Das Coronavirus wirbelt gerade die ganze Welt durcheinander. Auch gewaltige rechtliche und versicherungstechnische Probleme bringt die Pandemie mit sich. Welche das in der Eventbranche sind und was man dagegen tun kann, erklären unsere Experten Thomas Waetke und Christan Raith.
Die Veranstaltungsbranche gehörte zu den ersten Branchen, die in Folge der Corona-Pandemie brachiale Einschnitte hinnehmen musste, und gehört zu den letzten, die wieder anfahren darf. Es ist keine Überraschung, dass die Pandemie gewaltige rechtliche Probleme mit sich bringt. Ich vermute, dass die aktuellen Rechtsfragen die Juristen und Gerichte noch jahre-, wahrscheinlich jahrzehntelang beschäftigen werden. Ein beispielhafter Überblick, was die Branche aktuell beschäftigt:
Gerade in der Anfangsphase werden viele Unternehmen gemerkt haben, dass ihre Verträge und AGBs dieses Thema gar nicht berücksichtigt haben – oder die Klauseln nicht wirksam sind. Ein Fokus der Pandemie liegt dabei insbesondere auf Klauseln zur Stornierung, zur höheren Gewalt oder auch zu Verschiebungen. Da es sicherlich nicht die letzte Pandemie gewesen sein wird, sollten Unternehmen ihre Verträge fit für die Zukunft machen: Hier geht sonst unnötig Geld verloren!
Dabei geht es gar nicht so sehr darum, sich im Vertrag nur Vorteile zu verschaffen und den anderen Vertragspartner maximal möglich „auszunehmen“. Man kann schon bei künftigen Problemen Geld sparen, wenn man Begrifflichkeiten und Unsicherheiten definiert und präzise formuliert.
Der Bund und die Länder haben Soforthilfen eingerichtet, die Unternehmen als nicht rückzahlungspflichtige Zahlungen beantragen können. Zwar lockt die Aussicht auf schnelles Geld, da angesichts der extremen Situation und Dringlichkeit die Soforthilfen ohne besondere Prüfung ausbezahlt werden/wurden. Allerdings muss der Antragsteller damit rechnen, dass die Prüfung später nachgeholt wird. Und bereits nach der Finanzkrise hatten so manche Unternehmen Ärger mit dem Staatsanwalt wegen „Subventionsbetrug“, weil die Voraussetzungen der Soforthilfe nicht erfüllt waren.
Der Gesetzgeber hat die dreiwöchige Insolvenzantragsfrist ausgesetzt. Unternehmen, die nicht bereits am 31. Dezember 2019 in der Krise waren, sondern pandemiebedingt eigentlich insolvent wären, müssen vorerst keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Das mag sich auf den ersten Blick als gute Idee anhören, aber diese Möglichkeit verleitet gegebenenfalls dazu, sich zu schnell auf sie zu berufen und das Unternehmen weiter durch die (besser: in die) Krise zu führen. Die Geschäftsleitung sollte also – bevor sie sich dieses Instruments bedient – sicherstellen, dass die Voraussetzungen der Aussetzung auch tatsächlich erfüllt sind. Sonst verschiebt man nur den Ärger auf später. Ein „Machen wir einfach mal“ verbietet sich angesichts der persönlichen Haftung der Geschäftsleitung!
Im Arbeitsrecht wurden die Voraussetzungen für die Kurzarbeit erheblich heruntergeschraubt. So mancher Unternehmer hat seine Leute in die Kurzarbeit geschickt und auf diesem Weg geglaubt, missliebige Mitarbeiter loswerden zu können – und gekündigt. Das ist aber schnell ein Schuss nach hinten: Denn wenn während der Kurzarbeit eine Kündigung ausgesprochen wird, fallen die Voraussetzungen der Kurzarbeit weg; der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den vollen Lohn plus Sozialversicherungsbeträge usw. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu bezahlen. Hinzu kommt, dass jedenfalls bei Unternehmen mit regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern der gesetzliche Kündigungsschutz besteht – und die Corona-Krise nicht automatisch eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt: Denn die fehlenden Aufträge kann der Arbeitgeber über die Kurzarbeit abfangen. Dementsprechend müsste er wohl zumindest nachweisen, dass der Wegfall der Aufträge nicht nur vorübergehend sein wird.
