Oll Inklusiv: Hamburger Non-Profit-Initiative vernetzt Menschen 60+
von Julia Jeworowski, Artikel aus dem Archiv vom
Musik- und Kulturmanagerin Mitra Kassai bringt mit der gemeinnützigen Initiative Oll Inklusiv Menschen 60+ zusammen – bei Musik, Kunst, Kultur und Sport.
(Bild: Jonas Krantz)
Die gemeinnützige Hamburger Initiative Oll Inklusiv hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen 60+ besser in die Gesellschaft zu integrieren. Gemäß dem Motto „gemeinsam statt einsam“ verbringen die „Ollen“, wie Gründerin Mitra Kassai ihre Zielgruppe liebevoll nennt, bei Musik, Kunst, Kultur und Sport Zeit miteinander. Hierzu hat Kassai ein Netzwerk geschaffen, das älteren Menschen seit 2018 durch kostenfreie und altersgerechte Veranstaltungen Freude, Lebensmut und mehr Miteinander schenkt. Über die Oll-Inklusiv-App können die Interessent:innen sich miteinander vernetzen, über das Programm informieren und für verschiedene Aktivitäten anmelden.
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Club, Festival, Backstage – Oll Inklusiv bewegt die „Ollen“
Bei bunten Nachmittagen erweckt Oll Inklusiv Hamburger Clubs tagsüber zum Leben. Die Senior:innen können dann an Lesungen, Konzerten und Musikbingos teilnehmen und sich anschließend, rhythmisch angepasst, zu Discoklassikern und neuen Hits bewegen. „Ich bin der Meinung, man ist nie zu alt für Musik“, sagt Kassai. Eine Seniorin habe ihr bestätigt, auf der Tanzfläche fühle sie sich wieder jung und dynamisch, zu Hause sei sie die Großmutter und Witwe.
Mit einer begrenzten Teilnehmerzahl geht es außerdem z.B. zu Ausstellungen, Musicals und Konzerten. So waren bereits ein Trip zum Metal-Festival Wacken, eine Backstage-Tour bei der Band Beginner oder auch ein Graffiti-Workshop Teil des Angebots. „Die gemeinsamen Momente sind die größte Währung, die wir inklusiv bieten“, sagt Kassai. Zur Auswahl stehen unter anderem auch Hip-Hop-, Tai-Chi-, Gymnastik- und Meditationskurse – für mehr Beweglichkeit und Wohlbefinden.
Wer es gemütlicher mag, kann regelmäßig einen Dokumentarfilm zum Thema positives Altern ansehen oder sich im Teehaus an Gesprächen wie zur Hamburger Musikgeschichte oder einer Schreibwerkstatt beteiligen. Die immobilen „Ollen“ wiederum finden mit dem Rikscha-Service zu ihren Orten der Erinnerung.
Auch bei dem Podcast „60 PLUS“ wird sich erinnert: Verschiedene Generationen erhalten eine Plattform, um sich zu gemeinsamen Themen wie Mode, Politik und sozialem Engagement auszutauschen. „Denn die Welt gehört uns allen, den Jungen und den Alten – egal, ob digital oder analog“, sagt Kassai, die mit ihrem Angebot nicht nur Senior:innen miteinander vernetzen, sondern auch Begegnungen zwischen verschiedenen Generationen fördern möchte.
U60 muss anpacken, Ü60 ist zu Gast
Die Kontakte zur Hamburger Musik- und Kulturszene, die Oll Inklusiv die Türen öffnen z.B. zu Diskotheken und Künstler:innen, sowie den kreativen Kopf für die abwechslungsreichen Ideen bringt Mitra Kassai mit aus ihrer Tätigkeit als Musik- und Kulturmanagerin. Teil der Initiative sind etwa 40 Ehrenamtliche. I.d.R. unterstützen zehn davon bei den Veranstaltungen vor Ort – „mitmachen dürfen Menschen jeden Alters. Die unter 60-Jährigen müssen anpacken, die über 60-Jährigen sind zu Gast“, sagt Kassai. Aber als Personal möchte sie ihr Team keinesfalls bezeichnen: „Wenn es nicht ums Geld geht, ist die Teamdynamik eine ganz andere.“ So hätten sich längst Freundschaften zwischen einigen Ehrenamtlichen und Senior:innen entwickelt.
Seniorengerecht dank Barrierefreiheit
Wichtig bei der Organisation seniorengerechter Erlebnisse seien, so Kassai, insbesondere die Anforderungen an Barrierefreiheit. Zum Locationcheck dazu gehören für sie daher besonders die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, kurze und stufenlose Wege, die Möglichkeit zur Bestuhlung sowie geeignete Licht- und Lautstärkeverhältnisse. Außerdem seien alle Helfer:innen in Erster Hilfe geschult, ein Teammitglied sogar als Hygienemanager:in ausgebildet.
Mittelfristige Planung, kurzfristige Ankündigung
„Wir beginnen mit der Planung – sprich Location, Datum, Aktivitäten – ein halbes Jahr vorher“, sagt Kassai. Bei Non-Profit-Events sei die Verfügbarkeit der Locations unsicherer als bei klassischen Veranstaltungen. Oll Inklusiv kündige die Aktivität etwa eineinhalb bis zwei Monate vor dem Termin an, dann jedoch könne es zu kurzfristigen Absagen kommen, sollte der Betreiber einen besser bezahlten Auftrag annehmen. Die Zahl der Veranstaltungen hänge von den eingehenden Spendengeldern ab, die Teilnehmerzahl belaufe sich je nach Format auf zwischen fünf und 150 Personen.
Ein Aufwand, der sich lohnt
„Solange sich zwei Menschen gut unterhalten können, hat sich unsere Arbeit bereits gelohnt“, findet Kassai. Ihrer Meinung nach sollte jeder innerhalb seiner Möglichkeiten versuchen, die Welt ein Stück weit zu verbessern. Oll Inklusiv ist ihr persönliches Engagement gegen Alterseinsamkeit und Altersarmut und für ein Miteinander auf Augenhöhe. „Wenn Menschen sich begegnen, entstehen Momente und Emotionen, die gerade den Älteren unter uns, die das allein sein gewöhnt sind, viel bedeuten“, sagt Kassai.