Education: Gezielt Kompetenzen für Managementpositionen aufbauen
von Jessica Hartmann, Artikel aus dem Archiv
Auch Hochschulen beschäftigen sich vermehrt mit der Ausbildung des Eventnachwuchses, während der Bedarf weiter steigt. Fragt sich nur – brauchen wir solche Spezialstudiengänge? Prof. Dr. Gernot Gehrke und Prof. Dr. Isabelle Thilo, Dozenten Studiengang Veranstaltungsmanagement an der Hochschule Hannover im Interview!
[Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel stammt von August 2018]
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Frau Prof. Dr. Thilo, Herr Prof. Dr. Gehrke – warum muss man Eventmanagement heutzutage studieren?
Prof. Dr. Isabelle Thilo: Vielleicht sollte die Frage eher lauten: Warum sollte man es studieren? Um in der Branche zu arbeiten, muss man sicherlich nicht unbedingt studiert haben, denn es gibt ja seit langem bewährte Ausbildungsgänge in dem Bereich, die eine hohe Qualität aufweisen. Die große Anzahl der Auszubildenden spricht ja für sich.
Um auf unsere Ausgangsfrage zurückzukommen: Meiner Meinung nach sollte die Ausbildung an den Hochschulen über das Operative, die praktische Umsetzung hinausgehen, und gezielt das Wissen und die Kompetenzen aufbauen, die für Managementpositionen notwendig sind. Diese erlangt man zwar teilweise auch mit einer Ausbildung und entsprechender beruflicher Erfahrung, aber gerade in größeren Unternehmen – man denke beispielsweise an die großen Messegesellschaften – stößt man mit einem Ausbildungsabschluss sicherlich an Grenzen. Ob das berechtigt ist oder nicht, kann man diskutieren, aber vielfach ist es eben so. Und diese Tendenz verstärkt sich, je mehr die Akademisierung der Branche fortschreitet, je mehr Hochschulabsolventen im Veranstaltungsbereich auf den Arbeitsmarkt drängen.
Für uns Lehrende stellt sich daher ebenso die Frage: Welchen Mehrwert bietet ein Studium gegenüber einer Ausbildung? Unsere Antwort lautet: Wir wollen den Studierenden noch mal einen anderen Zugang zu den relevanten Themen bieten und beispielsweise darauf vorbereiten, wie man stetig neue kreative und strategisch fundierte Konzepte entwerfen und umsetzen kann.
Prof. Dr. Gernot Gehrke: Ich denke, dass ein Studium immer dann sinnvoll ist, wenn ein Feld eine solche Komplexität erreicht hat, dass es im Rahmen eines Studiums ausführlicher beleuchtet werden kann. Es gibt verschiedene Zugänge zu Veranstaltungen und wenn Sie sich anschauen, wie multifunktional Veranstaltungen mittlerweile sind und an wie vielen verschiedenen Stellen jemand eingesetzt werden kann, dann rechtfertigt das eine Beschäftigung im Rahmen eines Studiums. Das wird deutlich, wenn man die vielen Arten und Zielsetzungen von Veranstaltungen vergleicht: Zum Beispiel zwischen Marketing-Events und politischen Events, zwischen einem Mega-Event und einem lokalen Community-Event – da ist es überall wichtig, eine Zielsetzung zu entwickeln und ein Konzept, wie die Veranstaltung diesem Ziel als Kommunikationsmittel wirklich sinnvoll dienen kann. Meiner Meinung nach erfordert das den Zugang über ein Studium.
Hinzu kommt, dass die Komplexität des Veranstaltungsbereichs derart gewachsen ist, dass viele Themen in eine Ausbildung einfach nicht mehr reinpassen – die kann man sicherlich auch im Studium nicht vollständig abdecken, aber man kann einen anderen Zugang dazu geben und sich solchen innovativen und komplexen Inhalten anders annähern, sie reflektieren und in die Lehre einbeziehen.
Was wird in der Branche geforscht und wie läuft das ab?
Gehrke: Derzeit ist beispielweise Experience Design ein großes Thema, also die Frage, wie eine Veranstaltung zum Erlebnis wird. Es gibt in dem Bereich z. B. Forschungsprojekte, bei denen die Messebesucher eine 3D Brille und einen Voice Recorder bekommen und dann ihre Eindrücke des Messebesuchs beschreiben. Dabei wird deutlich, dass der Hauptgrund für das Event, der Teil den wir so sorgsam planen und konzipieren, für die Besucher oft gar nicht das Erlebnis darstellt. Ein gutes Beispiel dafür sind Festivals – da liegt das Erlebnis nicht darin, eine Band auf der Bühne zu sehen und dafür im Zelt zu schlafen, sondern die Leute kommen zum großen Teil auch, um Teil einer Gemeinschaft zu sein und um gemeinsam die Stimmung zu genießen.
