Agenturtreue bs. Bäumchen wechsel dich

Pro & Contra: Einer Agentur auf immer treu sein oder auf zu neuen Ufern?

In unserer neuen Reihe „Pro & Contra“ lassen wir zum Start Vor- bzw. Nachteile von Agenturtreue versus regelmäßige Neuausschreibungen diskutieren…

Pro & Contra

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Die Klagen der Eventagenturen sind ebenso alt wie unverblümt. Der Katzentisch der Kommunikation ist größer geworden und Verbänden wie dem FAMAB und auch beharrlichen Protagonisten wie Vok Dams ist es gelungen, die Branchenbedeutung aufzuwerten. Trotzdem ist es nicht gelungen, von der kurzfristigen Einzelvergabe hinfort zu kommen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Der kosten- und zeitintensive Wettbewerb um Pitches und Gunst ist nicht nur geblieben, er hat sich intensiviert, wobei die Budgets und deren Kontrolle ein enges starres Korsett geworden sind. Das „Mach mal, Agentur, du hast freie Hand!“ ist eine selige Erinnerung der Pioniere. Die selbstbewussten Branchenriesen sind – bis auf Einzelfälle – von der Entwicklung hinweggespült. Die gelebte Praxis widerspricht oft den Nachhaltigkeitswerten oder sogar der gülden gedruckten Unternehmensethik.

Markus Jäger ist ein alter Hase, der die Entwicklungen und Verwerfungen am Eventmarkt agenturseitig alle miterlebt hat. Er hat den Untergang der MS kogag nicht nur überlebt, sondern ist mit jaeger + haeckerhase rechtzeitig ins Rettungsboot gestiegen und wie der Phoenix wieder auferstanden, während die Musik noch weiterspielte. Jäger hat einen guten Riecher.

Andreas Gruhl ist Geschäftsführer der Matchmakerfirma Aller ! Best GmbH, die sich darauf spezialisiert hat, die immer vorhandenen Wechselvorgänge zwischen Kunde und Kommunikationsagentur nicht nur geschmeidiger und zum eigenen Geschäftsmodellzu machen, sondern den Prozess konstruktiv für die Unternehmen zu gestalten.

 

“Drum prüfe, wer sich ewig bindet …“
Andreas Gruhl, Geschäftsführer, Aller ! Best GmbH – Die Agentur Experten.

Andreas Gruhl
Andreas Gruhl (Bild: Aller ! Best )

Nichts ist offensichtlicher als die klaren Vorteile einer langfristigen Beziehung. Aber: Auch nichts ist beständiger als die Veränderung. Und hier lauern die verdeckten Gefahren einer langfristigen Beziehung. Die richtige Balance zwischen Kontinuität und neuen Impulsen/Ideen zu finden, ist die große Herausforderung der Marketingverantwortlichen. Die Kommunikationslandschaft ändert sich so radikal und v. a.rasant wie noch nie. Und mit ihr die Anzahl und Vielfalt der Disziplinen. Allein die Digitalisierung hat so viele neue Geschäftsfelder auf allen Ebenen eröffnet. Alle bestehenden Disziplinen sind davon betroffen. Und es liegt an den Marktteilnehmern, sich darauf einzustellen, sowie das eigene Geschäftsmodell dabei sinnfällig anzupassen. Sei es durch das eigene Leistungsportfolio. Oder als Partner – kollaborativ – im Verbund. So weit, so gut. Aber die Realität sieht häufig anders aus.

Da wird lange an alt Bewährtem festgehalten. Es wird auf die Erfolge der Vergangenheit verwiesen. Was hilft die langfristigste Partnerschaft, wenn sich der Agenturpartner nicht auf Neuerungen einstellt bzw. einlässt? Zwischenfazit: Nichts Gutes. Marktveränderungen können einen sehr guten Grund für einen Agenturwechsel liefern. Sei es, dass ein Auftraggeber in Zukunft auf andere – neue – Disziplinen setzen will. Sei es, dass der bestehende Agenturpartner nicht das richtige – zeitgemäße – Angebotsportfolio hat.

