Nachhaltiger Baukasten

Eventmöbel aus Papier

Wie wäre es, wenn man Event- und Messemöbel künftig komplett aus in Garnform gebrachtem Papier herstellen könnte und damit aus einem Rohstoff, der lokal verfügbar, nachwachsend und recyclebar ist? Mehrere Partner aus Forschung und Wirtschaft haben hier bereits erste Prototypen geschaffen.

Sensorgarn
Sensorgarn (Bild: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf)

Nachhaltigkeit ist in nahezu allen Branchen ein wichtiges und entscheidendes Thema. Messen und temporäre Events verursachen große Mengen an Abfall, die branchenbedingt nicht vermeidbar sind. Die meist maßgefertigten Standbauten werden häufig nach der Veranstaltung oder im Eventbereich nach der letzten Veranstaltungsserie komplett entsorgt. Eine Weiterverwendung kann oft aufgrund der Anforderungen der Kunden bezüglich Aktualität, Einsatzzweck und Ziel der Veranstaltung nicht stattfinden. Häufig fehlen messe- und eventabgestimmte Recyclingkonzepte und die Möglichkeit, die einzelnen Komponenten sortenrein zu trennen, um sie nach der Nutzungsphase nachhaltig zu rezyklieren. Eine effiziente Nutzung und Verwertung der Rohstoffe stellen also in diesem Zusammenhang einen essenziellen Bestandteil der Produktentwicklung dar.

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Theke von PapierEvents
Theke von PapierEvents (Bild: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf)

In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt wurde diese Fragestellung vom Projektkonsortium für die Messe- und Eventbranche bearbeitet. Mit Papier wurde ein lokal verfügbarer und nachwachsender Rohstoff identifiziert, der die Basis für die neu entwickelten Event- und Messemöbel bildet. In Garnform gebracht, können die Papiergarne über den Strukturspulprozess zu verschiedensten Grundelementen verarbeitet werden, die eine innovative und völlig neue Formensprache zeigen. Diese bilden einen Baukasten, mit dem beispielsweise eine Theke, ein DIN-A1-Kundenstopper und ein Schauelement umgesetzt wurden.

Garnablage auf den Dorn an der Spulmaschine
Garnablage auf den Dorn an der Spulmaschine (Bild: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf)

Strukturspultechnologie – so funktioniert‘s

Die Strukturspultechnologie ist ein wirtschaftlicher textiler Herstellungsprozess für dreidimensionale Bauteile. Dabei wird das Garn präzise auf einem rotierenden Dornkörper abgelegt. Es sind hohe Produktionsgeschwindigkeiten und hohe Automatisierungsgrade möglich. Die Geometrie ist nicht auf zylindrische Körper begrenzt. Vielmehr kann eine Vielzahl an Geometrien umgesetzt werden. Nach dem Spulvorgang erfolgt in einer Konsolidierung die Fixierung der einzelnen Garne, so dass ein selbsttragendes Bauteil entsteht. Für die Fixierung wurde im Projekt ein stärkebasierter Klebstoff eingesetzt, der ebenfalls aus nachwachsenden und abbaubaren Rohstoffen besteht.

Alle entwickelten Grundelemente wurden bzgl. ihrer Rezyklierbarkeit untersucht. Die Wissenschaftler:innen am PMV nutzten hierfür die CEPI-Methode, welche ein neuer Standard in der Papierbranche ist. Diese Methode testet Produkte und deren Rezyklierbarkeit in Standard-Papierfabriken. In den Sortierungsstufen, die bei dieser Methode durchlaufen werden, fallen verschiedene Rückstände an. Diese werden untersucht, ebenso die Menge an klebrigen Bestandteilen. So können Produkte quantifiziert werden. Den für die Demonstratoren eingesetzten Grundelementen kann so eine positive mögliche Rezyklierbarkeit über den bekannten Altpapierweg bescheinigt werden. Exemplarisch ist in der nachfolgenden Abbildung ein Rezyklat-Papier aus sensorischen Papiergarnen zu sehen. Diese bestehen aus Papiergarnen, die helixförmig mit isoliertem Feinstdraht aus Kupfer umwunden sind.

