Die Relevanz von Sicherheit wächst auch innerhalb der Eventbranche. Welchen Einfluss insbesondere Terrorismus auf die Eventnachfrage hat und welche Chancen es gibt, dem entgegenzuwirken, hat Katharina Leest in ihrer MBA-Abschlussarbeit untersucht. Ein Überblick über die zentralen Management-Empfehlungen.
(Bild: Shutterstock / Lisandro Leyra)
Frühjahr 2020: Tausende Veranstaltungen werden aufgrund eines neuartigen Virus abgesagt. Es ist eine Frage der Sicherheit. Neben alltäglichen Risiken und Naturkatastrophen spielt vermehrt auch die Gefahrenabwehr terroristischer Bedrohungen eine Rolle für die Eventbranche. Doch blinder Aktionismus ist hier fehl am Platz. Denn wenn die steigende Notwendigkeit von Sicherheit auf das Bedürfnis nach Alltagsflucht aus der belastenden Realität trifft, kommt es zu Dissonanzeffekten, welche sich negativ auf die Verhaltensabsicht der Eventbesucher:innen auswirken können.
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Das potenzierte Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft steht in direktem Konflikt zur gesellschaftlich induzierten Erlebnisorientierung. Dieser Zielkonflikt eskaliert unmittelbar mit dem Auftreten einer subjektiv gesteigerten Risikobewertung – sei es nun durch einen direkten Vorfall, oder lediglich aufgrund einer erhöhten medialen Präsenz der potenziellen Bedrohung. Die Folgen dieser Eskalation können jedoch konträre Ausprägungen annehmen: Einerseits wird der Eventbesuch aufgrund von Angst vermieden, andererseits ist auch eine Art Trotzhaltung zu beobachten, welche auf Resilienz beruht und zu einem vermehrten Konsum erlebnisorientierter Angebote führt. Risikokultur trifft auf Risikomüdigkeit.
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Doch sowohl die Wahrnehmung als auch die Reaktion einzelner Individuen unterscheiden sich mitunter stark. Diese Heterogenität der Eventbesucher:innen erschwert die Intervention durch die Eventbranche. Zudem müssen eingesetzte Maßnahmen auch wirtschaftlich sein. Folglich kann nur ein zielgruppenspezifisches Gleichgewicht zwischen den Faktoren Sicherheit, Freiheit und Wirtschaftlichkeit zielführend sein. Doch mit welchen Maßnahmen lässt sich die Eventnachfrage in sicherheitspolitischen Krisenzeiten konkret aufrechterhalten?
Die Wissenschaft kennt hierzu bislang keine klare Antwort. Auf Grundlage einer multidisziplinären Herangehensweise und der darauf aufbauenden explorativen Erhebung in Form qualitativer leitfadenorientierter Interviews konnten jedoch Handlungsempfehlungen für Eventschaffende fixiert werden. Hierbei handelt es sich um allgemeingültige, jedoch keinesfalls starre Interventionsvorschläge, die individuell auf das jeweilige Eventformat adaptiert werden können.
Aufgrund der ermittelten Verschiedenartigkeit der Eventbesucher:innen, die auch eine heterogene Verhaltensreaktion mit sich bringt, spielt die Zielgruppenanalyse eine maßgebliche Rolle bei der gezielten Einflussnahme sowohl vor, während als auch nach dem Event. Obgleich die Verhaltensabsicht auf internen Stimuli basiert, haben auch externe Determinanten einen wechselseitigen Einfluss auf die Eventnachfrage. Betrachtet man diese kausalen Verhaltensmechanismen unter Einfluss einer terroristischen Bedrohungslage, kristallisieren sich zwei Interventionsansätze heraus: Einerseits die Schaffung von Resilienz, andererseits die Steigerung des Nutzwertes. Folglich sind sowohl die Befriedigung des Sicherheitsbedürfnis als auch des Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung maßgebliche Ansatzpunkte. Für die einzelnen Phasen eines Events ergeben sich darauf aufbauend verschiedene Zielstellungen. Weitere phasenübergreifende Maßnahmen sind zudem ein umfassendes Controlling sowie die nachhaltige Durchführung der im Folgenden aufgeführten externen Interventionsmaßnahmen.
Begriffserklärung
Resilienz
Die psychische Widerstandskraft im Zusammenhang mit Stress in Form von belastenden Ereignissen, wie z.B. die subjektive Bedrohung durch Terrorismus.
Benchmarking
Der strategische Vergleich zwischen Unternehmen mit dem Ziel, Potenziale aufzudecken.
Crowd Management
Die sicherheitsrelevante Steuerung großer Menschenmassen.
Flow-Erlebnis
Ein erstrebenswerter Zustand, der durch eine fähigkeitsbezogene, rückkoppelnde, zielgerichtete, störungsfreie und kontrollierbare Eventinszenierung entstehen kann.
Sicherheitsutopie
Der subjektiv positiv empfundene Anschein von absoluter Sicherheit, welcher real nie zu erreichen ist.
