E-Commerce und Hybrid-Events: Integrierter Einsatz von Onlineshops bei Weihnachtsmärkten
von Marie Lüno, Artikel aus dem Archiv vom
Welche Kommunikationswirkungen Onlineshops als digitales Eventtool hervorrufen, betrachtet Marie Lüno in ihrer Masterarbeit am Beispiel von Weihnachtsmärkten. Von der Verknüpfung profitiert nicht allein die Eventbranche, sondern auch der E-Commerce.
(Bild: Shutterstock / Khim_memory)
Die Digitalisierung der Eventbranche stellt längst keinen Trend mehr dar, sondern eine allgegenwärtige Einflussgröße auf die Live-Kommunikation. In diesem Zuge haben sich die Erwartungen der Konsument:innen an Events verändert, denn durch die schnelle Informationsverbreitung im Internet sind Innovationen und außergewöhnliche Eventkonzepte hinlänglich bekannt. Um die damit zusammenhängenden Herausforderungen bewältigen zu können, muss auch die Live-Kommunikation technische Möglichkeiten ergreifen und dem Eventmarketing durch die Verbindung von Online- und Offlinekommunikation einen Zusatznutzen verschaffen.
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Wirkungsvorteile hybrider Events
Ein zukunftsweisendes Eventformat, das sich die technischen Möglichkeiten bereits zunutze macht, ist das Hybrid-Event. Als inszenierte Ereignisse schaffen hybride Events eine symbiotische Verbindung zwischen der analogen und virtuellen Erlebniswelt, indem nützliche digitale Tools in die Eventphasen integriert werden und so das Live-Erlebnis medial ausdehnen. Obgleich die Wirkungsweise analog zu klassischen Events erfolgt und bei der Verarbeitung der Eventreize psychische wie ökonomische Kommunikationswirkungen hervorgerufen werden, erzielen hybride Events Wirkungsvorteile im Hinblick auf die zeitliche und räumliche Reichweite sowie die Dialogintensität. Dies ist mit der Integration digitaler Tools in reale Eventerlebnisse zu begründen, die dem Hybrid-Event eine potenziell stärkere und verlängerte Eventwirkung gegenüber ausschließlich virtuellen oder analogen Events verschaffen.
E-Commerce auf dem Vormarsch
Derzeit sind rund 50 für die Event- und Messebranche relevante digitale Tools erforscht worden (Ruetz, 2018). Bedingt durch die kurzen Innovationszyklen im Bereich der Digitalisierung, entwickeln sich zudem immer wieder neue Technologien, die bei hybriden Events Anwendung finden. Auffällig ist dabei jedoch, dass trotz dieser Vielzahl an Werkzeugen Onlineshops als die digitale Verkaufspräsenz im E-Commerce bisher kaum im Zusammenhang mit Events thematisiert werden. Dies erscheint umso verwunderlicher, da deutliche Parallelen zwischen Eventmarketing und E-Commerce im Hinblick auf das Erfordernis von Interaktivität, Multisensualität und Emotionen für die Kreierung von Erlebnissen bzw. Erlebniskäufen bestehen. Weiterhin ist der E-Commerce mit einem Umsatz von rund 75 Milliarden Euro allein in Deutschland einer der stärksten und durch seine Orts- und Zeitunabhängigkeit auch einer der beliebtesten Wirtschaftsbereiche, gegenüber dem der stationäre Handel deutliche Rückgänge verzeichnet (Handelsverband Deutschland, 2021).
Onlineshops als Verbindungselement
Ausgehend von den Wirkungsvorteilen hybrider Events und dem Potenzial des E-Commerce liegt eine Verknüpfung der Konstrukte nahe. Diese beschränkt sich aktuell jedoch auf das Eventmarketing mit netzgestützter Kommunikation und die erlebnisorientierte Gestaltung von Onlineshops zur Abgrenzung von anderen Marktteilnehmern, was die Grenzen zwischen den beiden Erlebniswelten aber nicht gänzlich überschreitet. Kann der Einsatz von Onlineshops bei hybriden Events also die beiden Konstrukte zusammenführen und einen Erfolgsfaktor für die Eventbranche darstellen, sofern positive Kommunikationswirkungen hervorgerufen werden?
