von Thomas Waetke und Christian Raith, Artikel aus dem Archiv vom
Die Musik ist zu leise, das Essen zu wenig oder der Raum schlecht belüftet – auf einer Geschäfts- oder Incentive-Reise kann einiges schief gehen. Wer hat welche Ansprüche und welches Recht gilt? Unsere Experten aus Recht und Versicherung klären auf.
(Bild: Boyko.Pictures / Shutterstock)
Anzeige
Die Rechtssicht von Thomas Waetke
Ein Unternehmen aus Berlin plant eine Geschäftsreise oder ein Incentive in Frankreich, und beauftragt hierzu eine darauf spezialisierte Agentur aus Köln. Diese wiederum beauftragt diverse Dienstleister an dem Ort, in dem das Incentive stattfinden soll (z.B. Hotel, Shuttle, Caterer, Künstler:in …). Übrigens: Mittlerweile können auch reine B2B-Reisen unter das strenge Reiserecht fallen (ab § 651 a BGB). D.h. auch Geschäftsreisen, die von einer Agentur organisiert werden, können dann eine „Reise“ sein. In derlei Fällen empfehle ich der Agentur, vorab zu prüfen, ob das Reiserecht tatsächlich zur Anwendung kommt.
In unserem Beispielsfall eines Incentives in Frankreich geht nun vor Ort etwas schief: Die Musik ist zu leise, das Essen ist zu wenig, oder der Raum ist schlecht belüftet … Was nun für den Auftraggeber ärgerlich ist, stellt ihn auch vor einige juristische Herausforderungen, die wir hier beleuchten wollen.
Wer hat Ansprüche?
Derjenige hat Ansprüche, der einen Schaden erleidet oder der etwas nicht bekommt, das er aber „bestellt“ hat. Wenn beim Abendessen zu wenig Speisen vorbereitet sind und die Gäste hungrig bleiben, kommt es auf die Vertragsgestaltung an: Was wurde in Bezug auf das Catering vereinbart? Gab es vielleicht sogar vorab Hinweise, dass aufgrund des begrenzten Budgets das Essen knapp werden könnte? Oder hat sich der Caterer verkalkuliert?
Gehen wir mal davon aus, dass der Caterer wirklich einen Fehler gemacht hat. Dann stellt sich die Frage, wer gegen wen Ansprüche hat: Das hängt davon ab, mit wem der „hungernde“ Veranstalter den Vertrag geschlossen hat: mit der Agentur oder direkt mit dem Caterer. Ist die Agentur als Generalunternehmerin tätig geworden, hat sie einen Vertrag mit dem Veranstalter. Mit diesem Vertrag verpflichtet sie sich, das Gesamtpaket „Incentive“ abzuliefern, inklusive Catering. Dazu schließt sie mit einem Caterer einen Vertrag ab (der dann ihr Sub- oder Nachunternehmer ist). Macht dieser nun einen Fehler, dann muss die Agentur diesen Fehler ausbaden: Denn der Veranstalter hält sich an seinen Vertragspartner – das ist die Agentur.
Muss die Agentur dem Veranstalter Schadenersatz zahlen oder wird ihre Vergütung gemindert, dann kann sich die Agentur im Innenverhältnis an den Caterer halten und dort Regress einfordern.
Welches Recht gilt?
Zunächst muss man schauen, wer hier die Ansprüche geltend macht: der Veranstalter oder die Agentur? Der Veranstalter, der die Agentur als Generalunternehmerin beauftragt, hat diese als (Haupt-)Ansprechpartner. Da die Agentur in Köln sitzt, ist die Frage einfach zu beantworten: Es gilt deutsches Recht.
In dieser Konstellation kann man sich ggf. über den sog. Gerichtsstand streiten: Vor welchem Gericht würde der Streitfall landen? In Berlin oder in Köln? Idealerweise hat der Veranstalter das vorab mit der Agentur im Vertrag geregelt (üblich ist, den Gerichtsstand am eigenen Geschäftssitz zu vereinbaren), ansonsten müsste er in Köln klagen. Der Veranstalter kann u.U. Schadenersatz verlangen oder das vereinbarte Honorar mindern.
Die Agentur, die als Generalunternehmerin die Leistungsträger in Frankreich beauftragt hat, sieht sich natürlich den Ansprüchen des Veranstalters ausgesetzt (s.o.), und muss dann ihrerseits versuchen, den eigentlich verantwortlichen Leistungsträger in Regress zu nehmen. Idealerweise hat die Agentur vorab mit den Leistungsträgern aus Frankreich geregelt, ob deutsches oder französisches Recht anwendbar ist (sowie, wo der Gerichtsstand sein soll). Wenn sie das nicht getan hat, muss sie vermutlich nach französischem Recht vor einem französischen Gericht ihre Ansprüche durchsetzen.
