Die großen Herausforderungen der Eventbranche

Live-Kommunikation 2020: Die Eventbranche der Zukunft

Wie müssen sich Agenturen aufstellen, um auch noch in zehn Jahren erfolgreich zu sein? Unter dem Motto “Agentur 2020” sind FAMAB- und ISES-Mitglieder der Einladung von Atout France gefolgt und haben sich in Monaco dieser Frage gestellt!

Das Diskussions-Team von FAMABR

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Die Agenturvertreter sehen sich heute im Spannungsfeld zwischen Globalisierung, Compliance und steigender Macht von Einkäufern. „Was uns hilft, ist einhundertprozentige Transparenz in dem, was wir tun und wie wir es tun“, so eine der Kernaussagen der Runde. An der Diskussion um Live-Kommunikation nahmen Thomas Lenz von LENZevents aus Kassel, Rosemarie Merlo Pompenig von Raising Stones Events aus Monaco, Stefan Rössle von Kontrapunkt aus Hamburg, Christian Seidenstücker von JOKE Event aus Bremen und Jan Kalbfleisch vom FAMAB teil. Moderiert wurde die Runde von Uta Goretzky, ehemals stellv. Geschäftsführung FAMAB, mittlerweile bei IFES ASBL als Executive Director tätig.

Welches sind die großen Herausforderungen, denen sich die Live-Kommunikationsbranche in den nächsten Jahren gegenübersieht?

Christian Seidenstücker: Wir unterliegen mehreren parallelen Einflüssen, was insbesondere an unterschiedlichen Kundensegmenten liegt. Beispielsweise sind da die Konzerne, die immer globaler agieren und in ihren Verhaltensweisen immer „amerikanischer“ werden. Das bedeutet vor allem härtere Compliance-Regeln und eine stärkere Macht des Einkaufs. Unsere Herausforderung besteht jetzt vor allem darin, unseren Added Value darzustellen. Dieser ist aber nicht nur in blanken Zahlen zu messen. Der Added Value von Live-Kommunikations-Agenturen lässt sich nicht in Euro und Cent beziffern.

Stefan Rössle: Es gibt ein Spannungsfeld des „Wie nehmen uns unsere Kunden im Markt wahr?“. Sehen sie uns als geschätzten Partner oder nur als ein nett zu habendes Add-on? Mit dieser Fragestellung ist unmittelbar die Bereitschaft verbunden, uns, die Agenturen der Live-Kommunikation, angemessen zu honorieren. Meiner Ansicht nach müssen wir den Kunden mit der entsprechenden selbstbewussten Haltung des fachkompetenten Beraters entgegentreten. Diese brauchen uns, weil sie aus der internen Sicht selbst nicht so gute, erfolgreiche Konzepte entwickeln können oder auch weil der Marketingverantwortliche selbst nicht die Stimme im Unternehmen hat, um das Projekt ins Unternehmen hinein zu verkaufen.

Gibt es diese Tendenz, reine Beratungsleistungen von Agenturen abzufordern, verstärkt oder ist das nur die Haltung einiger weniger Kunden?

Christian Seidenstücker: Wenn sich Agenturen als Berater klar positionieren und nicht nur als Umsetzer, dann gibt es dafür auch eine Nachfrage. Nur wird an dieser Stelle leider das Unvermögen einiger Agenturen offensichtlich, die ihren eigenen USP nicht benennen können. Da muss sich die Branche einfach selbstkritisch fragen: „Warum bekommen wir es nicht hin, unseren USP und Added Value auf den Punkt zu bringen?“

Christian Seidenstücker
Christian Seidenstücker, Joke Event (Bild: Jörg Küster)

Stefan Rössle: Ich sehe das ähnlich. Jeder muss sehen, wo er seine Kunden findet. Sind es eher die Großkonzerne, die natürlich viel offener für Live-Kommunikationsmaßnahmen sind? Oder sind es doch die Mittelständler, bei denen man erst einmal ein wenig Aufklärungsarbeit leisten und zeigen muss, was dieses Kommunikationstool eigentlich bedeutet? Das ist eine strategische Entscheidung der Agentur, für welchen Kundentypus sie arbeiten möchte. Das ist aber auch eine der Schlüsselherausforderungen an eine Agentur, um langfristig am Markt erfolgreich zu sein.

