SISAME, das steht für SImulations for SAfety at Major Events. Das Projekt will zeigen, was eine Simulation für die Eventsicherheit hinsichtlich der Verknüpfung von Personenströmen auf dem Gelände mit den Verkehrsströmen des Umfeldes überhaupt leisten kann, aber auch, welches Wissen Nutzer:innen selbst mitbringen müssen.
(Bild: Shutterstock/Photobank.kiev.ua)
Der Einsatz von Simulationen zur Klärung einzelner Fragestellungen, aber auch zur Darstellung komplexer Zusammenhänge, hat sich in der Veranstaltungsbranche sowie in vielen anderen Kontexten, in denen es um die Sicherheit von Menschen(mengen) geht, durchgesetzt.
Aber so sehr der Einsatz von Simulationen inzwischen nahezu ein Standard geworden ist, so sehr müssen nach wie vor immer wieder die Möglichkeiten und die Grenzen von Simulationen betrachtet werden.
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Im Artikel „Mehr Veranstaltungssicherheit durch Fußgänger-Simulation“ hat sich EVENT PARTNER bereits mit den Möglichkeiten und Grenzen von Simulationen beschäftigt. Der Artikel kann hier gelesen werden.
Das Projekt SISAME
Auch das Forschungsprojekt SISAME hat sich u.a. mit den Fragen der Möglichkeiten und Grenzen von Simulationen auseinandergesetzt – zum einen im Kontext der Verknüpfung von Personenströmen auf dem Gelände mit den Verkehrsströmen des Umfeldes als auch im Hinblick auf das Wissen, das benötigt wird, Simulationen zu beauftragen, die grundlegenden Fragestellungen zu formulieren und die Ergebnisse zu bewerten.
Um diese Fragen zu beantworten, wurden im Rahmen des Projektes zum einen die Open-Source-Simulationswerkzeuge „JuPedSim“ für den Personenverkehr und „SUMO“ für den städtischen Verkehr qualitativ weiterentwickelt und gekoppelt, um ein ganzheitliches Bild von Personen- und Verkehrsströmen zu ermöglichen. Zum anderen wurde im Rahmen verschiedener Pilotseminare getestet, wie der grundsätzliche Wissensstand sowohl derjenigen ist, die Simulationen ausschreiben oder beauftragen, als auch derjenigen, die die Ergebnisse letztendlich bewerten sollen – mit dem Ziel, das notwendige Wissen in Schulungscurricula und E-Learning-Modulen zusammenzufassen und zur Verfügung zu stellen.
(Bild: Shutterstock/MikeDotta)
Die Pilotseminare
Die Pilotseminare wurden im Verlauf ständig an die jeweils aktuellen Ergebnisse angepasst: Stand im ersten Seminar noch die Frage nach der Möglichkeit einer „DIY-Simulation“ im Vordergrund – also die Frage, ob es möglich ist, einfache Tools zur Verfügung zu stellen, um zumindest kleinere Simulationen eigenständig realisieren zu können –, wurde die Fragestellung im Hinblick auf die Ergebnisse des Seminares im zweiten Seminar angepasst. Basierend auf der Feststellung, dass selbst bei einfachen Fragestellungen der Umfang der zu berücksichtigenden Faktoren und die vorbereitenden Arbeiten zu groß sind, als dass hieraus ein einfaches Anwendungstool entstehen könnte, wurde im zweiten Seminar der Fokus auf genau diese Faktoren gelegt.
Im Rahmen zahlreicher – zum Teil deutlich überspitzt programmierter – Anwendungsbeispiele wurde aufgezeigt, wie Fragestellungen an die Simulation formuliert und welche Eingabeinformationen hierzu gemacht werden müssen, um ein Ergebnis zu bekommen, das im Rahmen des Möglichen valide Ergebnisse im Hinblick auf die zu klärenden Fragen liefert. Insbesondere die Einflussfaktoren und die damit verbundenen Manipulationsmöglichkeiten wurden diskutiert. Während in den Übungen einige der Faktoren selbst von unerfahrenen Anwender:innen schnell entdeckt wurden (z.B. wenn ein haltender Shuttlebus innerhalb von Sekunden befüllt bzw. geleert wurde), mussten andere intensiv herausgearbeitet werden; z.B. die Anfahrtsgeschwindigkeiten von Bussen nach dem Halt an einer Ampel oder auch die relevanten Auswirkungen von zum Teil nur minimalen Änderungen der Gehgeschwindigkeit der Personen.