Einen erheblichen Unterschied gibt es, wenn die Agentur nicht Generalunternehmerin ist: Das wäre dann der Fall, wenn der Veranstalter die Verträge direkt/selbst mit den Leistungsträgern vor Ort abschließt, und die Agentur lediglich Vermittlerin oder Stellvertreterin ist. Denn dann muss der Veranstalter sich direkt an die französischen Leistungsträger halten. Auch dann ist die Frage, ob deutsches oder französisches Recht vorab vereinbart wurde: Wenn ja, kann er nach deutschem Recht in Deutschland seine Ansprüche durchsetzen. Wenn nein, muss er das (entsprechend umständlich) in Frankreich tun.
Gibt es Fristen?
Es kann sein, dass im Vertrag Fristen vereinbart wurden, binnen derer Mängel angezeigt werden müssen. Dies können ggf. wenige Tage sein, oder „unverzüglich“ – d.h. dann so schnell wie irgendwie möglich.
Handlungsempfehlung: Die entscheidungsbefugten Personen, die bei der Veranstaltung mit anwesend sind, sollten vorab geklärt haben, ob es vereinbarte oder gesetzliche Fristen gibt. Sinnvoll ist hier, diese Frage in eine Checkliste mit aufzunehmen, die diese Person dann als Hilfestellung nutzen kann.
Gibt es Formvorgaben?
Auch kann es im Vertrag eine Regelung geben, wie der Mangel angezeigt werden muss. Üblich ist bspw. die Vorgabe, dass die Anzeige schriftlich erfolgen muss. Dann kann es sein, dass eine nur mündliche Anzeige gegenüber dem Projektleiter der Agentur vor Ort nicht ausreichend ist, um später Gewährleistungsansprüche durchsetzen zu können.
Handlungsempfehlung: Die entscheidungsbefugten Personen, die bei der Veranstaltung mit anwesend sind, sollten vorab geklärt haben, ob es Formvorgaben gibt. Sinnvoll ist auch hier, diese Frage in die Checkliste mit aufzunehmen.
Wer muss was beweisen?
Grundsätzlich muss immer derjenige beweisen, der etwas behauptet oder etwas haben will. Wer also einen Mangel behauptet („Es war zu kalt im Raum!“), der muss auch beweisen, dass die Raumtemperatur (1.) geringer war als vereinbart oder (2.) unzumutbar war. Man kann sich vorstellen, dass gerade subjektive Empfindungen schwierig zu beweisen sind.
Handlungsempfehlung: Wer einen Mangel oder Schaden auch nur vermutet, sollte trotzdem bereits Beweise „sammeln“. D.h. Fotos machen (natürlich so, dass man den Schaden auch sehen kann), Namen von Zeug:innen notieren, konkrete Uhrzeiten aufschreiben, alle möglichen Beobachtungen dokumentieren usw. Schließlich kann es sein, dass erst viele Jahre später die Notwendigkeit besteht (z.B. in einem Gerichtsprozess), eine Aussage zu tätigen.
Handlungsempfehlung: Auch mit Blick auf die Beweissicherung kann ich nur nahelegen, dass in Gestalt einer Checkliste alle To-dos aufgelistet werden, die verantwortliche Unternehmensvertreter vor Ort abarbeiten sollen und können. Denn oftmals kommt Ärger, Aufregung oder Durcheinander hinzu, und schnell werden derlei wichtige To-dos vergessen – die vielleicht später weitergehenden Schaden vermeiden helfen.
Über den Autor:
Thomas Waetke ist Rechtsanwalt und spezialisiert auf das Veranstaltungsrecht. Er ist Dozent, Buchautor und Herausgeber des Internetportals eventfaq.de. Gerne ist er bei der Zusammenstellung von „Guidelines“ bzw. Checklisten behilflich, die auch in die unternehmenseigenen Event-Compliance-Richtlinien eingefügt werden können. E-Mail: thomas@eventfaq.de
Die Versicherungssicht von Christian Raith
Kommen wir nun zum Thema Versicherung, nachdem Thomas Waetke schon sehr viele Details zur Haftung etc. erläutert hat.
Natürlich geht es bei den Fehlern, immer dann, wenn Dritte geschädigt werden, um den Bereich Haftpflicht. Dabei ist es im genannten Fall aber gar nicht so eindeutig, denn es könnten sogar mehrere Haftpflichtversicherungen betroffen sein. Gehen wir aber Vertrag für Vertrag durch.
