Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war die Lichtshow eines der bestimmenden Elemente einer Inszenierung, in gestalterischer Hinsicht. Mittlerweile haben ihr Video, Mapping & Co. den Rang abgelaufen. Geht es nur noch um Marketing und Trends?
So jedenfalls die These des Showdesigners und freischaffenden Künstlers JoJo Tillmann. Die Bühne als Feld einer Technikschlacht. Die Auflösung von LED-Wänden ist mittlerweile bei unter 2 mm angekommen. Der nächste Trend? Vielleicht großflächige ultradünne OLED-Wände, die sich biegen lassen. Doch führt jede dieser technischen Entwicklungen auch zu einer guten Bühneninszenierung?
Anzeige
Was macht für Sie als Lichtdesigner Inszenierung aus?
Ich war vor einigen Jahren bei einer Autoshow in Genf und bin dort während des Aufbaus ein wenig durch die Hallen gelaufen, zu einem Zeitpunkt, als die Messestände noch nicht verkleidet waren. Überall waren noch die Kabel und Leuchtmittel zu sehen. Das waren für mich Installationen mit viel Charme – eigentlich grob, aber auch eigenwillig und provozierend, das gefiel mir sehr gut. Als die Stände später verkleidet waren, sah alles konfektioniert und glatt aus.
So versuche ich immer wieder, von einer anderen Seite auf die Dinge zu sehen, und damit auch mal entgegen technischer und gestalterischer Strömungen zu inszenieren. Das finde ich spannend!
Seit einiger Zeit werden auf Messen ja überall LED-Wände hingehängt … reicht das als „Inszenierungsmittel“?
Vermutlich nicht, denn es geht wohl vielmehr um die Demonstration von Stärke durch den Einsatz von besonders neuer, besonders großer und natürlich auch besonders teurer Technik. Aber das hat natürlich im Umkehrschluss nichts mit einer guten Inszenierung zu tun. Ein Auftritt kann perfekt sein mit einer riesigen LED-Wand, aber eben auch ohne.
Wenn die Idee dahinter fehlt.
Ganz genau, es ist alles eine Frage der guten Idee. Ich bin sicher, dass man eine absolut spannende Inszenierung durchaus mit älterem Material machen kann. Weil Inhalte doch am Ende oft mehr zählen als allein die technische Qualität eines Produktes. Es scheint, als ob gerade bei Industrie-Events die Meinung verbreitet ist, dass in immer neuen Techniken und deren Beherrschbarkeit die Zukunft des Inszenierens liegt. Wenn ich aber ein System beherrsche, dann heißt das für mich nur, dass es technisch funktioniert, aber nicht, dass auch die Inszenierung gelingt.
Am Ende kommt es doch aber darauf an, ob es den Eventgästen gefällt.
Den Gästen, aber natürlich auch den Auftraggebern. Aber eine allgemein gültige Formel, was richtiges oder falsches Inszenieren ist, die gibt es in meinen Augen nicht. Da spielen zu viele individuelle Faktoren eine Rolle. Und ich folge meiner Intuition. Licht kann man bei Events für sich alleine genommen keine große Bedeutung zumessen, denn es kann sich nur im perfekten Zusammenspiel mit Ton, Akteuren und Video entfalten. Das hat sich übrigens grundlegend geändert, denn in der Vor-LED Zeit hatte Licht wesentlich mehr Bedeutung. Heute liegt der inhaltliche Schwerpunkt hauptsächlich in den Videobildern. Was bei den meisten Inszenierungen aber immer noch fehlt, ist Zeit. Und was bedeutet es, wenn man zu wenig Zeit hat? Man setzt aufs Verlässliche, auf das, was immer funktioniert, und man geht – gerade beim Licht – den routinierten Weg. Was dann am Schluss zu den immer gleichen Bildern führt.
Und wie kann man damit brechen, auch wenn man wenig Zeit hat?
Indem man es wagt, trotz Zeitdruck seine Routinen im Bezug auf Gestaltung über Bord zu schmeißen. Dazu braucht man zum einen Mut, aber mit Sicherheit auch wiederum Erfahrung, und – auch wenn es paradox klingt – Routine im Umgang mit der Technik. Es ist schwer, die gewohnten Pfade zu verlassen, v. a. wenn man sich mit einer Flut an überperfekten Inszenierungen und einem verwöhnten Publikum konfrontiert sieht. Aber man kann etwas gelassener werden, wenn man durchschaut, wie viele Konzepte nur auf den ersten Blick beeindruckend, und auf den zweiten dann doch nur eine Wiederholung sind.
