Messestände als Geschäftsräume? Zum Widerrufsrecht bei Messekäufen
von Jessica Hartmann , Artikel aus dem Archiv
Der Europäische Gerichtshof hatte sich vor einiger Zeit mit der Frage zu befassen, ob bei Verkäufen an Messeständen eine Widerrufsbelehrung erforderlich ist. Im August 2018 erschien das Urteil, dessen Wertungen weitreichende Konsequenzen für Aussteller und Veranstalter haben könnten. Wir fassen im Folgenden die Rechtslage zusammen und geben Tipps, was zu beachten ist.
(Bild: Pixabay)
Messen zählen zu den wichtigsten Instrumenten sowohl der Kommunikations- als auch der Vertriebspolitik. Zwar dienen sie in erster Linie dazu, sich zu präsentieren und einen ersten Kontakt herzustellen. Doch gerade öffentliche Verbrauchermessen sollen den zusätzlichen Zweck erfüllen, die Besucher durch die persönliche Ansprache zu Direktkäufen vor Ort anzuregen. Umso ärgerlicher allerdings, wenn der Käufer es sich dann kurze Zeit nach der Messe anders überlegt und den Kaufvertrag widerruft. In dem Fall muss der Kauf aufwändig rückabgewickelt und die gegenseitigen Leistungen zurückerstattet werden.
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Widerrufsrecht als Schutzmechanismus für Verbraucher
Allerdings hat der Käufer nicht auf jeder Messe automatisch ein Widerrufsrecht. Ob ein solches besteht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So ist das Widerrufsrecht zunächst einmal ein reines Verbraucherrecht, das heißt es gilt nur zwischen Unternehmer und Verbraucher. B2B- und Fachmessen fallen damit in der Regel schon aus den Voraussetzungen raus. Wer Unternehmer und wer Verbraucher ist, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch. Unternehmer ist demnach derjenige, der das Rechtsgeschäft im Rahmen seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit abschließt. Verbraucher ist hingegen, wer es außerhalb einer solchen Tätigkeit vornimmt. Man kann also durchaus im einen Moment noch Unternehmer sein und im nächsten schon wieder Verbraucher, je nachdem, in welcher Funktion man gerade eine Sache erledigt.
Um Verbraucher vor Spontankäufen zu schützen, die sie unter dem Druck des Augenblicks abschließen und im Nachhinein bereuen könnten, gibt das Gesetz ihnen in bestimmten Situationen ein Recht, den Kaufvertrag nachträglich zu widerrufen. Das bekannteste Widerrufsrecht ist dabei das von Fernabsatzverträgen. Wer im Internet, per Telefon oder auf einem anderen Kommunikationskanal eine Sache kauft, kann diese – mit einigen Ausnahmen – bis zu 14 Tage später noch an den Händler zurücksenden und bekommt sein Geld zurück. Das andere wichtige Widerrufsrecht für Verbraucher gilt für Käufe, die außerhalb von Geschäftsräumen getätigt wurden. Grund dafür ist, dass die Menschen außerhalb von Büros und Läden nicht unbedingt mit der Ansprache rechnen und sich aus Überraschung, Verlegenheit oder Höflichkeit zu einem Kauf hinreißen lassen könnten, den sie später bereuen. Davor, dass Händler diese Gefühle ausnutzen, soll der Verbraucher geschützt werden.
Uneinheitliches Verständnis vom Geschäftsraum-Begriff
Hier kommen die Messen ins Spiel, denn vor den Gerichten ist umstritten, ob ein Messestand als Geschäftsraum zu werten ist oder nicht. Wäre dies der Fall, so greift das Widerrufsrecht nicht und der Käufer muss sich mit seinem Messekauf abfinden. Um zu entscheiden, ob der Messestand eines Unternehmens als Geschäftsraum gewertet werden muss, griffen die Gerichte bislang beispielsweise auf die Regelmäßigkeit des Messeauftritts zurück. Sie argumentierten, wer häufig auf der entsprechenden Messe auftrete, würde dort eher einen Geschäftsraum etablieren als jemand, der sie nur gelegentlich zur Erstansprache nutze. Dies jedoch war der nächsthöheren Instanz zu willkürlich. Der Rechtsstreit landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof, der aufgrund der betroffenen EU-Verbraucherrichtlinie EU-RL 2011/83 dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorlegte, wie unter europarechtlichen Gesichtspunkten der Begriff des Geschäftsraumes zu werten sei. Die Luxemburger Richter gaben Hilfestellung, indem sie sich auf den Zweck des Widerrufsrechts rückbesonnen und einige Kriterien zur Unterscheidung aufstellten.
Klare Verkaufsabsicht oder Überrumpelung?
Da die Regelung des Widerrufsrechts dazu dienen soll, den Verbraucher vor Spontankäufen in unerwarteten Situationen zu schützen, sah der EuGH es als maßgeblich an, ob an dem jeweiligen Messestand eine Verkaufssituation für den Besucher erkennbar ist. Sieht er also, dass er an dem Messestand auch zu kommerziellen Zwecken angesprochen werden kann, handelt es sich um einen Geschäftsraum und es besteht kein Widerrufsrecht. Diese Erkennbarkeit machen die Richter unter anderem am Erscheinungsbild des Standes, aber auch am Messethema fest. Hinzu komme auch der genaue Ort der Ansprache: Am Stand selbst rechnet ein Besucher eher mit Verkaufsangeboten, als wenn er irgendwo außerhalb darauf angesprochen wird. Entsteht ein Überraschungsmoment für den Besucher, so muss er hingegen vor dem Kauf ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt werden.
Für Aussteller und Veranstalter ist es daher vor allem wichtig, Klarheit zu schaffen. Möchten sie die Messe auch zu Absatzzwecken nutzen, sollte dies am Thema bzw. am Messestand erkennbar sein. Hilfreich können dabei beispielsweise Modelle, Kataloge und konkrete Preisangaben sein. Plant man hingegen, sich in erster Linie bekannt zu machen und nur am Rande den ein oder anderen Verkauf zu tätigen, sollte auf jeden Fall eine rechtssichere Widerrufsbelehrung für die Kunden bereit liegen. Diese muss der Verbraucher vor dem Kauf ausreichend zur Kenntnis nehmen und verstehen können. Erfolgt keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, so kann der Verbraucher bis zu einem Jahr und 14 Tagen nach Erhalt der Ware noch den Kaufvertrag widerrufen. Frühere Rechtsprechung räumte hier sogar teilweise ein „ewiges Widerrufsrecht“ ein. Um sich nicht dem Risiko auszusetzen, auch Monate nach dem Kauf noch alles rückabwickeln zu müssen, sollte man die neue Rechtslage kennen und bei der nächsten Messeplanung berücksichtigen.