Gesichtserkennung in der Eventbranche

Gesichtserkennung für Marketing und Events: The next big thing?

Auf St. Pauli spricht aus einem Citylight heraus ein Comedian Passanten an. Frauen lädt er auf ein Bier ein, Männer schickt er weiter. Mit diesem interaktiven Coup für die Traditionsbiermarke Astra gewann die Hamburger Werbeagentur Philip & Keuntje 2015 diverse Kreativpreise. Das System erkannte per Gesichtserkennung die Anzahl und das Geschlecht der Passanten vor dem Citylight und spielte entsprechend passende Filmsequenzen aus. Was 2015 als kreative Einzellösung noch mit enormen Aufwänden verbunden war, wird heutzutage schleichend zur Normalität. Auch auf Events?

Die Gesichtserkennungssoftware analysiert die biometrischen Daten, das eigentliche Foto wird direkt im Anschluss gelöscht.
Die Gesichtserkennungssoftware analysiert die biometrischen Daten, das eigentliche Foto wird direkt im Anschluss gelöscht. (Bild: Pixabay.com)

Spätestens mit dem iPhone X, das serienmäßig biometrische Gesichtserkennung nutzt, hat die Technologie ihre Massentauglichkeit bewiesen, gleichzeitig werden beiläufig Berührungsängste und Vorbehalte gegenüber der Gesichtserkennung bei den Nutzern abgebaut. Parallel dazu wird in vielen Bereichen getestet, wie sich die Technologie im Marketingkontext einsetzen ließe: Am Londoner Picadilly Circus wurde am 26. Oktober 2017 ein 17,5 x 44,6 Meter großes LED Billboard in Betrieb genommen, das mit Gesichtserkennungssoftware ausgerüstet ist. Die Software erkennt das Alter und Geschlecht von Passanten genauso wie passierende Fahrzeugtypen oder das Wetter und wählt passende Werbebotschaften aus.

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Kleinformatiger testen die Deutsche Post und Real seit Mai 2017 in ihren Filialen Werbebildschirme, die mit Gesichtserkennungssoftware ausgestattet sind: Auch hier erkennt die Software Geschlecht und Alter der Kunden und zeigt passende Werbung: Automobile für mittelalte Männer, Kosmetika für junge Frauen. Nach heftiger Kritik von Datenschützern beendete Real den Testlauf, die Deutsche Post führt ihn fort. Noch gibt es deutliche Vorbehalte in Deutschland: In einer Umfrage halten es 76 Prozent „überhaupt nicht“ oder „eher nicht in Ordnung“, wenn in Geschäften Gesichtserkennungssoftware genutzt wird.

Vorteile beim Einlassmanagement

Aber auch im Eventbereich ist die Technologie angekommen: Seit einiger Zeit bietet die FastLane GmbH in Kooperation mit der Doo GmbH in Deutschland ein System zur Eingangskontrolle bei Veranstaltungen an, das Gesichtserkennung nutzt. Auf der Best of Events wurde das System erstmalig den deutschen Veranstaltungsplanern vorgestellt. Die Deutschlandpremiere des Systems im Einsatz fand am 8. März 2018 in Zusammenarbeit mit dem VDVO auf der ITB MICE Night in Berlin statt.

Warteschlange
Gesichtserkennungs-Software soll das Einlassmanagement vereinfachen. (Bild: Pixabay)

„Das System bietet zwei große Vorteile“, sagt Werner Schiffer, Consultant der FastLane GmbH. „Es kann den Registrierungsprozess gegenüber bisherigen Systemen deutlich beschleunigen, das ist vor allem bei Großveranstaltungen ein unschätzbarer Vorteil. Und: Das System erhöht die Sicherheit.“ Bei Veranstaltungen mit hohen Sicherheitsanforderungen könne über die Gesichtserkennung festgestellt werden, ob die Person am Eingang auch die angemeldete Person sei. Lästige Detailkontrollen würden so entfallen: „Deswegen wird das System bei Veranstaltungen mit hohen Sicherheitsanforderungen sicher bald zum Einsatz kommen.“ Für diese Prognose spricht, dass auch mehrere große Fluglinien aktuell daran arbeiten, ihre Boardingprozesse über Gates zu optimieren, die mit Gesichtserkennung ausgestattet sind.