Im Shutdown mussten tausende Veranstaltungen abgesagt werden. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses zeichnet sich bereits ab, dass in den kommenden Wochen Events unter gewissen Bedingungen zugelassen werden. Dabei werden uns erhebliche Rechtsfragen beschäftigen.
Gefährlich kann die Verschiebung der Veranstaltung werden, wenn die Vertragspartner sich nicht darüber einigen, ob bei einem erneuten Verbot oder einem Wiedererstarken der Pandemie man sich noch auf höhere Gewalt berufen kann. Denn Voraussetzung der höheren Gewalt ist die Unvorhersehbarkeit. Wenn aber die Vertragspartner individuelle Absprachen treffen, kann dies die höhere Gewalt womöglich versehentlich ausschließen. Daher sollte insbesondere der zahlungspflichtige Vertragspartner regeln, dass ein erneutes Verbot oder Wiedererstarken nicht den Tatbestand der höheren Gewalt ausschließt.
Im Shutdown war nicht nur die Veranstaltung als solche verboten, sondern vielfach auch der Betrieb der Locations oder Dienstleistungen. Insoweit ist es hier relativ einfach, die höhere Gewalt für die meisten Vertragsverhältnisse zu bejahen.
Wenn künftig nur die Veranstaltung reglementiert wird (beispielsweise Besucherzahl pro x Quadratmeter), kann die Veranstaltung für den Veranstalter schnell unwirtschaftlich werden – während aber die anderen Vertragspartner durchaus in der Lage wären, ihre vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen. Ärger ist vorprogrammiert, ob sich der Veranstalter dann noch auf die höhere Gewalt wird berufen können. Die Gerichte werden sich sicherlich massenhaft mit dem Anpassungsanspruch zu beschäftigen haben, der sich aus § 313 BGB ergibt: der sogenannte Wegfall der Geschäftsgrundlage. Hier kommt es letztlich immer auf den Einzelfall an, wie sehr der vereinbarte Vergütungsanspruch reduziert wird bzw. ob es gar zur Auflösung des Vertrages kommt.
Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses hatte der Bundestag die Entscheidung über die sogenannte Gutscheinlösung vertagt. Mit dieser Gesetzesänderung soll es einem Veranstalter ermöglicht werden, nach einer pandemiebedingten Absage die Eintrittsgelder einzubehalten und einen Gutschein auszuhändigen. Nur bei Vorliegen eines Härtefalls kann der Besucher das Geld herausverlangen. Mit dieser Lösung gehen aber jede Menge Probleme einher, u.a. inwieweit ein Besucher gegenüber dem Veranstalter nachweisen muss, dass ein Härtefall vorliegt.
Seit dem Beschluss, dass keine Veranstaltungen mehr genehmigt, bestehende abgesagt und keine Großveranstaltungen bis zum 31. August mehr durchgeführt werden dürfen, sind tausende Schäden bei den Spezialmaklern und Versicherern eingereicht worden. Nicht alle Kunden haben Versicherungsschutz für Pandemien, da dies bei vielen Gesellschaften nur gegen Zuschlag zu bekommen war und keiner die Möglichkeit einer Pandemie beim Vertragsabschluss gesehen hat. Es hat uns alle überrascht und war nicht vorherzusehen. Andere Versicherungsbedingungen hatten schon immer Pandemien mitversichert, was einigen Kunden gar nicht bewusst war, jetzt aber für sie lebensrettend ist.
In der Schadenregulierung beschäftigt uns hauptsächlich, dass die Entscheidungen über Veranstaltungsverbote auf Landesebene erfolgen. Im Gegensatz zu den meisten Ländern wird bei uns keine übergreifende Entscheidung durch die Bundesregierung getroffen, was teilweise schon groteske Formen annahm. Wenn man auch noch Aufträge im Ausland hat, egal ob EU oder weltweit, dann wird es umso schwieriger. Ist eine Roadshow oder eine sonstige Eventreise durch ganz Deutschland geplant und einige Termine führen auch noch nach Österreich oder in die Schweiz, dann ist man die nächsten Wochen damit beschäftigt zu klären, welche Richtlinien in welchem Bundesland gelten bzw. wie die Ein- und Ausreise in die Nachbarstaaten geregelt ist.