Betriebshaftpflicht
Da wir es im beschriebenen Fall mit einer Eventagentur zu tun haben, sollte in erster Linie eine passende Betriebshaftpflichtversicherung bestehen. Aber was ist eine passende Versicherung? Die Betriebsbeschreibung muss passen! Sprich, in unserem Fall sollte explizit vermerkt sein, dass es eine Betriebshaftpflicht für eine Event- und Incentive-Agentur ist. Wir sehen immer wieder bei normalen Vertretern, dass sie nur eine Bürohaftpflicht verkauft haben. Das liegt daran, dass die meisten Versicherer keine speziellen Produkte für den Entertainment- und Eventbereich haben. So stufen sie den Kunden einfach irgendwo ein und am Ende landet man bei einer klassischen Bürohaftpflicht. Solange kein Schaden ist, merkt man auch nicht den fehlenden Versicherungsschutz. Deshalb ist es wichtig, dass man seine Betriebsbeschreibung findet. So eine Police geht bei ca. 250 Euro im Jahr los und je nach Umsatz wird sie dann auch entsprechend höher. Ich würde empfehlen, dass eine Deckungssumme von 5 Millionen Euro aufwärts vorhanden sein sollte.
Spezialhaftpflicht für Reiseveranstalter
Sobald man in den Bereich des Reiseveranstalters fällt, was man meist schon bei der Kombination von zwei Reisebausteinen (z.B. Hotel und Flug oder Hotel und Shuttle) erfüllt, dann haftet man wie ein großes Reiseunternehmen. Dafür gibt es eine spezielle Haftpflichtversicherung, die ab ca. 400 Euro pro Jahr los geht. Dort wird eben die spezielle Haftung von Reiseveranstaltern abgedeckt.
Veranstalterhaftpflicht
Sofern man nun auch noch als Veranstalter gesehen werden kann – auch da kommt es nicht auf die Firmierung an, sondern rein auf das subjektive Empfinden der Gäste, wer der Veranstalter ist –, empfiehlt sich der Einschluss oder der separate Abschluss eine Veranstalterhaftpflichtversicherung. Diese wird meist nach den Besucher:innen oder Teilnehmenden berechnet und geht auch bei ca. 400 Euro los. Sofern man nur eine Vermittlungstätigkeit macht und die Auftraggeber die Veranstalter sind, braucht man diesen Einschluss eigentlich nicht, aber es kann sein, dass etwa der Location-Vermieter trotzdem den Nachweis der Veranstalterhaftpflicht sehen möchte. Das muss man von Fall zu Fall entscheiden. Ich wehre mich aber dagegen, dass man jeder Agentur gleich diese Zusatzversicherungen aufschwatzt.
Die Vermögensschadenhaftpflicht
Bei den letzten drei Versicherungen haben wir uns um die Personen- und Sachschäden gekümmert. Aber es gibt auch noch die reinen Vermögensschäden. Das wäre bspw. der vertane Urlaub oder die Verwechslung des Veranstaltungstermins bei der Location-Buchung. In beiden Fällen wurden keine Personen verletzt oder Sachen kaputt gemacht. Aber: es wurde das Vermögen geschädigt. Und diese Fehler sind in der klassischen Betriebs-, Veranstalter- oder Spezialhaftpflicht nicht gedeckt, daher gibt es eine Absicherung, die sich nur um Vermögensschäden kümmert. Auch hier geht es ab ca. 400 Euro pro Jahr mit dem Versicherungsschutz los.
Last but not least
Man sieht, allein das Thema Haftpflicht ist bei den Agenturen schon nicht einfach. Jetzt könnte man noch in die anderen Sparten einsteigen, das würde den Rahmen hier jedoch sprengen. Daher spreche ich nur noch ein paar Sparten im Schnelldurchlauf an. Die Veranstaltungsausfallversicherung deckt den Ausfall, die Absage oder Verschiebung einer Veranstaltung ab. Diese Kosten können sehr schnell in die Hundertausende gehen. Man versichert sich gegen einen Beitrag ab ca. 1 % aus der Versicherungssumme. Wir können diese Versicherung nur empfehlen, denn wir hatten schon wegen allen möglichen Ereignissen die Absagen auf dem Tisch. Egal ob es klassische Gefahren wie Locationbrand, Ausfall von Künstler:innen, Speakern etc. sind oder ungewöhnliche Gründe wie die Aschewolke, Sandsturm, Stromausfall, Blitzeis, Wetterrisiken oder ähnliches. Hinzu kommen noch weitere Projektdeckungen wie Technik, Ausrüstung, Garderobe, Unfall etc. Die Absicherungsmöglichkeiten sind sehr vielfältig. Daher sprechen Sie im Vorfeld mit dem Makler des Vertrauens.
Über den Autor:
Christian Raith ist geschäftsführender Gesellschafter der erpam GmbH, einem seit über 30 Jahren agierenden Spezialversicherungsmakler im Entertainmentbereich. Mit seinem Team beschäftigt er sich täglich mit den Versicherungsfragen rund um die Event- und Entertainmentbranche.