Rosemarie Merlo Pompenig: Meiner Meinung nach geht es vor allem darum, sich auf einen Bereich zu spezialisieren – egal ob Branche oder Leistung. Jeder Dienstleister braucht einen eigenen USP, und dann muss man auch „nein“ sagen können, wenn Anfragen kommen, die nicht zu einem passen.

Worin liegt die Spezialisierung der Live-Kommunikation in Zukunft stärker: Hinsichtlich der Branchen oder hinsichtlich der Leistungsbereiche?

Stefan Rössle: Ich glaube, Spezialisierungen sind stärker branchenbezogen. Es ist notwendig, dass eine Agentur in den Branchen, in denen sie arbeitet, gut vernetzt ist. Man kennt dann die „Do’s and Don’ts“. Natürlich ist solch eine Branchenfokussierung auch gefährlich –ganz ohne Frage. Wenn wir uns von einzelnen Branchen abhängig machen, wissen wir, dass es für uns als mittelständische Agentur durchaus eng werden kann und wir noch stärker an den vorherrschenden Konjunkturzyklen hängen.

Wie gehen gerade kleinere Agenturen mit der Frage der Spezialisierung um?

Thomas Lenz: Theoretisch würde es danach rufen zu sagen: „Ich habe eine kleine, schlagkräftige Agentur mit der ich mich auf eine Branche spezialisiere.“ Aber wir haben uns bewusst breit aufgestellt, um uns nicht in diese Abhängigkeit zu begeben. Unsere Spezialisierung liegt im Bereich der Regionalität. Wir sind zwar nicht nur in Nordhessen aktiv, aber unsere Kunden stammen weitestgehend aus der Region.

Jan Kalbfleisch: Ist es ein Zukunftsszenario, dass klassische Agenturen eigene Event-Units gründen? Oder ist es vielleicht andersherum: Dass die Live-Kommunikation die klassische Werbung vereinnahmt?

Christian Seidenstücker: Wir haben selbst viele Kunden gewonnen, die von klassischen Agenturen enttäuscht sind, weil dort substanzielle Schwächen im Bereich der Live-Kommunikation vorliegen. Trotzdem besteht für uns die Gefahr, dass in dem Augenblick, in dem Netzwerke Rahmenverträge mit ihren Kunden machen, für uns keine Chance mehr besteht, an diese Projekte heranzukommen.

Stefan Rössle: Ich glaube schon, dass es für uns zunehmend schwieriger wird, im Wettbewerb mit den großen Networks zu bestehen. Sie haben den großen Vorteil, dass sie die Strategie der Kunden beeinflussen können und damit auch, wohin Gelder fließen. Wir müssen dafür kämpfen, um unseren komparativen Wettbewerbsvorteil zu behalten; das sind unsere Mitarbeiter und deren Know-how. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, besteht meines Erachtens darin, die wirkungsvolleren Konzepte zu entwickeln.

Stefan Rössle
Stefan Rössle, Kontrapunkt (Bild: Peter v. Vopelius)

Christian Seidenstücker: Um gegenüber Networks zu bestehen, ist es ist für uns wichtig, unsere eigenen Netzwerke aufzubauen und zu pflegen. Hier kommen ISES und FAMAB ins Spiel. Wenn man Kunden gegenüber transparent agiert und klarstellt: „Ich mache nicht alles, aber ich habe die entsprechenden Partner, mit denen ich auch große internationale Aufgabenstellungen bewältigen kann“ – dann besteht hier auch für uns eine Chance. Denn wir sind in der komfortablen Situation, nicht unsere eigenen Units verkaufen zu müssen. Vielmehr können wir je nach Kundenanforderung das beste Team aus Spezialisten zusammenstellen. Aber gerade bei diesem Vorgehen ist Transparenz das oberste Gebot.

