Gamification-Software auf dem ESB 360°-Entertainment-Kongress
Kippdata: Mit Mathematik ins Eventgeschäft
von Daniel Tschudy, Artikel aus dem Archiv vom
Von Mathematik und Informationstechnologie zu Veranstaltungswesen, Firmenevents und Entertainment – die Erfolgsgeschichte des IT-Dienstleisters Kippdata gipfelte kürzlich im Einsatz des „placeit EventTokenizers“, der Besucherlenkung mittels Gamification auf Events möglich macht.
Anzeige
Eingerahmt von den Schweizer Bergen im Hintergrund tritt Sven Maurmann ein bisschen wie ein Professor auf. Er studierte ja auch Mathematik und Informationstechnologie. Zahlen und Fakten waren immer seine Stärke. „Ich hinterfragte jeweils alle Abläufe – und sich Dinge auszudenken, macht einfach Riesenspaß“, erinnert sich Maurmann an seine Anfänge in Bonn. Heute arbeitet er sich mit seiner inhabergeführten KMU Kippdata in eine Branche rein, die eigentlich so gar nicht die seine ist: Veranstaltungswesen, Firmenevents und Entertainment. „In den vergangenen 25 Jahren bedienten wir mittelständische Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und Konzerne mit diversen IT-Dienstleistungen; ein ruhiges und sich wiederholendes Geschäft. Da hat uns – wir dürfen von Glück reden – auch die Pandemie nicht viel anhaben können. Nun bewegen wir uns in einem schnellen und volatilen Business-Sektor, der zudem in den vergangenen zwei Jahren richtig durchgeschüttelt wurde.“
Auch weil das Stammgeschäft zuverlässig lief – die Kippdata GmbH beschäftigt etwa 20 Angestellte und erwirtschaftete vor der Pandemie jährlich rund 4,5 Millionen Euro – konnte sich der Tüftler Maurmann immer wieder mit neuen Ideen beschäftigen. Früh dachte er beispielsweise an E-Commerce-Applikationen, aber da war er dann tatsächlich noch zu früh. Dann entwickelte er 2010/2011 eine Art „Google Maps“, motiviert vom Ferienort Arosa, den die Familie Maurmann regelmäßig besucht. Die Idee war, dass Touristen über die Website oder erste Apps Zugang zu Bars, Restaurants und Läden finden sollten. „Es war eine Reaktion auf eine Kundenanfrage und wir wollten diese Dienstleistung dann als Destination Management verkaufen. Wir dachten, Beispiel Arosa, dass alle Leistungsträger unbedingt auf unsere Plattform kommen würden, aber irgendwie funktionierte das nicht – noch nicht. Es fehlte die notwendige Dynamik, vielleicht konnten wir auch die Verkaufsstory nicht richtig formulieren“.
Relaunch nach Tiefschlaf
Das Startup-Projekt lag dann einige Jahre brach, bevor es ab 2017 unter neuem Namen und mit anderem Approach wieder aufgegriffen wurde. Im Team wurde die Software durchdiskutiert und gemeinsam evaluiert, wo man damit sinnvoll und erfolgversprechend auftreten könnte. Man war sich einig, dass man in einem kleinen und überschaubaren Kundenkreis beginnen sollte. Ein Mitarbeitender, der selbst Triathlon betrieb, schlug die Sportbranche vor und Kippdata war dann plötzlich, binnen Jahresfrist, bei den großen deutschen Triathlons und Marathons dabei.
Sven Maurmann stellte bald fest, dass die Kunden, also die Veranstalter, verkaufsfördernde Aktionen wünschten und die Teilnehmenden allerlei Daten und vor allem geografische Informationen benötigten, wie Anreise, Einschreibung, Umkleideort oder Laufroute. Bald war man mit der Deutschland-Tour auch im Fahrradsport. „Wir verkauften teilnehmerabhängige Pauschalpreise und boten den Sponsoren und Eventpartnern an, sich auf unserer Software zu zeigen. Ab da arbeiteten wir auch mit ESB in St. Gallen zusammen, welche uns ihr Know-how betreffend Einbindung von Sponsoren brachten.“
Das ESB Branchen-Netzwerk:
ESB, im schweizerischen St. Gallen ansässig, organisiert Kongresse und Weiterbildung in den Geschäftsbereichen Sport, Unterhaltung und Marketing. Zentrales Element ist ihr Partnernetzwerk, das rund 550 Unternehmen, Agenturen, Dienstleister und Profivereine zusammenfasst, auch aus Deutschland. Das Geschäftsmodell beinhaltet neben der Vermittlung von Know-how auch die Vernetzung zu Kontakten im Sponsoring und Eventmarketing. Hans-Willy Brockes gründete das Unternehmen vor bald dreißig Jahren und führt das ESB Marketing Netzwerk auch heute noch. Die Ende März dieses Jahres in Andermatt durchgeführte Veranstaltung „360° Entertainment“ ist der größte Schweizer Branchentreff im Entertainment-Sektor.
