Schwarm aus 300 Drohnen, der das Elbphilharmonie-Gebäude umflog, sowie die zuvor im Konzerthaus live gespielte und via Stream zum Publikum übertragene Musik. Konzeptioniert wurde „Breaking Waves“ vom Amsterdamer Künstlerduo Studio Drift. Deren Begründer Lonneke Gordijn und Ralph Nauta begeisterten schon mehrfach internationales Publikum mit bewegten Skulpturen unterschiedlichster Erscheinung. Zentrales Thema ihrer Kunstwerke ist insbesondere die Verknüpfung von Elementen aus Natur, Architektur und Technologie.
So auch in Hamburg: Die Flugformation des Drohnenschwarms spielte mit der markanten Silhouette des Gebäudes und den Wellenbewegungen der Wasserflächen, von denen die Elbphilharmonie umgeben ist. Die Reflexionen der leuchtenden Drohnen im Wasser und in der Gebäudefassade vervollständigten den visuellen Gesamteindruck. Um eine maximale Sichtbarkeit der Drohnen zu erzielen, wurde die Innenbeleuchtung der Elbphilharmonie so weit wie möglich gedimmt bzw. abgeschaltet. Auf eine Außenbeschallung hatte man bewusst verzichtet. Der zweite Satz des Klavierkonzertes von Thomas Adès wurde im Januar im Großen Saal live gespielt und nun via Stream nach außen übertragen.
Zweijährige Planungsphase
Breaking Waves gilt mit seinen 300 Drohnen aktuell als eine der bisher aufwendigsten, in Deutschland aufgeführten Drohnen-Installationen. Realisiert wurde die Inszenierung von Dronestories, einem ebenfalls in Amsterdam ansässigen Künstler- und Techniker-Team, welches wiederum von Studio Drift ins Leben gerufen wurde und auch, aber nicht ausschließlich, deren Konzepte umsetzt.
Von der Initialidee bis zur Uraufführung hat die Lichtinszenierung die Veranstalter recht genau zwei Jahre in Anspruch genommen. Als wesentliche künstlerische Vorgabe, mit der an das Studio Drift herangetreten worden war, wird der Bezug zur Gebäudearchitektur genannt. Darüber hinaus ließ man den Niederländern weitestgehend freie Hand bei der Entscheidung über Inhalte und deren Realisation, einschließlich der Entscheidung für den Drohnenschwarm. Die technische Umsetzung des Musikstreams erfolgte allerdings hausintern. Laut Nils Stahl hätte die Beschallung großer Teile des westlichen Hafengebietes eine unverhältnismäßig kostspielige Beschallungsanlage notwendig gemacht. Da zudem spätabendliche Aufführungen über mehrere Tage geplant waren, hätten sich im innerstädtischen Bereich Probleme mit dem Lärmschutz ergeben. Man entschied sich deshalb für die Bereitstellung eines Audiostreams, über den das anwesende Publikum das der Installation zugrunde liegende Musikstück hören konnte. Die Geräuschkulisse der 300 Drohnen war laut Nils Stahl unproblematisch, da sich das Publikum aufgrund der Inselposition des Gebäudes in einem Abstand von mehreren hundert Metern zum Geschehen positioniert hatte. Der entstandene Geräuschpegel bedeutete somit keinen Störfaktor für die individuelle Musikwiedergabe via Smartphone.
Neue Regeln für Drohnen-Piloten
Im Januar 2021 ist eine länderübergreifende, EU-weite Regelung für die Flugerlaubnis von Drohnen in Kraft getreten. Lesen Sie hier, worauf man achten muss, wenn man zukünftig mit einem Multicopter fliegen möchte: www.event-partner.de/eventtechnik/neue-regeln-fuer-drohnen-piloten
Gebäude wird über eine Wasserfläche umflogen
Dronestories oblag die praktische Umsetzung des Events. Als Teil von Studio Drift gelten sie als international anerkannte Spezialisten für die Aufführung anspruchsvoller Drohnen-Events mit mehreren hundert Drohnen. Dronestories initiierte in der Vergangenheit groß angelegte Drohnen-Installationen u.a. für das Burning Man Festival 2021 und die von der NASA veranstalteten Feierlichkeiten anlässlich der Jahrestage der Mondlandung.