Um dies herauszufinden, erfolgte im Rahmen der Masterarbeit eine explorative Erhebung in Form qualitativer leitfadenorientierter Interviews anhand von Weihnachtsmärkten in Deutschland, die in Folge der weltweiten Coronakrise im vergangenen Jahr nicht oder nur eingeschränkt stattfinden konnten. Um dennoch präsent zu sein, mussten verstärkt digitale Lösungen in die Weihnachtsmarktkonzepte integriert werden. Diese hybriden oder virtuellen Konzepte standen mit dem E-Commerce durch den Einsatz von Onlineshops bzw. deren Verlinkung im engen Zusammenhang.
Wechselwirkungen zwischen Event und E-Commerce
Die Befragung von ausgewählten Weihnachtsmarktveranstaltern, Händler sowie Besucher:innen berücksichtigte verschiedene Perspektiven auf das Themenfeld, führte aber dennoch einheitlich zu der Erkenntnis, dass bei der Onlineshop-Integration positiv gerichtete, psychische Kommunikationswirkungen, die sich beispielsweise in der Steigerung der Bekanntheit des Weihnachtsmarktes (kognitive Zielwirkung) äußern, am häufigsten auftreten. In Verbindung mit der verbesserten oder gefestigteren Einstellung gegenüber dem Weihnachtsmarkt und dessen Image als Resultat der ebenfalls ermittelten gesteigerten Zufriedenheit der Besucher:innen aufgrund der unbegrenzten Nutzbarkeit der Onlineshop-Services (komplexe Zielwirkung), werden zudem Präferenzen für den Marktbesuch hervorgerufen. Überraschenderweise fielen hingegen die direkten Kaufhandlungen (finanzielle aktionale Wirkungen), genauso wie die aufkommenden Emotionen (affektive Wirkungen) nur in sehr geringer Stärke aus, da im Onlineshop wenig Umsatz erwirtschaftet wurde und bis auf ungerichtete Stimmungen keine Emotionalisierung der Besucher:innen nachweisbar war. Folglich löst der Onlineshop im Vorfeld des Events psychische Wirkungen aus, die die Zielgruppe zum Besuch des Events anregen und sich vor Ort in Kaufhandlungen oder anderen ökonomischen Wirkungen äußern, weist aber auch selber Umsätze auf, wenn er im Nachgang als Serviceangebot zur Abwicklung von Käufen in Anspruch genommen wird.
(Bild: Marie Lüno)
Voraussetzungen schaffen
Damit diese positiven Wirkungen erzielt werden können, gibt es seitens der Eventverantwortlichen allerdings einige notwendige Bedingungen zu erfüllen. So ist die Verknüpfung von Events mit dem E-Commerce in technischer als auch organisatorischer Hinsicht intensiv vorzubereiten. Dies umfasst u.a. das Vorhandensein von Produkten, die für den Onlinehandel geeignet sind, sowie die Kommunikation des digitalen Angebotes in Richtung der Eventzielgruppe. Darüber hinaus ist die Funktionalität des Onlineshops sicherzustellen, indem dessen Navigation unter Aspekten der Kundenfreundlichkeit überprüft wird. Um all diese Voraussetzungen zu erfüllen und gleichzeitig negative Wirkungen zu verhindern, müssen entsprechende finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen vorgehalten werden. Vorhandene digitale Kenntnisse seitens der Akteure sowie eine bereits bestehende digitale Infrastruktur können den Ressourcenaufwand jedoch nachweislich verringern und stellen damit hinreichende Bedingungen für eine Wirkungserzielung dar.
Wirkungsdeterminanten zunutze machen
Zusätzlich zu der Schaffung von Voraussetzungen für eine Wirkungserzielung haben die Eventanbieter und die teilnehmenden Unternehmen die Möglichkeit, den Wirkungsprozess in dessen Richtung, Länge und Stärke aktiv zu beeinflussen, indem die im Rahmen der Erhebung identifizierten Wirkungsdeterminanten entsprechend ausgestaltet werden.
