Die IAA 2017 steht unter keinem guten Stern, dank Dieselskandal und Elektromobilitätsdiskussion. Creative Director Stephan Schäfer-Mehdi prognostiziert den Aufschwung von Pop-up-Stores und Roadshows, während VDA-Präsident Matthias Wissmann die Chance für die größte Automobilmesse der Welt in der Digitalisierung sieht. Lesen Sie Meinung in unserem Pro & Contra zur Zukunft der IAA.
Der Dieselskandal verursacht nicht nur Schlagzeilen und Gipfel sowie volkswirtschaftliche Folgekosten, sondern inzwischen auch betriebswirtschaftliche Kosten bei den betroffenen Unternehmen. Aua! Der Deutschen liebstes Industrieprodukt Auto ist ins Gerede gekommen. Und Zukunftsmarken wie Tesla verzichten ganz auf eine Präsentation auf der großen alten PKW-Messe in Frankfurt. Auch die alten Platzhirsche wie Fiat und Chrysler kommen erst gar nicht mehr zur IAA. Das Messegeschäft stottert wie ein falsch eingestellter Motor.
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Ist die Zukunft der Mobilität das Automobil und ist die Branche in dieser Zukunft überhaupt noch an der Mainmetropole und ihrer Schau der großen Gesten interessiert? Stephan Schäfer-Mehdi, Creative Director für Wilkenwerk und freier Kreativ-Consultant und CD, sowie Matthias Wissmann, Präsident des IAA-veranstaltenden VDA, streiten zur Frage nach der Zukunft der Präsentation des langjährigen Faszinosums Auto.
„Zukunft erleben“ …
Stephan Schäfer-Mehdi, Strategie/Kreation für Wilkenwerk, Hamburg und freier Kreativ-Consultant und CD, Solingen
… ist das Motto der 67. IAA. Einige Aussteller fehlen. Nissan nutzte die CeBIT als Umfeld und verzichtet auf Frankfurt und auch Volvo geht andere Wege. Welche Zukunft also erleben? Sind Pop-up-Stores und Roadshows die Alternative? VW und Toyota machten den Anfang, Jaguar ist aktuell äußerst aktiv. Jenseits von der Konkurrenzsituation einer Messehalle, vom Aufwand ganz zu schweigen, hat man die Zielgruppe exklusiv für sich. Wenn dann nicht nur passiver Konsum, sondern das eigene Fahrerlebnis damit verbunden wird, stimmt die Customer Journey. Und für Eventagenturen ist das eine gute Chance, vom Budgetkuchen der Leitmessen etwas abzuzwacken. Vielleicht kommen die Automobilhersteller auch irgendwann darauf, dieses Format gleichzeitig für Presse und Blogger zu nutzen. Neben den Synergien für Presse, Marketing und Sales hätte es noch den Effekt der Ressourcenschonung in Zeiten des Klimawandels. Aber das ist Gegenwart, was ist also die Zukunft?
Ist es die vielbeschworene Verbindung von intensiven Live-Erlebnissen mit der reichweitenstarken Digitalwelt? Zum Beispiel das klitzekleine Event am Lagerfeuer mit ein paar – teils gebrauchten – Wohnmobilen auf MB-Basis, Bloggern und Journalisten. Autos und Fahrer wurden selbst zum Storyteller und ihre Geschichte vor allem digital erzählt. Oliver Schrott Kommunikation macht es mit dem #MBSleepOut vor. Ist das die Zukunft?
Immer weniger Menschen legen zukünftig Wert auf das eigene Auto. Die Verstädterung hat längst neue Antworten und die sind nicht zwingend das private Elektroauto, sondern Carsharing. Und was ist, wenn autonome Fahrzeuge den Straßenverkehr bestimmen? Dann wird die Mutter aller Events, die Mobilitätsindustrie mit ihren breitspurigen Car Launches, pensioniert. Kann nicht passieren? Ich sage dazu nur Diesel!
Der Zukunft entgegen
Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Berlin
Diese IAA steht für den grundlegenden Paradigmenwechsel, der derzeit in den Unternehmen – und zwar sowohl bei den Produkten, als auch in der Produktion – stattfindet: Die enorme Bedeutung der Digitalisierung wird hier auf der IAA für alle sichtbar. Keine andere Messe gibt bei diesem Megatrend so viel Orientierung, denn sie zeigt erstmals umfassend die großen Vorteile der Digitalisierung: Es geht zudem um die Integration der verschiedenen Verkehrsträger in der Stadt – Auto, Fahrrad, Bus, Taxi und Bahn, auch natürlich Carsharing. Insgesamt bietet die Digitalisierung beste Möglichkeiten, um die Mobilitätsherausforderungen in Städten zu meistern. In das vernetzte und automatisierte Fahren investiert die deutsche Automobilindustrie bis zum Jahr 2020 16 bis 18 Milliarden Euro.
Parallel dazu verläuft der zweite große Innovationstrend: der Hochlauf der alternativen Antriebe. Wir investieren dafür bis zum Jahr 2020 40 Milliarden Euro, die Zahl der Modelle wird sich von heute 30 auf über 100 mehr als verdreifachen. Das Auto der Zukunft fährt automatisiert, vernetzt und emissionsfrei.