Event-Branding: Wie entwickelt man eine Event Identity?
von Martina Courth, Artikel aus dem Archiv vom
Events benötigen ein Event-Branding, eine eigene Identität, die sich durch die gesamte Kommunikation zieht; von der Einladung über das Menü bis zur Bühnengestaltung. Und die die Veranstaltung von anderen abhebt. Wir erklären, wie eine eigene Event Identity die Markenbildung unterstützt.
Wenn ein Event wie ein zusammengewürfelter Haufen von Einzelmaßnahmen daherkommt, ist es für das Publikum schwierig, unterbewusst ein (positives) Gefühl für die Veranstaltung zu entwickeln. Eine durchdachte Event Identity bzw. ein Event-Branding mit einer stimmigen (grafischen) Kommunikation erzeugt dagegen einen Wiedererkennungsfaktor, ein Wohlbefinden.
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Kiriakoula Kremantzouli & Melanie Rosenauer von ItYt, einem Designbüro für Publikationen und Identitäten aus Hannover, haben sich auf die Entwicklung von Designsystemen, anwendbar für Digital und Print, spezialisiert.
Wie wichtig ist es, dass ein Event auch optisch eine eigene Identität vorweisen kann?
Kiriakoula Kremantzouli & Melanie Rosenauer: Sehr wichtig, denn sie kann so viel. Die gestalterische Identität von Events schafft Orientierung, transportiert Themen mit, belegt und interpretiert bekannte Räume und Locations neu, transportiert Gefühle, untermauert Wertigkeit, stellt Verbindungen her … die Liste ist lang.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine Event Identity entwickeln? Und welche Vorüberlegungen müssen auf Kundenseite bereits passieren?
Kremantzouli & Rosenauer: Für uns gibt nicht den einen Weg. Manchmal sind wir an der Entwicklung von Anfang an beteiligt und sitzen mit Kund:innen, Eventagentur und Technik vor einem weißen Blatt Papier, und manchmal kommen Kund:innen mit einem sehr dezidierten Briefing auf uns zu, dass konkrete Vorgaben und Wünsche für das Erscheinungsbild enthält. Wir arbeiten gerne mit beidem und natürlich auch mit allem dazwischen. Unsere langjährigen Kund:innen beziehen uns gerne von Anfang an mit ein, weil die Gestaltung und deren Übertragung auf Kommunikationsmittel und die Räume eigentlich alle Gewerke betrifft. Oftmals entstehen bei diesen Gesprächen auch erste Ideen.
Wenn wir eine Event Identity neu entwickeln, stimmen wir im ersten Schritt ganz konkret unsere Aufgaben ab. Wir klären Fragen wie: Wird es eine Event-Reihe oder nicht? Wer sind die Zielgruppen? Gibt es ein Thema oder erarbeiten wir gemeinsam eines? Was sind die Ziele? Welche Kommunikationsmittel soll es geben? Gibt es schon eine Location? Sollen bestehende Gestaltungsmittel wie z.B. Farben integriert werden? Etc.
Beispiele vom Lumix Festival 2020
Bild: Michael Matthey / HS Hannover
7. Lumixfestival: Mobile Ausstellung im Stadtraum
Bild: ItYt
Nach pandemiebedingter Absage des
physischen Festivals gab es eine von ItYt
gestaltete Onlineplattform.
Aus welchen (Unter-)Bestandteilen setzt sich eine Eventidentität zusammen?
Kremantzouli & Rosenauer: Die Bestandteile sind meist eine Wortmarke, ein Hauptmotiv und/oder eine Motivserie, Typografie und Farbe. Manchmal fügen wir noch eine sprachliche Ebene hinzu. Und dann kommt es darauf an, in welchem System wir diese Elemente zueinander führen, denn ein Event besitzt riesige Flächen und kleine Karten, digitale und analoge Kommunikationsmittel – und alle diese Dinge haben besondere Anforderungen.
Bei Event-Reihen entwickeln wir oftmals feste und variable Elemente. Feste Elemente sind meist die Wortmarke und manchmal auch die Typo und eine Hauptfarbe. Wir halten es für sinnvoll, mit den variablen Elementen dann im Weiteren immer wieder neu umzugehen, um Beziehungen zwischen Event-Themen aufzunehmen oder auch einen bestimmten Zeitgeist zu vermitteln.
