Was ist beim Aufsetzen von Verträgen zu berücksichtigen?
Rechts-Tipps zur Vertragsgestaltung
von Martina Courth nach einem Vortrag von Christoph Kauffmann, Artikel aus dem Archiv vom
Nicht selten führen fehlerhafte Verträge, AGB oder Leistungsbeschreibungen zu gerichtlichem Zwist zwischen zwei Parteien – insbesondere in Notsituationen wie der Corona-Krise. Rechtanwalt Christoph Kauffmann von Osborne Clarke gibt Tipps zur richtigen Gestaltung von Verträgen.
(Bild: Birgit Reitz-Hofmann/Shutterstock)
Warum streiten sich Parteien? Die kölsche Antwort: Entweder dat Jeld oder dat Jeföhl. Die Corona-Pandemie war ein schwerer Schlag für die Veranstaltungsindustrie. Als sechstgrößter Wirtschaftszweig in Deutschland mit einem Umsatz von knapp 81 Milliarden Euro und 1,13 Millionen Mitarbeitern musste sie durchschnittliche Umsatzeinbußen von 76,6 % im Pandemie-Jahr 2020 hinnehmen. Weiterhin ist die Planbarkeit von Events nur eingeschränkt möglich. Aus Anwaltssicht spielen hier zwei wichtige Faktoren zusammen: der hohe Planungsaufwand und die fehlende Planungssicherheit.
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Was passierte zwischen den Vertragspartnern?
Die Corona-Krise hat eine hohe Unsicherheit in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht mit sich gebracht. Während anfangs nicht klar war, wie man sich gegen das Virus schützen muss (Maske, ja oder nein? Etc.), führte die Krise auch zu Problemen in rechtlicher Hinsicht. Auf allen Seiten herrschte anfangs ein großes gegenseitiges Verständnis, aber auch dieses hatte irgendwann seine Grenzen. Die Vertragspartner anstehender Events kommunizierten viel miteinander, jeder wollte seine Leistung erbringen, wusste aber nicht, ob er oder sie das konnte. Teils wurden Abreden getroffen, vielleicht sogar zum Nachteil eines Vertragspartners. Die Frage „Verschieben oder Absagen?“ führte zu Konflikten. Ein wichtiger rechtlicher Aspekt war hier: Was wurde kommuniziert und wie wurde kommuniziert?
Wo lagen die rechtlichen Schwierigkeiten?
Zunächst stellt sich die Frage, wie ein Vertrag überhaupt zustande kommt. Ein Beispiel: Ein Messeanbieter verschickt ein Angebot mit Leistungsbeschreibung sowie dem Verweis auf seine AGB. Der Kunde nimmt das Angebot an und schickt seine eigenen AGB mit zurück. Diese Vorgehensweise ist zugegebenermaßen einfacher, als einen Vertrag zu schließen, bringt aber das Problem mit sich, dass möglicherweise „sich beißende“ AGB ausgetauscht worden sind. Die Rechtsprechung besagt folglich, dass sich diese Bedingungen sodann gegenseitig aufheben und das Gesetz greift – eine gegebenenfalls ungünstige Situation. Zuweilen kommt es auch vor, dass die AGB nicht zum Leistungsgegenstand an sich passen.
Hinzu kommen in der Corona-Situation möglicherweise ausgetauschte Nebenabreden: (Unbedachte) Äußerungen (in E-Mails) können beispielsweise die eigentlich guten Vertragsbedingungen untergraben.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Kündigungsregelungen: Diese sollten sauber und gut formuliert sein, dann ist es natürlich ein Leichtes, ein Event abzusagen. Ebenfalls relevant ist das Thema Haftungsklauseln: Bleibt man beim Beispiel des Messeveranstalters, so ist dieser oft in einer Sandwich-Position zwischen der Messe und seinen Ausstellern. Kann die Messe etwa einen Vertragsbestandteil nicht liefern, stellt sich die Frage, wie der Veranstalter gegenüber den Ausstellern haftet.
