Eventausbildung an Hochschulen: Akademisierungswahn oder Kaderschmiede?
von Jessica Hartmann, Artikel aus dem Archiv
Abhängig vom Portal und den eingegebenen Stichworten lassen sich im Internet bis zu 57 Anbieter von Studiengängen mit Veranstaltungsbezug finden. Nicht alle davon sind seriös und führen tatsächlich zu einem akademischen Abschluss – deutlich wird aber, dass die Ausbildung des Nachwuchses in der Veranstaltungsbranche an den Hochschulen angekommen ist und sowohl Angebot als auch Nachfrage nach solchen Spezialstudiengängen steigen. Fragt sich nur – brauchen wir das?
Deutschland leide unter einem Akademisierungswahn, heißt es. Aber im Vergleich mit anderen Industrieländern würden bei uns zu wenige junge Menschen ein Studium absolvieren, wird dagegengehalten. Je nach Meinung haben wir derzeit also viel zu viele oder viel zu wenige Akademiker. Einerseits wird beklagt, dass jede noch so einfache Tätigkeit neuerdings im Rahmen eines Studiums angeboten werde, die jungen Menschen nur noch an die Hochschulen und Universitäten strömten, das Handwerk keinen Nachwuchs finde und all die überflüssigen Studierten den Haupt- und Mittelschülern die Jobs wegnähmen. Auf der anderen Seite heißt es, die einfachen Berufe würden ohnehin aussterben und wir müssten eigentlich noch viel mehr Akademiker ausbilden, denn nur diese verfügten über die Kompetenzen, die künftig gefragt sein werden. Die Wahrheit mag irgendwo in der Mitte liegen.
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Spezialisierte Studiengänge für jede denkbare Nische
Auch in der Veranstaltungsbranche geht der Trend in Richtung Akademisierung. Während früher hauptsächlich Betriebswirte und jede Menge Quereinsteiger das Veranstaltungsgeschäft aufgebaut haben, gibt es heute von Sport- über Hotel- und Tourismus- bis hin zu Medien-, Kommunikations- und Eventmanagement für so ziemlich jeden Bereich der Branche eine eigene Spezialisierung. Knackige Namen und spannende Fächer wie Eventpsychologie, Messedesign und Marketingkonzeption locken Absolventen an die zahlreichen staatlichen und privaten Hochschulen. Angesichts der großen Relevanz praktischer Erfahrung bei der Planung und Umsetzung von Veranstaltungen fragt man sich jedoch unweigerlich: Was bringt so ein Studium? Welchen Mehrwert hat eine akademische Ausbildung gegenüber der klassischen Berufsausbildung in einem solchen Feld? Wird hier möglicherweise „an der Praxis vorbei ausgebildet“, wie es auch den Universitäten in anderen Branchen von der Wirtschaft immer wieder vorgeworfen wird?
Solche und ähnliche Fragen wurden auch Anfang Juni 2018 auf dem „Event Education Symposium“ der Fakultät III (Medien, Information & Design) an der Hochschule Hannover diskutiert. Bei der von Studierenden im Rahmen curriculärer Praxisprojekte organisierten Veranstaltung beleuchteten Experten aus Lehre, Wissenschaft und Praxis in spannenden Keynotes und Podiumsdiskussionen Aspekte wie die Relevanz und inhaltliche Aufstellung der akademischen Eventausbildung, den Stand der wissenschaftlichen Forschung in der Branche sowie die Berücksichtigung von Trends und Forschungsergebnissen in der Lehre. Dabei wurde deutlich, dass die Veranstaltungsbranche längst über den Stand der puren Anwendung hinausgewachsen ist: Zwar finden viele Beobachtungen aus der Praxis immer noch im Nachhinein Einzug in Forschung und Lehre, doch geben diese oft auch den Anstoß für neue Fragestellungen und werden an den Hochschulen erst richtig weiterentwickelt. Trendforschung und Branchenentwicklung finden vielfach zunächst im akademischen Bereich statt, um Erkenntnisse zu generieren, die anschließend von der Praxis aufgenommen und umgesetzt werden.
Die akademische Verankerung fördert den Fortschritt in der Branche
Genau diese Komplexität rechtfertigt nach Ansicht der Teilnehmenden des Symposiums und der befragten Professoren auch die Existenz der zahlreichen Eventstudiengänge. Die Veranstaltungsbranche bringt ganz andere Anforderungen mit sich als beispielsweise Versicherungen, Banken oder Unternehmensberatung – Felder, auf die klassische Betriebswirtschaftsstudiengänge gern ausgerichtet werden. Die spezialisierten Studiengänge hingegen legen den Fokus von Anfang an auf die besonderen Bedürfnisse des Eventmarktes, ohne dabei die betriebswirtschaftliche Grundlagenausbildung außer Acht zu lassen. So können die Absolventen später problemlos auch in anderen Unternehmensbereichen eingesetzt werden. Ihr Spezialwissen in Verbindung mit der guten Kenntnis der Veranstaltungsbranche befähigt sie aber gleichzeitig dazu, in ihrem Kernbereich nicht nur anwendend, sondern auch kreierend und weiterentwickelnd tätig zu werden. Tatsächlich wird an den Hochschulen also keineswegs an der Praxis vorbei ausgebildet. Vielmehr leisten die zahlreichen Forschungsprojekte und wissenschaftlichen Arbeiten, die zumeist ohnehin in Kooperation mit der Praxis stattfinden, das, was im Tagesgeschäft sonst wegen des Mangels an Zeit, Geld oder Personal auf der Strecke bleibt: die Evaluierung, Nachprüfung und Weiterentwicklung von Erkenntnissen, die das Veranstaltungsmanagement weiter professionalisieren und somit die gesamte Branche voranbringen.
Vermittelt wird vor allem Methodenkompetenz
Allerdings dauert auch ein Bachelorstudium in der Regel nur drei bis dreieinhalb Jahre, sodass in dem begrenzten Zeitraum nicht einfach das gesamte Ausbildungswissen und zusätzlich die vertiefenden Kenntnisse für branchenspezifisches und wissenschaftliches Arbeiten vermittelt werden können. Vielmehr dienen die Studiengänge dazu, dem Nachwuchs Grundlagen und Methodenkompetenz beizubringen. Gelehrt werden daher betriebswirtschaftliche Fächer, einige Spezialkenntnisse über die Besonderheiten der Veranstaltungsbranche und ansonsten vorwiegend Skills in Projekt-, Selbst- und Zeitmanagement, also die Fähigkeit, das „Lernen zu lernen“ und bekanntes Wissen mittels Transferleistung auf neue Situationen zu übertragen. Für das inhaltliche Spezialwissen braucht es dann doch noch die Eigeninitiative der Studierenden, sich zu informieren und laufend weiterzubilden. Einblicke in branchenrelevante Themen und die praktische Anwendung bieten aber an so ziemlich allen Hochschulen die zahlreichen Projekte und Verknüpfungen mit der Praxis.
Vom realitätsfernen Elfenbeinturm sind die Eventstudiengänge also noch weit entfernt. Aufgrund der intensiven Verknüpfung von Forschung und Anwendung sind sie aber auch zwischen Quereinstieg aus der klassischen Betriebswirtschaft und Berufsausbildung zu Veranstaltungskaufmann und -frau keineswegs obsolet.
Warum sollte man Veranstaltungsmanagement studieren, welche Vorteile ziehen zukünftige Eventmanager daraus? Wir haben nachgefragt bei …