(Bild: SISAME)
Verständnis von Simulationen
In diesem Kontext wurde es von den Teilnehmenden auch als notwendig herausgearbeitet, das grundsätzliche Wissen über Simulationen zu verbessern – sei es in Bezug auf die Klassifizierung und häufig verwendete Begrifflichkeiten (z.B. mikroskopisch – makroskopischen, diskret – kontinuierlich oder deterministisch – stochastisch) oder auch in Bezug auf grundsätzliche Möglichkeiten und Grenzen der Programmierbarkeit.
Um das Verständnis von Simulationen zu verbessern, wurde auch die Notwendigkeit der Verbesserung des Wissens um die sogenannten Handrechenverfahren diskutiert und bestätigt. Das Verstehen und Anwenden grundsätzlicher Zusammenhänge, die mit „Zettel und Papier“ berechnet werden können, hilft nicht nur, grobe Einschätzungen treffen zu können, sondern auch, die Entscheidungsfindung für oder gegen eine Simulation zu stärken.
In diesem Zusammenhang wurde auch noch einmal deutlich, dass auch hier das Wissen um die Einflussfaktoren von Bedeutung ist: Vergisst man bei der Berechnung von Durchflusskapazitäten an Einlässen zum Beispiel, dass zwischen dem Startpunkt A (dem Standort der Person) und dem Kontrollpunkt B eine Wegstrecke zu bewältigen ist, so kann eine Simulation zwar helfen, diese Lücke aufzuzeigen, wichtiger wäre jedoch, dass bereits grundlegend das Wissen um die Notwendigkeit der Berücksichtigung verbessert werden würde.
Die im zweiten Pilotseminar herausgearbeiteten Inhalte wurden im Rahmen eines dritten Seminares in ein Curriculum überführt und im Hinblick auf Inhalte und Zeitaufwand validiert.
(Bild: SISAME)
Ergebnisse der Pilotseminare
Zusammengefasst haben sich in Bezug auf das notwendige Wissen im Kontext des Einsatzes von Simulationen folgende Ergebnisse ergeben:
- Bereits die Ausschreibung bzw. Beauftragung von Simulationen benötigt grundlegendes Wissen, um die richtige Simulation für den richtigen Anwendungsfall zu wählen. Auch muss bereits bei der Ausschreibung bzw. Beauftragung klar sein, welches Ziel erreicht bzw. welche Fragestellung beantwortet werden soll.
- Die tatsächliche Realisierung der Simulation benötigt sowohl umfangreiche Vorabinformationen als auch ein tiefgehendes Wissen über mögliche Einflussfaktoren. Nutzen die Personen nur Wege, oder betreten sie auch die nebenliegenden Wiesenflächen? Entspricht die Zusammensetzung der simulierten Personen einer „Normalverteilung“, und was bedeutet das eigentlich genau? Bewegen sich die Agenten unmittelbar auf den nächstgelegenen Ausgang zu, oder wird eine Form der Lenkung vorausgesetzt? Dies sind nur einige der Fragen, die beantwortet werden müssen bzw. deren Beantwortung z.B. im Begleitbericht zur Simulation auch verstanden werden muss.
- Umfangreiches Wissen wird auch bei der Bewertung der Ergebnisse benötigt. Was bedeutet es z.B. tatsächlich, wenn die Simulation aufzeigt, dass sich an einer Stelle Personendichten bis 6Pers/m2 über 3min ergeben? Ist dies „per se“ gefährlich? Oder zeigt es nur Handlungsbedarf (oder auch nicht?). Die Simulation zeigt nur, dass es – unter den gegebenen Faktoren – so ist, nicht aber, was die Konsequenz daraus ist – diese Entscheidung liegt beim Bewertenden.
Die Teilnehmenden aller Pilotseminare waren sich einig, dass Simulationen wichtige Hilfen sein können, dass dies aber nicht „von selbst“ funktioniert. Dieses Wissen muss gerade auch unerfahrenen Anwender:innen transportiert werden. Weder kann die Simulation eine Planung übernehmen, noch kann sie bewerten, ob etwas sicher ist oder nicht. Simulationen benötigen eine intensive Beschäftigung mit den Einflussfaktoren und das grundsätzliche Wissen um die Bedeutung dieser Einflussfaktoren – auch, um Manipulationen erkennen zu können.
Die im Rahmen der Pilotseminare erarbeiteten Wissensinhalte, Checklisten und Lerneinheiten finden sich auf der Projektseite www.sisame.de.
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