Die deutschen Impfzentren brauchten zum Impfstart schnelle Hilfe bei Organisation und Durchführung. Hier konnte die Eventbranche durch ihre Erfahrung punkten und unterstützen. Ein Vorbild, den Branchenakteuren in der Pandemie mehr zuzutrauen? EVENT PARTNER zeigt drei Best Practices.
(Bild: Landratsamt Zollernalbkreis)
[Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel stammt von Mai 2021]
Anzeige
Trotz ihrer Bemühungen wie Temperaturmessung, Abstandsregeln und Publikumsregistrierung kann die Veranstaltungswirtschaft momentan nicht das tun, was sie am besten kann: Veranstalten. Doch manch ein Eventakteur hat Glück und darf dennoch „ran“: An vielen Orten setzt die Eventbranche momentan ihre Kompetenzen ein, um den Impffortschritt voranzutreiben. So finden sich viele Impfzentren dort, wo es im letzten Jahr eher still war: in Messehallen und Veranstaltungszentren. Nach Recherchen des Verbandes der deutschen Messewirtschaft (AUMA) fanden im ersten Quartal 2021 auf 30 deutschen Messestandorten etwa 1,7 Millionen Corona-Impfungen statt – fast 20 % der bundesweit getätigten Impfungen in diesem Zeitraum.
Doch auch abseits von Locations hat die Eventbranche viel zu bieten. Arbeiten unter Zeitdruck, flexibles Personalmanagement und eine „Problemlöser“-Mentalität helfen nicht nur bei der Veranstaltungsplanung, sondern auch bei der Impfstrategie. Denn letztendlich muss es weitergehen, auch wenn sich der LKW mit dem Stoff verspätet. Es folgen drei Beispiele, in denen die Veranstaltungswirtschaft einen wichtigen Teil zum erfolgreichen Impf-Ablauf beiträgt.
Isinger + Merz im Impfzentrum Alzey
Öffentliche Aufträge sind ein langwieriger Prozess: Oft dauert es zwischen Ausschreibung und Realisierung mehrere Jahre. Im Falle der Impfzentren musste Ende 2020 alles etwas schneller gehen. So auch im rheinland-pfälzischen Alzey, dessen Impfzentrum laut Vorgabe des Landes bis zum 12. Dezember 2020 einsatzbereit sein sollte. Die Ausschreibung erfolgte drei Wochen im Voraus, was die Messebaufirma Isinger + Merz GmbH aus Wiesbaden nicht abschreckte. Laut Projektleiter Andreas Dulz kam es zeitnah zu einem Briefinggespräch vor Ort und der Finalisierung des Auftrags. Zwischen Konzeption und Realisierung lagen dann nur zwei Wochen Arbeitszeit.
Ein kurzer Zeitraum für viele Arbeiten. Vor allem an der Location: Die Fahrzeughalle des DRK, die als Impfzentrum ausgewählt worden war, war ein fast abgeschlossener Rohbau. Heizung und Fußboden suchte man in der leeren Halle vergeblich, fehlende Zulieferungswege und Außenparkplätze erschwerten die Situation. In der ersten Ausbaustufe mussten neben den zehn Impfkabinen und 15 Nebenräumen also auch 670 m² Klicklaminat verlegt werden. Jede Kabine sollte eine Heizplatte bekommen, hinzu kamen Beleuchtung und Stromkabel, die quer durch die Halle zu den passenden Standorten gezogen werden sollten.
Auch für die sonstige Ausstattung war Isinger + Merz zuständig: Arbeitstische, Abfallbehälter, Feuerlöscher, Regalcontainer und nicht zuletzt über 100 Stühle waren Teil der vereinbarten Anfangsausstattung. Alles musste den aktuellen Hygienestandards entsprechen und deshalb einfach zu reinigen sein. So durften die Trennwände der Impfkabinen keinen direkten Kontakt mit dem frischgewischten Boden haben, da über die geplante Laufzeit des Impfzentrums sonst die Feuchtigkeit in die Wände ziehen würde.
(Bild: Isinger + Merz GmbH)
Generell sei man es gewohnt, unter Termindruck und in Nachtarbeit große Projekte fertigzustellen, sagt Andreas Dulz. Direkt aus der Kurzarbeit heraus ein Projekt mit engem Zeitplan umzusetzen, war dann aber trotzdem eine Herausforderung. Dabei habe man sich aber nicht nur auf ein erfahrenes Team, sondern auch auf die Unterstützung der Kreisverwaltung Alzey-Worms und des DRK verlassen können. So konnte das Impfzentrum dann nach kurzer Realisierungszeit am 12. Dezember schlüsselfertig übergeben werden. In einer zweiten Ausbaustufe Anfang 2021 kamen weitere 170 m² Fläche mit Warteraum und Impfkabinen hinzu.