Chancen der Intervention im Rahmen des Pre-Events
Das Bedürfnis nach Erlebnissen kann durch die terroristische Bedrohungslage gehemmt sein. Maßnahmen im Vorfeld des Events sollten daher darauf ausgerichtet sein, hedonistische Bedürfnisse beim Rezipienten zu verstärken, Ängste zu minimieren und so die Verhaltensmotive in eine erlebnisorientierte Richtung zu verlagern. Dies erfolgt insbesondere durch kommunikationspolitische Maßnahmen. Durch den frühzeitigen Einsatz positiver Erlebnisanreize – wie beispielsweise die künstliche Verknappung des Ticketangebots, die Schaffung eines innovativen zielgruppenspezifischen Alleinstellungsmerkmals und den Einsatz von Storytelling im Rahmen der integrierten Kommunikation – können Veranstalter die Bedürfnisstruktur potenzieller Eventbesucher:innen beeinflussen. Auch der Einsatz von Meinungsführern, also die Nutzung von Influencer Marketing, kann in diesem Zusammenhang zielführend sein.
Um jedoch auch das Grundbedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen, ist die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes notwendig. Hierbei ist es sinnvoll, ein strategisches Benchmarking zu betreiben, damit eventuelle technische Neuerungen in das Konzept einfließen können. Eine vernetzte Zusammenarbeit aller Beteiligten – insbesondere auch mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst – ist unabdingbar. Zur positiven Beeinflussung der subjektiven Risikoeinschätzung bedarf es einer zielgerichteten Informationspolitik. Der Terminus „Terrorismus“ sollte hierbei unbedingt vermieden werden. Unmittelbar den/die Eventbesucher:in betreffende Sicherheitsmaßnahmen, wie z.B. Einlassbeschränkungen sollten direkt erfolgen. In keinem Fall sollte das Risiko verschwiegen oder heruntergespielt werden, da dies Vermeidungsverhalten begünstigt. Eine konkrete Maßnahme, um beispielsweise Menschenansammlungen zu vermeiden, ist ein getakteter Einlass durch zeitgebundene Tickets. Obgleich diese Form des Crowd Managements in Hinblick auf die Gefahr durch Terrorismus in erster Linie der Verkleinerung der Angriffsfläche potenzieller Angreifer sowie der Vermeidung von Panik dient, könnte eine solche Maßnahme auch in Zeiten von Corona zielführend sein. So können Ängste minimiert werden und der Eventbetrieb wieder aufleben.
(Bild: Shutterstock / NotionPic)
Chancen der Intervention während des Main-Events
Während des Events rücken die emotionsregulatorischen Elemente Aktivierung, Wohlbefinden und Dominanz in den Fokus. Letzteres bezieht sich auf die Aufmerksamkeitsverlagerung hin zum Erlebnisbedürfnis. Dieses Konglomerat ist maßgeblich für den Erlebniswert, der sich auch unmittelbar auf die zukünftige Verhaltensabsicht auswirkt. Es geht also insbesondere darum, erlebnisspezifische Maßnahmen umzusetzen und Zufriedenheit zu schaffen, indem Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen werden. Hierin sind Eventprofis wahre Meister:innen: Der Einsatz multisensualer Erlebnisreize und das Erzählen mitreißender Geschichten gehören zum Rüstzeug der Branche. Doch genau an dieser Stelle liegt die Krux: Eine Überaktivierung durch intensive Stimuli in Kombination mit dem ohnehin schon starken Reiz einer potenziell bedrohlichen Situation kann sich mitunter negativ auf das Erlebnis auswirken. Ein Mehr an Reizen ist nicht länger ein mehr an Erlebnis. Vielmehr muss unter Beachtung des Aktivierungsniveaus der Zielgruppe genau abgewogen werden, wie eine ausgewogene dramaturgische Konzeption aussehen kann, um trotz der negativen externen Stimuli ein Flow-Erlebnis heraufzubeschwören.
Hierbei ist insbesondere die Befriedigung physiologischer Bedürfnisse maßgeblich. Essen und Trinken, eine ausgewogene Mischung aus Aktivität und Erholung sowie eine angenehme Umgebungstemperatur sind wichtiger denn je. Es muss nicht länger die größte LED-Wand, dass coolste Werbegeschenk oder die große Feuerwerkshow sein. Das alles hat seine Daseinsberechtigung und kann unter Abwägung nach wie vor einen Mehrwert auf einer Veranstaltung darstellen. Doch damit sich Eventbesucher auch in Krisenzeiten wohlfühlen, sind die essenziellen Dinge wichtiger denn je.