Empfehlung zum Abschluss eines individuellen Vertrages
Idealerweise wird aus all diesen Gründen ein Vertrag in einem einheitlichen Dokument geschlossen und von beiden Parteien unterzeichnet. Aber Achtung, in Deutschland gilt das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen! Sollte ein Vertragspartner beispielsweise seinem neuen Partner vorformulierte Vertragsbedingungen vorlegen, die er bereits früher für den Vertragsabschluss mit anderen Partnern genutzt hat, führt dies dazu, dass es sich dabei um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Schließlich sind diese nicht individuellausgearbeitet worden. Das wiederum bringt den Nachteil mit sich, dass alle Regelungen in dem Vertrag überprüfbar sind und rechtlich einer sogenannten Einzelfallbetrachtung unterliegen. D.h., sind diese vorformulierten Klauseln gegebenenfalls benachteiligend für denjenigen, der sie erhalten und unterzeichnet hat? Fazit: Verträge müssen vertragsfest und AGB-fest ausformuliert sein.
Wer vor Ausbruch der Corona-Pandemie eine sogenannte Force-Majeure-Klausel – diese regelt die Höhere Gewalt – Bestandteil seiner Verträge nennen konnte, konnte sich glücklich schätzen. War die Klausel ordnungsgemäß formuliert, fielen die Auswirkungen von Corona unter diese, was wiederum bewirkte, dass die Parteien leistungsfrei wurden.
Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage
In Zeiten von Corona haben die Begriffe Unmöglichkeit oder Wegfall der Geschäftsgrundlage oft eine Rolle gespielt. Traf der Gesetzgeber eine Entscheidung, aufgrund derer ein Event verboten wurde, so könnte es sich um einen Fall der Unmöglichkeit handeln. War die Situation derart, dass aufgrund Aussagen des Gesetzgebers eigentlich zwar in den Kernleistungsgehalt eingegriffen wurde, die Veranstaltung aber noch möglich war, könnte man argumentieren, dass ein sogenannter Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt. Dabei kommt es immer auf den Einzelfall an.
Betrachtet man die Rechtsfolgen, so führt Unmöglichkeit grundsätzlich erst einmal zu Leistungsfreiheit. Über den Wegfall der Geschäftsgrundlage können die Parteien einen Anspruch auf Vertragsanpassung geltend machen oder zurücktreten, wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder unzumutbar ist.
Anwendbares Recht und Gerichtsstand
Die Bedeutung von Vereinbarungen zwischen den Parteien über das auf den Vertrag anwendbare Recht und das im Streitfall zuständige Gericht dürfte bei rein deutschen Vertragspartnern und Leistungsinhalten eher gering sein. In einem solchem Fall entscheidet regelmäßig ein ordentliches deutsches Gericht unter Anwendung deutschen Rechts. Zwar gibt es auch im europäischen Raum mit der Rom-I-Verordnung und der EuGVVO ein einheitliches Recht. Das Ergebnis der Anwendung dieser Regelungen kann jedoch zu Ergebnissen führen, die nicht mit den Interessen der vertragschließenden Parteien zu vereinbaren sind. Sobald jedoch Leistungen über (internationale) Landesgrenzen hinweg ausgetauscht werden, ist es daher ratsam, sowohl eine Rechtswahlklausel als auch eine Gerichtsstandklausel in den Vertrag aufzunehmen.
Beim Aufsetzen der Gerichtsstandklausel sollte man sich darüber hinaus überlegen, wie man sich mit seinem Vertragspartner streiten will, sollte es zum Konflikt kommen: Will man vor Gericht gehen oder gibt es eventuell andere Lösungsmodelle?
Exkurs: Konfliktlösungsmechanismen
Denn man muss nicht immer sofort vor Gericht. Nachfolgend einige Handlungsoptionen, die für den Streitfall vereinbart werden können:
Verhandlungszwang („Sprechklausel“): Man könnte z.B. folgenden oder einen ähnlichen Satz in den Vertrag integrieren: „Im Streitfall verpflichten sich die Parteien, das obere Management zu ihrem Konflikt sprechen zu lassen.“
Mediation: Die Parteien versuchen, mithilfe eines Mediators den Streit zu einer Lösung zu führen. Der Mediator trifft keine Entscheidung, er unterstützt nur bei der Lösungsfindung.
Eskalationsklausel: Kombiniert man die beiden zuvor genannten Beispiele – vielleicht noch ergänzt um eine Schiedsabrede – dann nennt man das Eskalationsklausel. Es müssen somit mehrere Stufen beschritten werden, bevor die Parteien vor Gericht treten dürfen.
Adjudikation: Ein neutraler Dritter entscheidet über den Streit. Die Entscheidung hat jedenfalls eine vertraglich vereinbarte bindende Wirkung für die Parteien.