Die Aufführung in Hamburg stellte einige besondere, den Örtlichkeiten geschuldete Anforderungen an die Realisatoren des Events. Laut Nils Stahl ist an erster Stelle die Wind- und Wettersituation im Hamburger Hafen zu nennen: „Das Wetter kann hier sehr schnell und unerwartet umschlagen. Ab einer bestimmten Niederschlagsmenge oder Windstärke können die Drohnen ihre Position nicht mehr halten. Das erfordert gegebenenfalls kurzfristige Programmänderungen.“ Zweifellos außergewöhnlich für die Hamburger Inszenierung ist zudem die Tatsache, dass hier nicht über freiem Feld geflogen, sondern über einer Wasserfläche ein Gebäude umflogen wurde. Gemäß Nils Stahl oblag die Handhabung der gesamten Genehmigungslage dem Dronestories-Team in enger Abstimmung mit der Elbphilharmonie. Eingebunden wurden die in diesem Fall federführende Luftfahrtbehörde sowie die Hamburg Port Authority. Letztere übernimmt für das Hafengelände eine ähnliche Funktion wie das Bezirksamt für Landflächen. Beide sorgten für die Sicherung des Luftraumes bzw. der Wasserwege im Bereich der Inszenierung. Die Sicherheitslogistik im Gebäudebereich kam dagegen der Elbphilharmonie selbst zu.
(Bild: Florian Holzherr)
Vorteile gegenüber Feuerwerk
Das Zusammenspiel von Musik und Drohnenbewegungen erfolgte über redundante Funksysteme mit Hilfe eines zuvor abgesprochenen Countdowns. Da die Flugbewegungen des Drohnenschwarms vollständig programmgesteuert abliefen, beschränkte sich die Kommunikation zwischen „Regie“ im Gebäude und dem Drohnenteam auf wenige Befehle. Eine direkte Synchronisation via Timecode war nicht vorgesehen. Hilfreich war nicht zuletzt der über weite Strecken eher flächige Charakter des ausgewählten Musikstückes. So kamen abrupte Flugbewegungen in der Dramaturgie des Events erst gar nicht vor.
Auf die Vorteile des Drohnen-Events gegenüber einem klassischen Feuerwerk angesprochen, betonte Nils Stahl die deutlich vielseitigeren Ausdrucksmöglichkeiten aufgrund der präzisen Positionierung der einzelnen Drohnen. Somit sind wesentlich engere Bezüge zur Thematik einer Lichtgestaltung herstellbar – wie hier etwa zur Architektur des gefeierten Bauwerkes.
Absage aufgrund Fremddrohnen-Einwirkung
Wie wenig später der aktuellen Presse zu entnehmen war, mussten leider nach der Premiere die weiteren Vorführungen abgesagt werden. Laut Bescheid der niedersächsischen Luftaufsichtsbehörde sei die Installation durch Fremdeinwirkung empfindlich gestört worden. Offenbar hätten Unbekannte eine fremde Drohne auf Kollisionskurs geschickt und dadurch Abstürze ausgelöst. Die zuständigen Ämter sahen somit die Sicherheit des Publikums gefährdet und entschlossen sich zur Aussetzung der Veranstaltung an den Folgetagen.
Sollte sich diese Annahme bestätigen, dürften sich zahlreiche interessante und leider auch unangenehme Fragen für Events dieser Art im Speziellen, aber auch allgemein für Events im öffentlichen Raum stellen, wie etwa die Störanfälligkeit von Drohnen-Events oder die Thematik von Kunst-Events als Zielscheibe.