Im Zweifel ist es auch noch so, dass man nur dann einen Schaden hat, wenn die eigene Veranstaltung auch von der Absage betroffen ist. Aktuell bedeutet dies, dass man eigentlich eine im September geplante Veranstaltung durchführen kann, die Termine in Berlin – aufgrund des Großveranstaltungsverbots bis Ende Oktober – jedoch absagen muss und auch noch gar nicht weiß, ob bis dahin ein anderes Bundesland vielleicht schon wieder einen separaten Weg gewählt hat. So wie eben auch die Definition von Großveranstaltung zwischen 1.000 und 5.000 Besuchern variiert. Schlimm dabei ist, dass man sein Routing so gelegt und auch ausgewählt hat, dass die Roadshow am Ende kostensparend bzw. gewinnbringend abschneidet. Die Ausgaben werden ebenfalls auf alle Events verteilt, und durch den Wegfall der Veranstaltungen in Berlin kann das bedeuten, dass man vielleicht schon defizitär ist.
Weitere Probleme bereiten auch die von Thomas Waetke angesprochenen Vertragsvereinbarungen. Im Schadenfall wird genau das geprüft. Wem steht das Geld zu und wem nicht. Ist eine Force-majeure-Klausel vereinbart, oder trägt im Schadenfall jeder selbst seine Kosten. Dabei spielt es keine Rolle, ob man das gut findet, oder wie es der Dienstleister sieht. Auch das ist nicht immer einfach, denn man braucht seine Dienstleister gegebenenfalls auch noch nächstes Jahr. Noch schwieriger wird es dann, wenn bereits Anzahlungen geleistet wurden. Für den Versicherer gilt jedoch: Vertrag ist eben Vertrag.
Weiter geht es bei den Einnahmen. Im Schadenfall soll man so gestellt werden, als ob kein Schaden eingetreten ist. Es ist also an einem selbst zu beweisen – oder sagen wir, glaubhaft darzustellen –, wie der Ticketvorverkauf gelaufen wäre und welche Einnahmen man während der Veranstaltung gehabt hätte: Getränke, Essen, Merchandise etc. Kunden, die ihre Events jährlich durchführen, tun sich da leichter, da man auf die Vorjahre schauen kann. Schwieriger wird es, wenn die Veranstaltung dieses Jahr zum ersten Mal stattgefunden hätte.
Sobald alle Schäden abgearbeitet sind, geht es weiter mit dem Ausblick für 2021. Der ist momentan leider noch nicht so rosig. Bisher sind die Versicherer noch in Schockstarre und wissen nicht, ob und wie es weitergeht. Eins ist jedoch klar, es wird kein Versicherer mehr Pandemien oder Epidemien versichern. Man kann zwar hoffen, dass das im Laufe der Jahre wieder besser wird, aber eine Garantie hat man dafür nicht. Gleichzeitig versuchen die Versicherer, die Millionenschäden wieder ein wenig zu kompensieren und weisen schon jetzt auf erheblich erhöhte Preise für 2021 hin. Aber auch da gibt es noch keine Details.
Die Umsatzeinbußen der ganzen Branche wirken sich auch auf alle Beteiligten aus. Trotzdem sollte kein Dienstleister seine Versicherungen kündigen oder ruhen lassen. Denn sobald man den ersten Auftrag hat, oder Material im Lager liegt, bestehen Risiken, die man absichern sollte. Selbst ein kleinerer Schaden kann die sowieso schon reduzierten Einnahmen komplett verzerren.
Als Fazit kann man mitnehmen, dass die momentanen Schäden gut reguliert werden, aber in Zukunft kein Versicherungsschutz mehr für Seuchen, Pandemien und Epidemien im Ausfallbereich mehr angeboten werden wird. Deshalb ist es wichtig, dass man seine Verträge überarbeitet und entsprechende Klauseln mit den Vertragspartnern vereinbart. So dass sich das Risiko in Zukunft etwas aufteilt, da man das materielle Risiko nicht mehr auf die Versicherer auslagern kann.