Müssen Events zwingend analog eines etwaig existierenden Corporate Designs gestaltet werden?
Kremantzouli & Rosenauer: Nein, das denken wir nicht. Ein Event ist flüchtig. Oftmals steht ein bestimmtes Thema im Raum. Zudem soll die Gestaltung dazu beitragen, dass sich die Besucher:innen wohlfühlen und von einer bestimmten Ästhetik umgeben sind. Oder sie soll herausfordernd sein. Es werden also oftmals andere Ziele und Anforderungen verfolgt als bei der Gestaltung eines Corporate Designs.
Beispiele von der Media Night Hannover 2019
Bild: Kevin Münkel
Fahnen: Bildmarke kombiniert mit Bildebene
Bild: Kevin Münkel
Einlass außen: Pressewand mit Dolorian wie aus „Zurück in die Zukunft“. Der Countdown über dem Haupteingang bot gleichzeitig den Nutzen einer Signalisation aus der Ferne.
Bild: Kevin Münkel
Eingang und Akkreditierung innen: Bildmarke in Kombination mit Zitaten und Signalisation. Die Beklebungen wurden mit Schwarzlicht angeleuchtet.
Wirkt sich die optische Identität eines Events auch auf den Eventinhalt aus? Können hier Wechselbeziehungen entstehen – falls ja, inwiefern?
Kremantzouli & Rosenauer: Ja, sehr. Die bewusste Wahrnehmung folgt vielleicht dem Gespräch oder der Live-Band, aber die unbewusste Wahrnehmung ordnet Referenzen ein. Also, ist die Typo eher klassisch und erscheint luxuriös oder eher zeitgeistig? Welche inhaltlichen Ebenen werden mit den Motiven verknüpft?
Ein plakatives Beispiel ist in diesem Zusammenhang unser gestalterischer Beitrag bei der Media Night Hannover, einem Branchentreffpunkt der Medienszene mit Gästen aus Politik und Kultur. Das zuletzt umgesetzte Thema war, grob gesagt, digitale Zukunft. Den Kund:innen war es sehr wichtig, dieses Thema unterhaltsam und spielerisch zu vermitteln. Wir hatten dann die Idee, Zitate aus der Popkultur auf Sprach- und Bildebene in die Gestaltung zu integrieren und dies insofern zu überhöhen, als dass es sich um regelrechte Vintage-Zitate à la „Zurück in die Zukunft“ handeln sollte. In diesem Rahmen wurden von uns, der Eventagentur und der Technik die Location entsprechend gestaltet. Dabei handelte es sich um das Schloss Herrenhausen, also eine Location, die mit ihrer Architektur eigentlich das Gegenteil erzählt. Die visuelle Identität dieser Veranstaltung hat also in eine inhaltliche Richtung verwiesen und gleichzeitig eine bestimmte Stimmung mit generiert.
Ziel sei es, ganzheitliche und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln, so Ihr Credo. Wie lässt sich sicherstellen, dass bei der Entwicklung einer Event Identity noch genügend Gestaltungsspielraum für künftige Veranstaltungen inhärent ist?
Kremantzouli & Rosenauer: Wir planen diese Entwicklungsräume von vornherein mit ein. Wir arbeiten mit Designsystemen, die es uns, erlauben die Branding-Elemente wie ein Baukastensystem an die Anforderungen der einzelnen Kommunikationsmittel anzupassen. Innerhalb unserer Präsentationen zeigen wir auch konkret, wie sich das System weiterentwickeln kann anhand von gestalterischen und inhaltlichen Varianten. Je nach Aufgabe ist der Anteil der fixen Gestaltungsmittel groß oder gering. Weiterführend zeigen wir teilweise auch Anwendungsmöglichkeiten wie etwa Bewegtbild, die vielleicht noch gar nicht bei der aktuellen Planung zum Einsatz kommen sollen.
Das Lumix Festival verdeutlicht dabei gut die Möglichkeiten dieses Baukastenprinzips: Nachdem wir bereits alle Plakate in verschiedenen Formaten zur Ankündigung fertiggestellt hatten, wurde das Festival zunächst pandemiebedingt abgesagt. Das flexible Designsystem hat es uns in kürzester Zeit erlaubt, die Webseite zum eigentlichen Festival umzugestalten.