Ellis Events im Kreisimpfzentrum Meßstetten
Die alte Kaserne Meßstetten war mit ihren Räumlichkeiten bereits geeignet für den Impfbetrieb, allerdings fehlten noch die Personalplanung und -organisation. Das Landratsamt Zollernalbkreis fragte bei der Veranstaltungsagentur Ellis Events an, hatten diese doch bereits Anregungen zum örtlichen Testzentrum gegeben. Auch Vanessa Ellis, Managing Director von Ellis Events, kam dieser Auftrag entgegen: Man war seit Juni 2020 in Kurzarbeit und nach interner Inventur sowie anderen Arbeitsmaßnahmen hätten sie ab September nichts mehr zu tun gehabt. Da sei dann die Frage aufgekommen, wie man sich nützlichen machen könne. Ging es anfangs nur um Personalfragen, stellte man bei der gemeinsamen Begehung der Räumlichkeiten mit dem Landratsamt und dem Amt für Bevölkerungsschutz schnell fest, dass man auch in anderen Bereichen mit der Expertise aus der Veranstaltungsplanung Hilfe leisten konnte.
Seit dem 22. Januar sorgt Ellis Events für die Koordination von 45 bis 50 Mitarbeiter:innen im Impfzentrum Meßstetten und ist jeden Tag mit fünf Leuten aus dem eigenem Team vor Ort. Während es in der Planungszeit darum ging, wie viele Positionen man braucht, welche Qualifikationen die Angestellten mitbringen müssen und wie diese eingeteilt werden können, wandelte sich der Workload hin Richtung Arbeitspläne sowie Neueinstellungen und die Koordination der Einarbeitung. Neben dem Impfbetrieb im Zentrum müssen auch jeden Tag zwei mobile Teams koordiniert werden, die Impflinge in Heimen impfen. Vanessa Ellis, die die Feuerwehr in der Leitung des Impfzentrums unterstützt, ist voll des Lobes für die neuen Kollegen, die zwar „nicht regelmäßig veranstalten, es aber problemlos könnten.“
Viele Planungsaufgaben ähneln der Veranstaltungsorganisation: Putz- und Sicherheitsdienst müssen abgestimmt werden und für das Personal darf auch das Catering nicht fehlen. Auch in der Impfplanung konnte man mit bewährten Mitteln aushelfen: Zwar müssen die Impftermine noch über das zentrale Impfterminvergabesystem des Bundes vergeben werden, doch das weitere Vorgehen – inklusive Terminvergabe für die Zweitimpfung – regelt das eigene Registrierungssystem von Ellis Events, das eigentlich für kleine Events gedacht ist. Das ersetzt die Arbeit mit Excel Sheets. So können auch eigene Pilotprojekte im Impfzentrum angegangen werden: Proaktive Impfangebote an Ü80-Jährige, die man über offizielle Wege nicht erreichen kann.
Damit die Wartezeit – gerade für ältere Personen – geringgehalten und in kurzer Zeit möglichst effektiv geimpft wird, ist das People Flow Management essenziell. So schafft man im Einschichtbetrieb 500 Impfungen am Tag, in einer samstäglichen Doppelschicht auch 1.000 Impfungen. Alle nötigen Abläufe sind geprobt und durchgeplant, Hygieneabstände werden deutlich kenntlich gemacht. Zwar kennt man sich bei Ellis Events bereits von eigenen großen Veranstaltungen mit dem Thema Besucherstromplanung aus, doch gerade bei den hygienischen Vorgaben konnte man viel lernen, was auch in Zukunft bei Events vonnöten sein wird.
Generell halten sich Anwendung von eigenen Kompetenzen und Learnings die Waage. „Ich habe mich bisher noch nie so gut mit Trockeneis und Kühlschränken ausgekannt. Wahrscheinlich könnte ich auch in der Theorie die Impflinge über Impfstoffe aufklären“, lacht Vanessa Ellis. Apropos Impfstoff: Sollte ein Präparat kurzfristig ausgesetzt werden, erfährt man das im Impfzentrum meist zuerst über die Medien. Die Kommunikation gegenüber den Impflingen, die sich ihrer Termine unsicher sind, stelle Leute aus der Eventbranche nicht vor große Schwierigkeiten: „Das ist doch eine normale Situation, dass etwas von jetzt auf gleich passieren muss“, sagt Ellis. Da seien Flexibilität und technische Kniffe wichtig, aber man habe ja die nötigen Mittel, um die Leute schnell zu informieren.
Der wichtigste Punkt, den man für zukünftige Events mitnehme, sei der dauerhafte Lernprozess einer langfristigen Planung. Wenn sich bei mehrtägigen Events alles richtig eingespielt habe, wären diese auch schon wieder vorbei. Hier könne man im laufenden Betrieb durchgehend Optimierungen vornehmen. Jegliche Kommunikation und die Vergabe von Zuständigkeiten, die sich aufgrund der Laufzeit des Impfkampagne organisch ergeben, möchte man in Zukunft noch vermehrt in die Planung von Events integrieren, sodass auch dort bereits zu Beginn alles einwandfrei laufe.