Bereits durch die Integrationsform des Onlineshops können stärkere Wirkungen erzielt werden, wenn eine zentrale Plattform als Onlinemarktplatz mit produkt- und anbieterübergreifender Warenkorbfunktion eingerichtet wird als bei einer Verlinkung auf einzelne Shops. Dies ist mit dem Potenzial der Plattformökonomie zu begründen, die durch die verursachten Netzwerkeffekte und die effiziente Koordination mehrerer Anbieter den Eventbesucher:innen ein komfortables Einkaufserlebnis bietet und zum Stöbern anregt. Die Plattform sollte so gestaltet sein, dass eine multisensorische Ansprache und emotionale Stimulierung der Besucher:innen erfolgt, da dann im Unterbewusstsein größere Wirkungen hervorgerufen werden. Neben einer einfachen Navigation und einem übersichtlichen Aufbau des Shops schafft die Anlehnung an das Corporate Design des Events einen Wiedererkennungswert. Bei der Auswahl der auf der Plattform vertretenen Händler und Produkte ist darauf zu achten, dass diese das Angebot des Events vollständig abbilden und eine Vielzahl an Händlern im Onlineshop vertreten ist. Wichtig ist außerdem, dass es sich dabei um spezifische und eventtypische Produkte handelt, um sich von anderen Onlineshops abzugrenzen. Die Versandkosten dieser Produkte sollten niedrig angesetzt werden, um die Kaufabsicht der Besucher:innen zu begünstigen und mit einer schnellen Bestallabwicklung und Lieferung zu deren Zufriedenheit beizutragen.
Als externer Einflussfaktor auf die Stärke der zu erzielenden Wirkungen und um überhaupt auf das digitale Angebot aufmerksam zu machen, dienen begleitende Marketingmaßnahmen, die nicht nur das Live-Erlebnis des Events medial ausdehnen, sondern auch das virtuelle Einkaufserlebnis im Onlineshop. Diese müssen im Rahmen der integrierten Kommunikation inhaltlich, zeitlich und formal mit allen hybriden Eventaktivitäten und den damit verbundenen Marketingmaßnahmen abgestimmt werden, um ein konsistentes Erscheinungsbild des Eventobjektes zu vermitteln und zum Erlebnisempfinden beizutragen.
Ein weiterer Erfolgsfaktor besteht in der Anwendung ergänzender digitaler Tools im Rahmen eines Technologien-Mix. Hierfür werden von den Befragten QR-Codes vorgeschlagen, die eine Verbindung zwischen den Erlebniswelten schaffen, indem sie bei dem Event platziert werden können und die Eventbesucher:innen auf den Onlineshop leiten. Die vor Ort angesehenen Produkte lassen sich dann ganz leicht nach Hause liefern und das lästige Tragen der Einkäufe beim Eventbesuch wird vermieden. Aber auch umgekehrt ist die Reservierung von Produkten im Vorfeld via „Click and Collect“ möglich, die dann vor Ort noch einmal angesehen und ausprobiert werden können.
Da festgestellt werden konnte, dass Onlineshops im Vorfeld des Events psychische Kommunikationswirkungen auslösen und auch selber finanzielle aktionale Wirkungen aufweisen, wenn sie im Nachgang als Serviceangebot zur Abwicklung von Käufen in Anspruch genommen werden, können die Veranstalter die Länge der Wirkungen gezielt beeinflussen, wenn sie die Onlineschaltung des Shops über die Main-Eventphase bis hin in die Pre- und Post-Eventphase ausweiten. In der Pre-Eventphase unterstützt der Onlineshop das Teilnehmermanagement und den aktiven Dialog unter den Teilnehmer:innen, wenn er in den Einladungsprozess integriert wird und sich so Informationen über die Händler und die angebotenen Produkte abrufen lassen. In der Post-Eventphase, in der es darum geht, das Eventerlebnis und die Customer Journey auszudehnen, gelingt die verlängerte Wirkungserzielung zum Beispiel, indem mittels Rabattaktionen und Gutscheinen für den Onlineshop an das Event angeknüpft wird.