Stefan Rössle: Aber Transparenz bedeutet auch: Kunden müssen verstehen, dass unsere Leistungen Geld kosten. Wir verzichten gerne auf Margen und Kick-backs, aber dann müssen die Konzeptleistungen honoriert werden. Gute Leistungen brauchen gute Leute und die haben eine gute Ausbildung. All das kostet Geld. Deshalb: Unser einziges Ziel muss sein, zu einem vernünftigen, partnerschaftlichen Miteinander zu kommen. Wenn das in der Live-Kommunikation nicht gelingt, bedeutet das auch: Wir können nicht mehr so gut ausbilden, wir können keine guten Gehälter mehr zahlen, wir müssen immer mehr mit Freelancern und Praktikanten arbeiten. Doch diese Spirale ist äußerst gefährlich – für Kunden und für Agenturen.

Rosemarie Merlo Pompenig: Es besteht wirklich immer wieder das Problem gegenüber Kunden zu argumentieren, dass meine Expertise, die ich mir über 20 oder 30 Jahre aufgebaut habe, nicht gratis zu bekommen ist. Das ist bei den Kunden mental noch nicht angekommen.

Thomas Lenz: Offenlegung von realen Kosten ist ein Weg, den wir heute gehen müssen. Wir kommen aber aus einer Zeit, wo es eine Reihe von Dienstleistern gab, die sehr gut von Provisionen und Kick-backs gelebt haben. Die haben der Branche einen schlechten Ruf eingebracht. Neben den seriösen Agenturen, wie beispielsweise den FAMAB-Mitgliedern, gibt es auch heute noch eine Reihe von Agenturen, bei denen man das Gefühl hat, sie stammen aus dem Wandergewerbe.

Ist es ein Zukunftsmodell in der Live-Kommunikation, internationale Netzwerke mit anderen Agenturen einzugehen?

Stefan Rössle: Ich halte diesen Weg für richtig und wichtig. Christian sagte es vorhin: Die Anforderungen der Kunden werden immer globaler. Wenn man sagen kann: „Ich kann dich, lieber Kunde, auch in Brasilien, Nordamerika und im Mittleren Osten in der gleichen Qualität betreuen, wie du das in Deutschland gewohnt bist“ – dann ist das ein riesiger Vorteil.

Christian Seidenstücker: Die Kunst bei dieser Art von Kooperationen ist, dass das Ganze nicht das „Hobby vom Chef“ ist, sondern ein strategisch wertvolles Mittel, um die Agentur noch schlagkräftiger zu machen, und zwar auf allen Ebenen. Dabei ist das Herunterbrechen auf die Exekutive die Herausforderung.

Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit inzwischen für Auftraggeber?

Stefan Rössle: Wir haben uns als Sustainable Company nicht nur aus Überzeugung zertifizieren lassen, es sind auch unsere Kunden, die ganz gezielt danach fragen. Für uns hatte das aber auch einen internen Effekt. Betreut haben die Zertifizierung bei uns drei Mitarbeiter aus sehr unterschiedlichen Hierarchiestufen. Neben echter Arbeit war der Prozess auch eine Mitarbeiterbindungsmaßnahme. Alle sind letztlich stolz, dass wir das Zertifikat erlangt haben. Und wir sind ein Stück mutiger bei der Angebotserstellung geworden: Immer öfter schlagen wir Kunden auch die auf den ersten Blick teurere, aber nachhaltigere Alternative vor. Bei vielen Kunden kommt das gut an.

Christian Seidenstücker: Man kann durch die Zertifizierung aber auch ganz einfach Geld sparen. Das fängt bei Energiesparlampen an und endet dabei, dass Drucker jetzt so eingestellt sind, dass sie grundsätzlich beidseitig drucken.

Jan Kalbfleisch: Es ist interessant zu sehen, dass wir als FAMAB inzwischen von großen Kunden angesprochen werden, die an dem Thema Nachhaltigkeit sehr interessiert sind. Mit Schüco starten wir gerade in das Projekt „Entwicklung eines Handbuchs für Nachhaltigkeit im Messebau“. Das ist ein Projekt, das gemeinsam mit einer Universität angegangen wird, und es geht darum, eine Live-Kommunikationsmaßnahme dahingehend zu bewerten, wie der CO2-Footprint ist und wie sich dieser durch veränderte Materialien oder Maßnahmen gleich bei der Konzeption senken lässt. Ich finde, es macht Mut, dass unsere Branche in Zukunft ein Stück nachhaltiger wird.

 

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