World Conference Center Bonn
Erfahrungswerte erhofft sich auch Jan-Michael Uhlig, Operativer Leiter der Bonn Conference Center Management GmbH. Seit Anfang des Jahres wird im Hauptgebäude des World Conference Centers Bonn (WCCB) geimpft. Auch hier hätte der Impfbetrieb theoretisch am 15. Dezember starten können. Doch warum fiel die Wahl auf das WCCB? Die Berufsfeuerwehr Bonn – zusammen mit dem Gesundheitsamt Bonn verantwortlich für das Impfzentrum – begründet die Entscheidung mit der zentralen Lage und guten verkehrstechnischen Anbindung sowie der Ausrichtung auf Großveranstaltungen. Für Jan-Michael Uhlig liegen die Vorteile auch darin, dass die Planung inhouse bzw. mit eigenen Partnern ablaufen kann. So konnten die Planungsleistung, der Messebau, aber auch die technische Betreuung der Medientechnik innerhalb von drei Wochen erbracht werden.
Seit der Eröffnung des neuen WCCB-Gebäudes 2015 fanden schon zahlreiche Kongresse oder Konferenzen in den Räumlichkeiten statt – hohen Publikumsverkehr sind alle Beteiligten daher gewohnt. Für den Impfverkehr wurde die vor Ort installierte Digital-Signage-Lösung im Branding und entsprechend den neuen Laufwegen angepasst. Zusammen mit der Feuerwehr überlegte man sich effiziente und machbare Wegführungen, indem man sich in die Lage der Bürger:innen versetzte und so die Laufzeiten antizipierte. Danach richtete sich auch die CAD-Planung der Impfkabinen und damit die Positionierung des modular erweiterbaren Messebausystems, das – wie auch im Impfzentrum Alzey – aus hygienischen Gründen einfach abwaschbar sein musste.
Aufgrund der Fläche des WCCB kann man flexibel reagieren: Entweder nach Anforderungen der zuständigen Behörde oder bei Änderungen der Impfstoffversorgung werden sukzessive Anpassungen und Vergrößerungen am Impfzentrum vorgenommen. Alle Umbauten am Impfzentrum müssen nachts stattfinden, um den Impfbetrieb nicht zu behindern. In Bonn impft das Personal im Zwei-Schicht-Betrieb von 8-20 Uhr – sieben Tage die Woche. Dafür stehen zehn Impfstraßen bereit. Im landesweiten Vergleich Nordrhein-Westfalens steht die Impfleistung in Bonn an zweiter Stelle nach Aachen.
Diese Zahlen schlagen sich im Personalmanagement nieder: Allein von der Stadt Bonn und der Kassenärztlichen Vereinigung sind jeden Tag ca. 60 Personen im Einsatz. Auch für das Center Management sei der Personalaufwand enorm. So wurde z. B. die Telefonzentrale erweitert, da sich viele Bürger:innen telefonisch über die verschiedenen Impfstoffe informieren wollen oder andere Fragen haben. Die Kommunikation mit der Bonner Gesellschaft sei essenziell. Gerade die momentan priorisierten Impfgruppen und ihre Begleitung hätten zum ersten Mal direkten Kontakt mit dem WCCB. „Wir haben seit Anfang des Jahres ‚Tag der offenen Tür‘“, sagt Jan-Michael Uhlig. Dabei sehe man auch, dass die Barrierefreiheit der Location gut funktioniere. Rollstühle, Rollatoren und andere Gehhilfen fänden sich beim sonstigen Publikum nur selten, aber gerade in den ersten Impfkategorien gehören sie zur Tagesordnung.
Natürlich sei das WCCB für den Andrang im Zuge der Impfkampagne ausgelegt, „doch auf diese lange Laufzeit von sechs Monaten mit einer täglichen Nutzung ist das für das Gebäude ein Stresstest“, gibt Uhlig zu. Türen, Toiletten, Böden – bei bis zu 1.800 Impflingen täglich müssen auch diese Bereiche funktionieren. Bis Juli wird das Impfzentrum in seiner jetzigen Form noch bestehen. Danach werden im Hauptgebäude alle nötigen Wartungen, Checks und größeren Reparaturen unternommen, um Ende August als Spielstätte für das Beethovenfest fit zu sein.
Jan-Michael Uhlig zeigt sich zufrieden. Er sei „ein bisschen stolz“ auf die guten Impfquoten Bonns und die positive Rückmeldung. Gleichzeitig würden die täglichen Menschenmengen zeigen, dass auch während einer Pandemie ein hohes Publikumsaufkommen ohne Ansteckung möglich sei. Das mache laut Uhlig Mut für die Zukunft. Vor allem, da das WCCB bereits seit letztem Jahr auf Temperaturmessungen, Registrierung und Abstandsmarkierung setze – bevor man überhaupt Impfzentrum wurde.