Product Placement: Kommunikationsinstrument oder Grauzone?
von Andreas Schäfer , Artikel aus dem Archiv
Ist Product Placement wirklich nötig? In unserer Reihe „Pro & Contra“ sprechen wir dieses Mal über das Für und Wider der bezahlten Platzierung von Markenartikeln in Musikvideos, Filmen etc.
Es war mal wieder an Jan Böhmermann, ein Thema zu setzen. In seinem Neo Magazin Royal knüpfte er sich die deutsche Pop-Industrie und ihre Protagonisten vor. Frida Gold braust im Mercedes Cabrio und das Glasperlenspiel saugt und hackt mit dem Küchenmixer von AEG. Musikindustrie oder Industriemusik? Product Placement ist längst in die Video Clips der Popindustrie und ihrer Protagonisten eingezogen. Marken schmücken sich gerne mit Celebrities.
Ferdinand Froning von Locavi in Stuttgart ist nicht ganz unschuldig, wenn es um solches Product Placement geht. Seine Agentur ist darauf spezialisiert, Markenkunden die besondere Aufmerksamkeit in allen Medienkanälen zu vermitteln. Stephan Gorol vertritt dagegen Künstler wie Cordula Stratmann oder BAP, die als besonders integer gelten oder Events wie die 1live Krone. Sie diskutieren für EVENT PARTNER das Pro & Contra des Product Placements.
Product Placement als Kommunikationsinstrument
Ferdinand Froning, Geschäftsführer und Gründer, Locavi GmbH – Branded Entertainment:
Product Placement ist die Einbindung von dramaturgisch erforderlichen Requisiten in den Kontext eines in der Regel audio-visuellen Unterhaltungsformats und wird zwischen der werbungtreibenden Industrie und den Produzenten von Unterhaltungsangeboten – sei es im Film- oder TV-Kontext, Games, Musik und Web, also in jeglichem audio-visuellen Entertainment-Kontext – mittlerweile professionell eingesetzt. Dies alles findet national als auch international, insbesondere in der EU, in einem rechtlich klar geregelten Rahmen statt, an den sich professionelle Marktteilnehmer halten. Beim Product Placement ergeben sich Vorteile in der zielgenauen Erreichbarkeit spezifischer Zielgruppen ohne große Streuverluste. Insgesamt soll die Marken-Awareness gesteigert und über das gewählte Medium ein bestimmtes Markenimage transportiert werden. Daneben bietet die Integration von Produkten in einen emotionalen Kontext die Möglichkeit zur Emotionalisierung der Marke beim Rezipienten.
Product Placement ist grundsätzlich ein Kommunikationsinstrument mit wachsender Bedeutung, durchaus auch anlassbezogen als Ausgangspunkt für hochemotionale Kampagnen der (klassischen) Werbung. War früher allein die klassische Werbung die Königsdisziplin, so ist es heute die formale und inhaltliche Verknüpfung aller aktuellen Marketing-Kommunikationskanäle in integrierten Kampagnen. Dadurch werden die Maßnahmen innovativer und die Effizienzverluste – zumindest konzeptionell – eingeschränkt. PP ist zunehmend der Ausgangspunkt für solche integrierten Kampagnen, wenn man z.B. an globale Kinofilme denkt, die durch die Verwertungskanäle der großen Hollywood-Studios bis in den letzten Winkel der Erde distribuiert werden und in der Mehrfachverwertung (DVD/Pay-TV/Free-TV/(Pay-)VOD/Stream/Downloads) Hunderte von Millionen Menschen über einen undefinierbar langen Zeitraum erreichen.
Product Placement weist als Instrument klare Stärken auf: Durch die natürliche Integration des Produkts in die szenische Handlung erhält es Glaubwürdigkeit und wird i.d.R. positiv emotionalisiert. Wichtig dabei ist, dass das Produkt für die Zuschauer identifizierbar ist, ohne gezwungen zu wirken. Zudem gibt es weniger Verluste durch das Wechseln des Kommunikationskanals bzw. -mediums; gelungenes PP wird nicht als Störfaktor von den Rezipienten wahrgenommen.