Werfen wir einen Blick auf den Bereich Event. Was hat sich hier in den letzten Jahren nicht alles getan. Was wird sich da in den nächsten Jahren noch alles tun. Die Kategorie Event ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie die neuen – digitalen – Disziplinen einen ganzen Bereich bereichern können. Ob Social Media, Bewegtbild, digitale Echtzeit-Interaktionen, Virtual Reality etc.. Das sind alles Maßnahmen, die ein Event vertiefen, verbreitern und verlängern können. Brand Experience pur. Warum sollte ein Auftraggeber auf diese neuen Möglichkeiten verzichten? Nur weil der aktuelle Agenturpartnerzwar ein langfristig in der Vergangenheit erprobtes Leistungsportfolio hat, aber eben keine Antworten auf die neuen Anforderungen des Marktes? Nibelungentreue ist ein schlechter Ratgeber für neue Herausforderungen. Welchem Marketingverantwortlichen sollte man es verdenken, in so einer Situation über einen Agenturwechsel ernsthaft nachzudenken? Es ist geradezu seine Pflicht, sich bei ver- ändernden Marktbedingungen einen aktuellen Markt- überblick über die Agenturlandschaft zu verschaffen. Und nach einem Screening, einer Leistungsbewertung und gegenseitiger „Kennenlernphase“ – z. B. über ein Projekt – gegebenenfalls einen Agenturwechsel vorzunehmen. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet …“

 

Kreative Wertschöpfung
Markus Jäger, Geschäftsführer, jaeger + haeckerhase gmbh, Kommunikation für Mensch und Marke

Markus Jaeger
Markus Jäger (Bild: Udo Geisler / jaeger + haeckerhase)

Die Dauer der Beziehungen von Kunden und Agenturen wird kürzer. Das ist leider die Realität und dieser Umstand hat wiederum eine weitere Zunahme der ohnehin großen Pitchflutzur Folge. Und Pitches sind ein schlechtes Geschäft. Auf jeden Fall für die Agenturen, denn das Verhältnis von Projektbudget und Pitchkosten beträgt laut Branchenregel 5:1. Bei größeren Etats mag das Verhältnis günstiger sein, gleichwohl bleibt es betriebswirtschaftlicher Wahnsinn. Übrigens auch für den Kunden, der bei realistischer Vollkostenrechnung einsehen wird, dass eine rein projektbezogene Auftragsvergabe an immer wieder neue Agenturen Ressourcen auf beiden Seiten verschwendet. Erstaufträge kosten rund ein Drittel mehr als Folgeaufträge. Auch den Kunden. Zumindest, wenn man die wirtschaftliche Betrachtung über die reine Honorarhöhe der beauftragten Agentur hinaus bewertet.

Wer bei vermeintlich austauschbaren Leistungen auf die einkaufsgetriebene reine Kostenbetrachtung setzt, dem kann man schlecht verübeln, dass er die Kräfte des Wettbewerbs für sich nutzt, um am Ende die vermeintlich günstigste Lösung zu bekommen. Ob damit jedoch die höchste Wertschöpfung einhergeht, dürfte bezweifelt werden. Aber immerhin erhält man hierfür eine Aneinanderreihung von billigen Einzelprojekten. Immerhin. Wesentlich differenzierter zu bewerten, ist Agenturtreue in Bezug auf inhaltliche Aufgabenstellungen. Stichwort kreative Wertschöpfung. Der vermeintlich „frische Blick“, der neue und hoffentlich bessere Lösungen liefert, rechtfertigt aus Kundensicht regelmäßige Ausschreibungen und einzelne Projektvergaben. Werjedoch ausschließlich darauf setzt, verzichtet auf wertvolle Erfolgsfaktoren einer längerfristigen Zusammenarbeit. Verständnis und Kenntnis von Mensch und Marke und nicht zuletzt die Freude am gemeinsamen Erfolg und gemeinsamer Entwicklung einer „Corporate Event Identity“, die über das einmalige „Wuppen“ einer Einzelmaßnahme hinausgeht. Immer wieder bestätigen Kunden und Agenturen, die die Gepflogenheiten einer kontinuierlichen Zusammenarbeit schätzen, die qualitativen und wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Konstellation.

Darüber hinaus ist es zynisch, partnerschaftliches Gebaren und Nachhaltigkeit als Unternehmenswerte zu betonen und gleichzeitig volkswirtschaftliche Ressourcen durch „Agentur-Hopping“ zu verschleudern. Denn trotz aller wirtschaftlichen Aspekte geht es meiner Auffassung nach auch um eine ethische Frage, die sich jeder Auftraggeber stellen sollte: Haben wir nur einen Wertekodex oder leben wir ihn auch?

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