Selfie
Ein Selfie oder ein LinkedIn-Profilbild reichen zur Registrierung aus. (Bild: Pexels.com)

Für Eventbesucher ist die Registrierung über Gesichtserkennung relativ einfach: Der Gast sendet bei der Anmeldung ein Portraitfoto, z.B. aus LinkedIn, oder auch ein Selfie an das System. Die Software errechnet daraus die biometrischen Daten, das Bild selbst wird sofort gelöscht. Am Einlass steht dann ein Registrierungskiosk mit Kamera. Die Kamera erfasst das Gesicht und gleicht es mit dem hinterlegten biometrischen Profil ab: Herzlich willkommen.

Customer Journeys analysieren

Michael Liebmann, Geschäftsführer der Doo Gmbh, sieht aber auch jenseits von Geschwindigkeit und Sicherheit große Potentiale: „Wenn wir die Gesichtserkennung am Einlass mit Session Tracking kombinieren, also an den Zugängen zu Teilveranstaltungen ebenfalls Kameras installieren, dann können wir komplette Visitor Journeys erstellen: Wer war wirklich da und wer hat sich für was interessiert? Zusammen mit unserem plattformbasierten Einladungsmanagement können wir die Zielgruppe so viel detaillierter verstehen – und passgenauer ansprechen.“

Gesichtserkennung
Neben der Einlasskontrolle via Facial Recognition werden auch weiterhin die gewohnten Einlasssysteme angeboten. (Bild: Fast Lane)

Die verschiedentlich gelesene Behauptung, Gesichtserkennungssoftware würde auch die Qualität einer Veranstaltung bewerten können, indem die emotionale Verfassung der Besucher ausgelesen wird, hält Michael Liebmann dagegen für Zukunftsmusik: „Aktuell kann keine Software wirklich verlässlich aus Gesichtern Emotionen ablesen“. Zwar stellte Dell mit „Quantified Crowd“ schon 2014 eine entsprechende Applikation im Rahmen des TEDx Amsterdam vor, es blieb aber bei einer einmaligen Anwendung. Die Software gab in Echtzeit Werte zu „Audience Response“ und „Attention Level“ aus und konnte so angeblich Rückschlüsse auf die Highlights der jeweiligen Präsentation schließen. Ob derlei Analysen wirkliche Mehrwerte produzieren, bleibt aber vorerst unklar und abzuwarten.

Die Akzeptanz der Besucher entscheidet

Für die beiden Innovatoren von FastLane und Doo sind momentan auch nicht zukünftige Möglichkeiten, sondern aktuelle Herausforderungen entscheidend, insbesondere die Akzeptanz der Technologie bei Veranstaltern und Gästen. Die Systeme seien so konstruiert, dass sie vollumfänglich dem neuen Datenschutzgesetz entsprächen, sagt Werner Schiffer. Das System speichere z.B. nicht die Bilder, sondern vergleiche nur die biometrischen Merkmale. Und auch diese würden sofort nach der Veranstaltung gelöscht. „Außerdem wird es alternativ auch immer andere Möglichkeiten der Anmeldung vor Ort geben.“ Beiden ist klar: Die Akzeptanz des Publikums ist entscheidend für den Erfolg der Gesichtserkennung am Einlass. Und so bleibt abzuwarten, ob die Technologie angenommen wird und in welchem Ausmaß sie sich im Eventbereich durchsetzt.

Gesichtserkennung
Voraussetzung für den Erfolg der Technik: Die Akzeptanz der Besucher. (Bild: Fast Lane)

Wer aber als Veranstaltungsgast auch in Zukunft nicht biometrisch erkannt werden will, dem sei der amerikanische Künstler Adam Harvey empfohlen. Seine Arbeit „CV Dazzle“ gibt wissenschaftlich fundierte Tipps, wie man durch den exaltierten Einsatz von Schminke und extravaganten Frisuren Gesichtserkennung unmöglich macht – und gleichzeitig zum Star jeder Party wird. Sollte man denn reinkommen.

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