(Bild: Marie Lüno)
Verbindung schafft Synergien
Unternehmen, die im E-Commerce tätig sind, profitieren gleichermaßen von den Digitalisierungsbestrebungen der Eventbranche, sofern der Einbezug des Eventmarketings zielorientiert und strategiekonform erfolgt. Dadurch, dass der Onlinehandel als Vorbereitung und Unterstützung des Kaufes im stationären Handel dient, bietet die Beteiligung an Events nun auch die Möglichkeit, physisch mit den Kund:innen in Kontakt zu treten, die eigenen Produkte multisensorisch erlebbar zu machen und stationäre Abverkäufe zu realisieren, ohne dass dafür ein Ladenlokal betrieben werden muss. Aber auch die Online-Präsenz lässt sich verbessern, wenn der Onlineshop des Unternehmens in temporäre Eventmarktplätze integriert wird und dabei die Potenziale der Plattformökonomie ausnutzt, sodass Zusatzverkäufe aus den dort hervorgerufenen Erlebniskäufen resultieren.
Die Verbindung von Eventmarketing und E-Commerce schafft also Synergien und der integrierte Einsatz von Onlineshops bei hybriden Events erzeugt Wirkungsprozesse in allen Eventphasen. Dabei ist der Onlineshop vielfältig gestaltbar, in seiner Wirkung gezielt steuerbar und v.a. für individuelle Bedürfnisse einsetzbar, sodass er sich in das Angebot an digitalen Eventtools einfügt und der gesamten Event- und Live-Kommunikationsbranche Erfolgschancen offenbart.
Bewertung der Professur:
Für Messen ist sich die Branche einig: Reale Messen müssen digital verlängert werden. Frau Marie Lüno stellt erstmals die Frage, wie Live-Handelsevents digital verlängert werden können und untersucht dazu die Verbindung von Weihnachtsmärkten mit E-Commerce und Online-Plattformen. Ihre spannende Arbeit zeichnet sich durch eine theoretisch begründete Vorgehensweise und ein anspruchsvolles qualitatives Untersuchungsdesign aus, das alle relevanten Akteure von den Weihnachtsmarktveranstaltern über die Händler bis zu den Besuchern einschließt. Die erhobenen Daten werden inhaltsanalytisch ausgewertet und zu verallgemeinerbaren Ergebnissen zusammengeführt. Besonders wertvoll sind die gezielten Hinweise, die sie für die Eventpraxis im Handel ableiten kann.
Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, Studiengangsleiterin MBA Eventmarketing/Live Communication, TU Chemnitz
Über die Autorin:
Marie Lüno (24 Jahre) schloss an ihr duales Bachelorstudium im Bereich Event-, Messe- und Kongressmanagement das berufsbegleitende Masterstudium mit Schwerpunkt Eventmarketing und Live-Kommunikation am Weiterbildungsinstitut der Technischen Universität Chemnitz (TUCed) an und erwarb dort im Sommer 2021 den Master of Business Administration.
Die gebürtige Ruhrgebietlerin arbeitet seit 2016 im Veranstaltungsmanagement bei einer Gesellschaft für Standortmarketing, Stadtwerbung, Touristik und Zentrenmanagement und ist als Projektleitern für die strategische wie operative Planung und Durchführung von Public Events und Großveranstaltungen, insbesondere von Weihnachtsmärkten, tätig. Ihre Motivation zieht Marie Lüno aus außergewöhnlichen Projekten, wie zuletzt der 700 Jahrfeier Bochums und gibt als Ausbilderin und Gastdozentin ihre Leidenschaft für Events an den Branchennachwuchs weiter.
Hinweis der Redaktion:
Der Artikel basiert auf Literatur und Quellen, die in der vollständigen Masterarbeit einzusehen sind und deren explizite Nennung für die Veröffentlichung im Magazin vernachlässigt wurde.