Dazu gehört selbstverständlich auch das Thema Sicherheit. Auf die vielfältigen Maßnahmen, welche hinter den Kulissen ablaufen, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Viel interessanter sind die nach außen hin offen sichtbaren Sicherheitsmaßnahmen, wie Zutrittsbeschränkungen oder Überprüfungen durch das Sicherheitspersonal. Auch an dieser Stelle gilt: Viel hilft nicht unbedingt viel. Vielmehr sollten Sicherheitsmaßnahmen mit Bedacht und Augenmaß eingesetzt werden, um die Angst vor bedrohlichen Ereignissen nicht durch zu strenge Maßnahmen in den Fokus zu rücken, aber gleichzeitig auch eine Art Sicherheitsutopie zu suggerieren. Auch die aktive Einbindung von Eventbesucher:innen in das Sicherheitskonzept ist eine Möglichkeit, den Rezipienten ein Gefühl von Einflussnahme auf ihre eigene Sicherheit zu geben. Denn genau darum geht es sowohl im Zeitalter des Terrorismus als auch bei der Corona-Pandemie: ein zielgruppenspezifisches Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit herzustellen und dabei wirtschaftlich zu agieren. Eine schier unlösbare Aufgabe, die in erster Linie auf der genauen Kenntnis der eigenen Zielgruppe basiert.
Chancen der Intervention zum Post-Event
Im Nachgang eines Events sollten die während des Events durchgeführten Maßnahmen gefestigt werden, um die Eventnachfrage nachhaltig aufrechtzuerhalten. Beispielsweise kann dies ganz klassisch über Fotos und Videos geschehen, aber auch durch Medienberichte über Sicherheitsmaßnahmen und den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung. Während im Rahmen des Pre- und Main-Events in erster Linie eine emotionale Ansprache gefordert ist, bedarf es im Post-Event einer Kombination mit sachlichen Informationen. An dieser Stelle ist die Gefahr unmittelbarer Negativeffekte minimiert. Gleichsam wird das Vertrauen der Eventbesucher:innen in puncto Sicherheit bestärkt. Dies ist auch in Hinblick auf die Kosten relevant. Denn eine niedrige Kostentoleranz der Teilnehmenden geht gewöhnlich mit Zweifeln an der Wirksamkeit von Sicherheitsmaßnahmen oder aber dem Gefühl von Freiheitsbeschränkungen einher. Dieser wechselseitige Charakter stellt eine Chance dar: Eine spezifische Kommunikation und der durchdachte Einsatz von Sicherheitsmaßnahmen hat das Potenzial, auch die Zahlungsbereitschaft zu steigern.
Magisches Dreieck sichert den Eventerfolg
Die Eventbranche steht vor großen Herausforderungen. Das allgegenwärtige Wirtschaftlichkeitsgebot steht in Konflikt mit den oft teuren Sicherheitsmaßnahmen. Präsente Sicherheitsmaßnahmen schränken wiederum die Freiheit der Eventbesucher:innen ein und minimieren das Eventerlebnis. Das magische Dreieck aus Freiheit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit ist folglich der Schlüssel zur Aufrechterhaltung der Eventnachfrage im Zeitalter des Terrorismus, aber auch in Zeiten von Corona.
Bewertung der Professur:
Der Sicherheit von Events kommt seit Jahren eine wachsende Bedeutung zu. Terroristische Bedrohungen sind dabei ein wichtiger Aspekt, der Eventbesucher:innen verunsichert. Frau Katharina Leest geht in ihrer ambitionierten Arbeit den Wirkungen terroristischer Bedrohungen auf den Eventteilnehmenden aus wissenschaftlicher Sicht, insbesondere der Emotions- und Motivations- sowie der Terrorismusforschung, auf den Grund. Ihre Arbeit zeichnet sich durch eine theoretisch fundierte Vorgehensweise aus, auf deren Basis sie das Untersuchungsdesign einer Primärerhebung bei Eventbesuchern entwickelt, inhaltsanalytisch auswertet und zu spannenden Erkenntnissen führt. Besonders wertvoll: die gezielten Hinweise, die sie der Eventpraxis geben kann.
Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, Studiengangsleiterin MBA Eventmarketing/Live Communication TU Chemnitz
Das Buch
(Bild: Springer)
Die Thesis „Flucht nach Utopia – Events im Zeitalter der Angst“ wurde über Springer publiziert und kann als PDF unter https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-25098-0 oder als Softcover-Buch im Handel erworben werden.
Über die Autorin:
Katharina Leest, geboren und aufgewachsen im sächsischen Vogtland, erwarb 2018 den Master of Business Administration mit Schwerpunkt Eventmarketing und Live-Kommunikation am Weiterbildungsinstitut der Technischen Universität Chemnitz (TUCed). Mit ihrer Abschlussarbeit gewann sie den Deutschen Forschungspreis für Live Communication unter der Schirmherrschaft des FAMAB, auch der Fachverlag Springer Nature publizierte diese und zeichnete sie mit dem Prädikat „BestMasters“ aus.
Ihr Steckenpferd sieht die sowohl freiberuflich als auch in projektbezogenen Festanstellungen tätige Marketing- und Eventmanagerin in der erlebnisorientierten Konzeption. Bereits in der Vergangenheit als Fachautorin und Expertin tätig, gibt sie ihr Wissen seit diesem Jahr auch als Betreuerin an Masteranden weiter. Neuen Herausforderungen steht Katharina Leest aufgeschlossen gegenüber und freut sich über interessante Anfragen.
Hinweis der Redaktion:
Der Artikel basiert auf Literatur und Quellen, die in der vollständigen Masterthesis einzusehen sind und deren explizite Nennung für die Veröffentlichung im Magazin vernachlässigt wurde.