Wäre es nicht wünschenswert, dass ein Gast ein Event mit einem bleibenden Eindruck verlässt?
Absolut. Das wäre natürlich perfekt. Aber dazu muss dann alles stimmen: Der Auftritt, aber eben auch das Entrée, freundliche Mitarbeiter, ein guter Moderator auf der Bühne, die Bewirtung – eine unaufdringliche Professionalität in allen Belangen. Und dann vielleicht eben diese etwas andere Inszenierung, die Show, die eben nicht ganz so ist wie alle anderen.
Was bleibt da noch als Job eines Lichtdesigners übrig?
Sehr viel, denn es bleibt ja der Job des Lichtdesigners, dieser eine perfekte Faktor der Inszenierung zu sein. Bei Industrieveranstaltungen kommen natürlich auch noch viel Kommunikation und so eine Art Lichtregie dazu. Die Veranstaltung zu verstehen, mögliche Fehler auszuschließen, flexibel zu reagieren, wenn der Redner z. B. nicht direkt zum Rednerpult geht, sondern woanders hin. Der Lichtdesigner hat dazu in meinen Augen auch immer die Aufgabe, kamerataugliches Licht zu machen, was eine ganz eigene Disziplin ist. Ein Licht zu machen, das live und genauso in der Übertragung gute Bilder liefern kann. Eine weitere Aufgabe liegt in der Kontrolle, ob die Show sauber programmiert ist. Und ich habe als Lichtregisseur die Aufgabe, entlastend auf den Regisseur, der für die Inhalte steht, zu wirken. Für ihn soll ganz klar sein, dass er sich nicht ums Licht kümmern muss.
Wie ist da Ihre Vorgehensweise?
Ich versuche zunächst, alle Bereiche entsprechend zu bearbeiten. Der erste Schritt beginnt oft dann, wenn ich die Halle betrete. Welche Elemente sollten durch Illuminierung hervorgehoben werden? Manchmal stelle ich mir schon an diesem Punkt die Frage, wie man es normal machen würde – und wo vielleicht der ganz andere Weg liegen könnte. Also ein bisschen so, als wenn man sich morgens einfach mal mit der linken Hand die Zähne putzt. Und dann hinterfrage ich auch immer die Machbarkeit: Kann ich es so beleuchten, dass es cool aussieht und funktioniert? So herum ziehe ich das auf. Ein wichtiges Mittel ist dabei auch, mit Schwärzen zu arbeiten: Dunkelheit ist ein wunderbares Inszenierungsmittel. Blackouts zu einer bestimmten Zeit im Konzert sind sensationell.
Generell sind mir Industrieveranstaltungen oftmals zu hell, zu aggressiv aufgrund des Equipments und zu viel Masse. Insbesondere auf Messen ist das ein Prozess, immer heller als die Mitbewerber zu sein. Das hat ungewöhnliche Folgen: Ich habe schon gesehen, dass Gäste von den bevorzugt verwendeten Tageslichtscheinwerfern Sonnenbrand bekommen haben, oder einfach umgefallen sind. Man leuchtet sicherlich die Automobile hübsch aus, sondert aber ebenso massenhaft UV-Licht ab. Wenn zusätzlich noch ein weißer Boden vorhanden ist, dann ist das schon ein bisschen irre.
Wie kann man aus dieser Spirale herauskommen?
Auch wieder mit Mut zur Nonkonformität. Und durch Reflektion. Indem wir uns die Frage stellen: Wie sind wir dort hineingekommen?
Durch die Möglichkeiten der technischen Entwicklung.
Genau. Es ging los mit der ersten großen, mir bekannten LED-Videowand 1997 bei der „Popmart“-Tour der Band U2. Danach wollten alle Videowände haben. Dann kamen neue Möglichkeiten durch günstigere Fertigung in China. Das Ganze wurde irgendwann in den Bühnenbildern etabliert, im Fernsehen, und jetzt ist es einfach nicht mehr wegzudenken. Menschen folgen nun mal Technologien – und das nicht zu unrecht. Aber vielleicht sollte man manchmal einen Moment inne halten und den eigenen Weg hinterfragen.
Was ist Ihrer Meinung nach ein Beispiel für eine gelungene Inszenierung?
Eine der tollsten Shows stammt von der Band Deichkind. Die Inszenierung ist auf der einen Seite total durchdacht, hat spannende Elemente wie fahrbare Objekte. Licht ist bewusst nur ein Bestandteil von vielen. Auf der anderen Seite lebt die Show durch die Leute auf der Bühne und ihre anarchischen Ideen, etwa Kostüme aus Handys. Das ist spannend. Und das hat den Mut, den viele sich nicht erlauben.