Selbstständige Beweisverfahren: Bevor es zum Prozess kommt, kann ein Sachverständiger beauftragt werden, Gutachten zu erstellen, die später während des Gerichtsverfahrens verwendet werden können.
Schiedsgutachterverfahren: Ähnlich der Adjudikation äußern sich hier Richter mit einem besonderen Skill Set zu einer bestimmten, zum Beispiel technischen Frage und treffen anschließend eine Entscheidung.
Schiedsverfahren: Der einzige Konfliktlösungsmechanismus, der den Parteien ein dem Gerichtsurteil ähnliches Ergebnis liefert, ist das Schiedsverfahren. Dieses ist nichts anderes als eine private Gerichtsbarkeit; oftmals auch in der Kritik, weil es eine Entscheidungsfindung hinter geschlossenen Türen ist – mittlerweile ein populäres Mittel, um internationale Streitigkeiten zu lösen. Der Schiedsgerichtsbarkeit wurde durch einen völkerrechtlichen Vertrag, die New Yorker Konvention von 1958, besondere Relevanz für den internationalen Handel verliehen. Die mittlerweile von 168 Staaten unterzeichnete Vereinbarung verpflichtet diese, Schiedssprüche aus anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und auch durchzusetzen. Das bedeutet etwa, dass ein Schiedsspruch, den ein privates Schiedsgericht in Indien erlassen hat, in Deutschland grundsätzlich anerkannt und vollstreckt werden kann.
Die Parteien können – anders als bei Gericht – das Schiedsverfahren komplett frei gestalten; was eine geringere Dauer des Verfahrens zur Folge haben kann (und dementsprechend möglicherweise geringere Gerichtskosten). Es handelt sich um ein nicht öffentliches Verfahren, d.h. bei entsprechender Vereinbarung herrscht vollständige Vertraulichkeit. Die Richter sind gemäß ihrer Sachkompetenz grundsätzlich frei wählbar. Letztlich ist das Verfahren konsensorientiert.
Nachteile sind die mitunter wesentlich höheren Kosten. Es kann sein, dass man sich in Verfahren mit Parteien aus Staaten mit einer völlig anderen Jurisdiktion in sehr aufwändigen Beweisaufnahmeverfahren wiederfindet. Vorteil als auch Nachteil: Die geschickte Wahl der Schiedsrichter kann den Ausgang des Verfahrens beeinflussen. Die Schiedsrichter sind, da sie bezahlt werden, in gewisser Weise von den Parteien mittelbar finanziell abhängig. Zuletzt gibt es grundsätzlich keinen Instanzenzug, es gibt somit keine Kontrolle der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung durch eine höhere Instanz.
Hybridmodelle: Man kann beispielsweise festhalten, dass man bis zu einem Streitwert von X Euro vor einem ordentlichen Gericht streiten möchte und darüber hinaus ein Schiedsgericht für zuständig erklären.
Was kann man zukünftig besser machen?
Welche Konsequenzen sind also zu ziehen? Verträge sollten vorausschauend und individuell gestaltet werden, unter Berücksichtigung der folgenden Punkte:
Wer ist Vertragspartner?
Nationaler oder internationaler Vertrag?
Was ist Vertragsgegenstand bzw. muss in die Leistungsbeschreibung?
Wie und in welchen Fällen sollen sich die Parteien vom Vertrag lösen können?
Wie haften die Parteien?
Was passiert im Streitfall?
Wenn man diese Punkte beherzigt, ist man für die nächste Krise – so sie denn nicht kommen mag – gut aufgestellt.
Zur Person
Christoph Kauffmann vertritt Mandanten in komplexen Rechtsstreitigkeiten und Schiedsverfahren. Als Teil seiner Streitbeilegungspraxis berät er regelmäßig zum Thema Konfliktmanagement und -vermeidung. Seine Mandanten sind aus verschiedenen Sektoren, wie z.B. Energy and Utilities, Transport and Automotive und Tech, Media and Comms.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Berkeley arbeitete er als Inhouse Counsel für ein US-Industrieunternehmen. Christoph Kauffmann hat einen Abschluss (LL.M.) von der University of California, Berkeley mit einer Spezialisierung im internationalen Wirtschaftsrecht. Er ist seit 2015 bei Osborne Clarke als Rechtsanwalt tätig.