Mit vollen Büchern in die Krise
2020 sollte für Kippdata und das mittlerweile „placeit“ genannte Produkt ein absolutes Erfolgsjahr werden, aber dann kam wie für alle die große Pandemie. Immerhin konnten Maurmann und sein Team wenigstens in der Schweiz noch Aufträge ausführen, denn dort war man praktisch über die ganze Coronazeit hindurch mit den Maßnahmen etwas flexibler unterwegs. „So durften wir uns beispielsweise im Dezember 2020 in Arosa am FIS Skiweltcup-Finale mit einem Subsystem zum Thema Kontakt-Tracing engagieren. Alle Gäste trugen einen RFID-Tag auf sich, also ein Lesegerät mit elektromagnetischer Kopplung. So erhielten wir genaue Daten darüber, wo sich welche Person aufhielt. Und das wurde dann tatsächlich auch relevant, denn eine Person trug das Virus in sich und die FIS wollte dann von uns wissen, mit wem diese Person in Kontakt stand. Wir konnten abliefern.“
Die ESB-Veranstaltung Ende März 2022 in Andermatt stand dann nicht nur im Zeichen einer Branche, die sich endlich wieder frei und interaktiv bewegen konnte, sondern auch im Zeichen von Sven Maurmann und seinem Team. Den über dreihundert Fachleuten stellten sie nicht nur ihre Software vor, sondern wendeten diese im Format des „placeit EventTokenizers“, kurz PET genannt, auch direkt an. PET ist eine mobile Anwendung, die den Teilnehmenden als Webapp oder als „Native App“ bereitgestellt wird.
Besucherlenkung mittels Gamification
Über PET werden Tokens, also eine Art Wertmarken, eingesetzt, um die Besucherlenkung auf Veranstaltungen oder Messen zu unterstützen. Damit kann beispielsweise unnötiges Anstehen verhindert oder die Gäste dezentral zu verschiedenen Kaffeepausen gelenkt werden. Es gibt auch andere Ansätze, beispielsweise gewinnt Tokens, wer statt allein im Auto mit dem öffentlichen Verkehr angereist ist oder wer pünktlich zu den jeweiligen Kongress-Sessions erscheint. Die Tokens werden mittels QR-Codes an neuralgischen Stellen im Tagungszentrum eingesammelt und je mehr Tokens man hat, desto höher ist die Chance, einen Preis zu gewinnen.
Es ist eine spielerische Art, die Besucher:innen einerseits innerhalb der gewünschten Laufrouten zu halten und andererseits diese mit Sponsoren zu verbinden, die dann für die gesammelten Tokens Preise verschenken. Mag sein, dass sich die älteren Jahrgänge weniger mit solchen Spielereien beschäftigen wollen, in Andermatt spielten jedoch rund die Hälfte aller Branchenfachleute mit.
Natürlich spielt Datenschutz eine wichtige Rolle und Kippdata kann diesen, je nach Auftrag und nationaler Gesetzgebung, stärker oder schwächer berücksichtigen. In der Schweiz ist der Datenschutz weniger heikel als in Deutschland. So wurden in Andermatt beispielsweise die Teilnehmerlisten frei aufgelegt. Zwar ohne Telefonnummer und E-Mail-Adressen, aber dennoch mit vollem Namen und dem Arbeitgeber. Die Applikation placeit kann flexibel genutzt werden: entweder komplett anonymisiert, mit limitierten Personendaten oder offen personalisiert, falls die Teilnehmenden sich explizit dafür aussprechen. Tatsache ist, PET lieferte dem Veranstalter in Andermatt wertvolle Daten zum Kundenverhalten, deren Analysen beeinflussen, wie man künftige Kongresse aufstellen will. Interessanter wird es natürlich, wenn beispielsweise eine Destination oder ein Kongresszentrum über eine ganze Saison hinweg bei allen Gästen Daten sammelt, eben mit diesen spielerischen Ansätzen, um damit das komplette Kundenverhalten besser kennenzulernen.
Gute MICE-Nachfrage
Sven Maurmann zeigte sich in Andermatt begeistert: „Dieses Jahr arbeiten wir an weit über 50 Aufträgen, sei es nur mit einer Bereitstellung der Plattform oder indem wir im Projekt aktiv involviert sind. Der klassische IT-Bereich gibt uns eine Art Grundsicherheit über das ganze Jahr, mit placeit bedienen wir punktuelle Events analog der saisonalen MICE-Nachfrage. Dieser Bereich kreiert auf Dauer den Umsatz mit dem höchsten Revenue. Zwar generieren wir mit placeit gerade mal knapp 10 % des Firmenumsatzes, aber es benötigt weniger Aufwand und so sind die Margen interessanter als beim personalintensiven IT-Unterhalt.“