So wurden gemeinschaftlich Grundelemente mit einem geringen Eigengewicht und gleichzeitig einer innovativen Optik erarbeitet, die nach der Nutzung demontiert und wiederverwendet oder im Falle eines Defekts über den konventionellen Altpapierweg entsorgt werden können.

Hergestelltes Papier aus rezykliertem sensorischen Papiergarn
Hergestelltes Papier aus rezykliertem sensorischen Papiergarn (Bild: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf)

 

Integrierte Sensorik ermöglicht interaktive Messestände

Sensorik- und Beleuchtungsfunktionen konnten ebenfalls umgesetzt werden. Die ebenfalls aus Papier bestehenden, speziell dafür entwickelten Garne sind dabei in die Bauteile integriert und erfassen Berührungen. Zusätzlich hat das PMV Papiere mit integrierter Sensorik hergestellt, die interaktive Messestände ermöglichen. Das erfasste Messsignal kann beispielsweise mit einer im Bauteilinneren platzierten LED-Leiste gekoppelt werden. Dadurch können interaktive Nutzererlebnisse ermöglicht werden. Durch die Beleuchtung einzelner oder mehrerer Elemente wird ein zusätzlicher Blickfang erzeugt.

Strukturgespulte Elemente aus Papiergarn mit Verbinderstück
Strukturgespulte Elemente aus Papiergarn mit Verbinderstück (Bild: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf)

Weniger Energie, mehr Recycling, nachwachsende Rohstoffe

Werden die eingesetzten Werkstoffe etwa mit bislang typischen Materialien wie Aluminiumprofilen verglichen, so überwiegen klare Vorteile: weniger Energieeinsatz in der Herstellung, großes Recyclingpotenzial, der Einsatz nachwachsender Grundwerkstoffe. Das Recycling von Aluminium ist zwar möglich, einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Lösung steht jedoch häufig die fehlende Sortenreinheit im Weg, was zu einer qualitativen Abwertung des Rohstoffs führt.

Die Projektergebnisse stellen die Weichen in Richtung nachhaltiger Messe- und Eventbau und bieten selbstverständlich die Möglichkeit, auf weitere Branchen und Produkte übertragen werden zu können.

 


Projektpartner mit ergänzenden Kompetenzen

In dem zweijährigen Forschungsprojekt ergänzen sich die Partner hervorragend: zwei Forschungseinrichtungen aus den Bereichen der Textiltechnik (Deutsche Institute für textil- und Faserforschung Denkendorf, DITF) und der Papierverarbeitung (Fachgebiet Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik der TU Darmstadt, PMV) liefern den nötigen wissenschaftlichen Input. Die GarnTec GmbH als Hersteller des Papiergarns zeigt dessen Potenziale, die Industriedesigner von quintessence design setzen wichtige Impulse hinsichtlich der Gesamtkonzeption, Gestaltung und von Detaillösungen. Die Rödig GmbH ist die Eventagentur, die alle Ideen und Konzepte für die Event- und Messebranche zusammenführt und bewertet.


Logo Deutsche Bundesstiftung Umwelt(Bild: DBU)Mehr Informationen zum Projekt und zu den Ergebnissen finden sich unter www.papierkonstruktion.de

 

 

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Eine super coole Idee! Bin seit etlichen Jahrzehnten der “Nachhaltigkeits-Fan”, lange bevor dieses Wort in aller Munde war!
    Es geht schon los mit den Papiertüten, in denen ich meine frische Bäckersemmel hole, die sich im Anschluß wunderbar als Tüten für Biomüll verwenden lassen! Nachhaltigkeit fängt bei uns selbst in jedem Haushalt an!

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