Und genau das, nämlich die Frage, was für die Besucher das eigentliche Erlebnis und der Grund für ihr Kommen ist, wollen die Messeveranstalter momentan erforschen. Weil es eben nicht mehr reicht, Stände zu bauen und Produkte darzustellen. Man muss die Menschen einbinden, sie etwas machen lassen, sogenannte Ko-Kreationsprozesse stattfinden lassen. Solche Ansätze bekommen sie nur über die Forschung. Die Praxis fragt meiner Erfahrung nach immer mehr nach Forschungsergebnissen, denn sie stößt an Grenzen und investiert daher in Research, um solche Dinge herauszufinden.
Thilo: Zudem muss man darauf hinweisen, dass ein großer Teil der Forschung in diesem Bereich an Fachhochschulen stattfindet, die eben gleichzeitig forschungs- und anwendungsorientiert ausgerichtet sind. Zielsetzung dieser Forschung in dem Bereich ist anwendungsorientiert und soll einen Mehrwert für die Praxis bringen. Zumal viele Fragestellungen ja gerade aus dem Dialog mit der Praxis heraus entwickelt werden und so den Anstoß zu neuen Forschungsprojekten geben.
Versuchen Sie in Ihrem Studiengang auch, auf die Bedarfe der Praxis einzugehen – und wenn ja, wie?
Thilo: Ja, das berücksichtigen wir sehr stark. Der Studiengang Veranstaltungsmanagement war bis 2015 dual konzipiert und wurde zum Wintersemester 2015/16 auf einen Vollzeitstudiengang umgestellt. Das heißt, wir haben von jeher einen praxisnahen Zugang verfolgt. Durch die Umstellung, die sehr viele Vorteile mit sich brachte, haben Studierenden beispielsweise jetzt mehr Zeit und die Möglichkeit, sich tiefergehend mit bestimmten Themen zu befassen. Gleichzeitig versuchen wir, so viele Praxiselemente wie möglich zu integrieren, durch ein ganzes Praxissemester, mehrere curricular verankerte Praxisprojekte sowie Exkursionen zu Unternehmen, Veranstaltungen und Branchenmessen.
Gehrke: Mit Abschluss des 7. Semester endet unser Studium außerdem damit, dass die Studierenden neben ihrer wissenschaftlich orientierten Bachelorarbeit gleichzeitig zwei eigene Praxisprojekte in unterschiedlichen Wahlschwerpunkten komplett selbständig umsetzen müssen. Zusammen genommen mit den Beispielen, die Frau Prof. Dr. Thilo gerade genannt hat, bieten wir damit eine gute Berücksichtigung der Praxisthemen.
Wie stellen Sie die Lehrpläne zusammen, wie entscheiden Sie über die Themen und was ist darin letztlich wichtiger: Theorie oder Praxis?
Gehrke: Curricula-Entwicklung ist immer ein großes Thema. Das läuft wie folgt ab: Wenn man sich entscheidet, einen Studiengang anzubieten, wird dieser zunächst konzipiert und in den hochschulinternen Gremien vorgestellt. Hat das Konzept diese erfolgreich durchlaufen, wird eine Akkreditierungsagentur eingeladen, deren Kommission aus Akademikern anderer Hochschulen, Fachleuten aus der Praxis und auch Studierenden besteht. Diese besprechen dann vor Ort mit einem die Unterlagen, die man eingereicht hat. Und am Ende der Akkreditierung haben Sie dann ein fertig konzipiertes Studium mit einem hohen Qualitätsstandard. Dieser Prozess dient genau dazu, dass nur ein wirklich ausgereiftes Konzept umgesetzt wird. Alle sieben Jahre wird das Ganze dann im Rahmen der Re-Akkreditierung wieder einer Prüfung unterzogen.
Thilo: Im Vorfeld gab es zudem Diskussionsrunden und Umfragen mit Studierenden, um herauszufinden, was aus Sicht unserer Zielgruppe im Studium enthalten sein sollte.
Gehrke: Genau – für mich war die Begleitung der Re-Akkreditierung damals tatsächlich der Anlass, ein erstes großes Forschungsprojekt zu initiieren mit Fragebögen, Interviews, usw., um von allen Seiten zu erfahren, was sie für wichtig halten und was ihrer Meinung nach enthalten sein müsste. Anpassungen im Lehrplan können dann auch zwischendurch gemacht werden, die müssen nur den internen Weg durchlaufen und werden bei der nächsten Re-Akkreditierung mit der Agentur wieder zur Diskussion gestellt. Das ist wichtig, damit die Inhalte der Studiengänge sowie die Lehrmethoden aktuell bleiben und für eine Tätigkeit in der entsprechenden Branche befähigen.