Die Internationale Automobil Ausstellung wird sich zur Plattform für Mobilität entwickeln, prognostiziert Johannes Plass, Gründer und Geschäftsführer von Mutabor. Im Interview verrät er, was sich dadurch auch für die Eventbranche ändert.
Mit seinem Team verantwortete Johannes Plass in diesem Jahr auf der IAA nicht nur die Messeauftritte von Audi und Volkswagen, sondern konzipierte auch das Erscheinungsbild und die Inhalte der IAA 2019 mit. Für ihn ist klar: Die IAA befindet sich im Umbruch.
Anzeige
Wie lautet Ihr Fazit zur diesjährigen IAA?
Johannes Plass: Die IAA 2019 ist eine Messe im Umbruch. Die Themen verändern sich, die Bedürfnisse und Interessen der Multiplikatoren und Besucher wandeln sich und folgerichtig transformiert sich auch das Format der Messe selbst. Das ist an der inhaltlichen Agenda der Aussteller und damit auch an der Agenda der IAA ablesbar und diese Agenda wurde auch durch die Demonstranten vor den Toren der IAA verstärkt. Es geht nicht mehr nur um das Automobil, sondern es geht um die zentrale Fragestellung einer neuen und nachhaltigen Mobilität. Letztlich ist dieser Wandel auch an den Kennzahlen der IAA ablesbar. Die Debatte um die Mobilität der Zukunft, die E-Offensive der deutschen Aussteller – allen voran Volkswagen und Porsche – und die Forderungen der Demonstranten führen zu einer medialen Reichweite von bisher ungesehener Stärke. Die Marke IAA wird eindeutig in den Medien mit der Transformation in Richtung neue Mobilität in Verbindung gebracht.
Negativen Impact auf die Besucherzahlen hatten die Absagen einiger wichtiger und beliebter Marken und natürlich die Demonstranten. Im Bild der Öffentlichkeit überlagerte bedauerlicherweise die SUV-Debatte die Innovationsoffensive mit ihren tollen Mobilitätslösungen auf dem Messegelände. Darüber hinaus wurden im Rahmen der neuen IAA Conference und ME-Convention sowie im Rahmen von zwei Bürgerdialogen interessante Fragestellungen zur Mobilität der Zukunft diskutiert und interessante neue Perspektiven aufgezeigt. Auch hier haben die Top-Themen dieser Debatte aufgrund einer sehr oberflächlichen Berichterstattung nicht den Weg in die Headlines gefunden. In einer hochkomplexen Debatte machen wir uns eine Meinungsbildung durch diese Form der Abweisung zu einfach.
Wo entwickelt sich die Messe Ihrer Meinung nach hin?
Johannes Plass: Die Messe entwickelt sich weiter zur Plattform für Mobilität. Ein neues Konzept ist in Arbeit. Die Konzept- und Wettbewerbsphase wird zeigen, welche Anpassungen am Format und welcher Austragungsort den Weg in die Zukunft weisen. Ich glaube, man muss kein Augur sein, um vorherzusagen, dass die Transformation der Automobilbranche hin zu einer Mobilitätsbranche dabei den strategischen Ankerpunkt beschreibt und dass das Thema Nachhaltigkeit für die Aussteller und die IAA als Plattform der wichtigste thematische Treiber ist.
Ich sehe in dieser nachhaltigen Mobilitätsagenda die Zukunft der deutschen Mobilitätsindustrie und damit auch in der strategischen Weichenstellung von Politik, Bildung und letztlich auch unserer Branche. Darum wird die IAA sich thematisch weiterhin im Mittelpunkt unserer gesellschaftlichen Diskussion und Entwicklung befinden. Vielleicht verliert die IAA weiterhin Automobilaussteller. Gewinnen wird sie stattdessen Unternehmen und Entrepreneure, die Mobilität denken, entwickeln und anbieten. Für das Format der Messe bedeutet das aus meiner Sicht eine Transformation. Der Weg weist in Richtung einer Plattform, auf der Mobilität in der ganzen Breite gezeigt und diskutiert werden kann.
Was bedeutet das für die Eventbranche?
Johannes Plass: Wer in den traditionellen IAA-Kategorien von umbauten Quadratmetern plant, der sollte schnell umdenken. In Zukunft heißt es nicht mehr „Size matters“, sondern „Intelligence matters“. Aussteller werden nach Möglichkeiten suchen, mit Konzepten zu punkten, die mehr sind als ein Showcar oder Showpiece. Es geht um die Darstellung und Diskussion von holistischen Mobilitätslösungen, es geht um multimodale Mobilität. Das Thema Nachhaltigkeit zwingt uns, in viel kleineren und intelligenten Präsentationsformen zu denken, die dennoch eine enorme kommunikative Power entwickeln müssen. Fachlich heißt das für die Agenturen, das Content-Kompetenz und digitale Kompetenz die Pitchgewinner der Zukunft sind und kreative Power in der Architektur zwar gefragt, aber nicht entscheidend sein wird.
Für die Messebauer wird es in den kommenden Jahren wenig „erbauliche“ Anfragen seitens der Kunden geben. Es geht darum, die neue Mobilität auf die Straße zu bringen und Innovationen für die Besucher „erfahrbar“ zu machen und nicht darum, statischen Fahrzeugen die perfekte Präsentationsbühne zu bauen.
Die Felder, denen sich unsere Branche zuwenden muss, heißen Erfolgsmessung und Connectivity. Hier hat die Branche bisher zu wenig anzubieten. Die digitalen Kanäle sind uns mit ihren Messmethoden voraus. Die Kunden „liken“ darum die Währung der digitalen Kanäle und „shiften“ Jahr um Jahr ihre Budgets Richtung GAFAs. Wollen wir nicht noch mehr Budget Richtung USA verlieren, müssen wir bessere Messmethoden vorweisen und die Kunden weiterhin von der Kraft unserer Formate überzeugen.