Product Placement im Rahmen von Branded Entertainment Projekten kann und soll kein Ersatz für andere Marketing-Kommunikationsinstrumente sein, wenn es auch zuweilen von Marketern als vermeintlich kostengünstiger Ersatz von klassischer Werbung nachgefragt wird. Im Kommunikationsmix von Markenartiklern kann es bei richtigem und v.a. kontinuierlichem Einsatz gewünschte Einstellungsänderungen bei Konsumenten gegenüber der Marke erzeugen via Emotionalisierung, unterbewusst ausgelöste Imagetransfers (langfristig!), Darstellung der Marke in vertrauten Alltagssituationen und zielgruppengenauer Ausspielung, insbesondere durch die Wahl des jeweiligen Unterhaltungsformats (s.o.) – und dies sowohl national als auch international.
Das ganze Dilemma
Stephan Gorol, Geschäftsführer Gorol & Partner, Berlin und Köln:
Ferdinand Froning hat Recht. Aber die Machbarkeit eines Tuns sagt noch nichts über seine Wertigkeit aus. Oder reicht es uns aus, wenn es beispielsweise in der Jury-Begründung des „Product Placement Awards 2016“ heißt: „Das muss man erst mal schaffen. Ein so außergewöhnliches Produkt bzw. Thema wie Photovoltaik-Anlage (in einer Tele5 Comedy-Serie) zu platzieren, ohne dass es negativ auffällt, ist eine enorme Leistung. Es ist mutig und innovativ.“? Ersetzen wir den Begriff Photovoltaik-Anlage (weil gut) einmal durch die alten Energieformen Atomenergie oder Braunkohle (weil weniger gut). Wäre eine solche Produktplatzierung für die Kreativen auch noch „mutig und innovativ“; oder würde sie nur zu Spartenpreisen der Gewerkschaft IG BCE auf der einen und der Atomlobby auf der anderen Seite reichen? Ich denke schon.
Von ihren Inhalten her dürfen wir uns bei der Bewertung von Produktplatzierung also nicht leiten lassen. Das würde – fernab einer objektivierbaren Einschätzung – allein Stammtischgesprächen über unsere subjektiven Vorlieben und Meinungen Tür und Tor öffnen. Wie aber steht es um das Preiskriterium, ein Produkt zu platzieren, „ohne dass es negativ auffällt“? Sprache ist verräterisch und die Jurybegründung des „Product Placement Awards“ offenbart das ganze Dilemma. Denn Produktplatzierung spielt sich – trotz der rechtlichen Rahmensituation – immer noch in Zwischenbereichen und Grauzonen ab. Wenn es darum geht, das Unterbewusste des Konsumenten oder Bürgers zu erreichen und ihn für bestimmte Verhaltensweisen zu konditionieren, dann muss alles „Störende“ ausgeschaltet werden, wie beispielsweise eine negative dramaturgische Einbindung. Das Produkt muss einfach zur Handlung passen, auch wenn Drehbücher einmal kurz angepasst werden müssen.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass Produktionspartner aus der Werbeindustrie oder dem Lobbyismus in Film-, Musik- und Medienproduktionen eine immer bedeutendere Rolle spielen: als Geld- und Ideengeber. Für Produzenten und Content Manager gehört Produktplatzierung bereits ab der Entwicklungsphase zu einer wichtigen Einnahmequelle ihrer Film-, Fernseh- oder Musikformate. Zur Freude eines ausgeglichenen Etats fahren dann junge Kommissare im Smart an den Tatort, die Protagonistin eines Melodrams schreibt unentwegt an ihrem neuen iPad, Showkünstler werden honorarfrei in Primetime-Sendungen platziert und politische Themendiskussionen werden nicht immer nur vom Drehbuch bestimmt. Diese letzte Platzierung wäre zwar gesetzlich so nicht erlaubt und Ferdinand Froning verweist auch zu Recht auf den gesetzlichen Rahmen für Produktplatzierung. Aber Produktplatzierung schreit eben von sich aus nicht gerade nach Transparenz. Hier kann vieles immer noch im Verborgenen bleiben, was zwischen Produzenten, Programmmachern und Werbepartnern einvernehmlich besprochen worden ist. Für den Konsumenten unsichtbar verwischen dabei die Grenzen zwischen klassischer und transparenter Werbung sowie einer nicht wirklich transparenten Werbeintegration.
In Zeiten, in denen viele Menschen ohnehin nicht mehr zwischen Fiktionalität und Realität, zwischen Nachrichten, Fake News und alternativen Fakten unterschieden wollen oder können, ist eine erkennbare und strukturierende Transparenz unseres Tuns auch in unseren Werbebotschaften angebracht. Wenn diffuse Gefühlswelten zunehmend die Wahrnehmung unseres Zusammenlebens bestimmen, sollten wir dem Spiel mit dem Unterbewusstem keinen weiteren Vorschub leisten.