von Prof. Dr. Hans Rück, Artikel aus dem Archiv vom
Schon einmal von Yield oder Revenue Management gehört? Nein? Dann ist es höchste Zeit, sich damit zu beschäftigen! Es geht um Kapazitätsauslastung von Flugsitzen, Hotelzimmern oder … Veranstaltungsräumen. Und genau deshalb sind diese Tools auch für das MICE-Management interessant.
(Bild: Shutterstock / BLGKV)
Yield Management wurde in den frühen 1980er Jahren von Fluggesellschaften in den USA entwickelt, um den Ticketerlös eines Fluges zu optimieren (engl. yield = Ertrag). Mit der Zeit wurden noch andere Erlösquellen in das System integriert, z.B. der Verkauf von Speisen und Getränken oder zollfreien Waren. Diese erweiterte Variante nennt man Revenue Management (RM).
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RM leistet einen entscheidenden Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg von Fluggesellschaften und ist deshalb längst ein absoluter Branchenstandard. Da Hotels vor ganz ähnlichen Problemen stehen wie Airlines, haben auch sie das RM inzwischen für sich entdeckt. Und verwenden es nicht nur zur Verbesserung ihrer Zimmerauslastung, sondern auch für den Bankett- und Tagungsbereich.
Und so ist das RM mittlerweile auch in der MICE-Industrie angekommen. Doch obwohl es besonders für Veranstaltungsstätten hilfreich sein kann, ist es dort noch wenig bekannt. Dem soll hiermit abgeholfen werden. Dazu müssen wir zunächst die Grundlagen dieses Tools aufarbeiten, wie es sich in der Airline-Branche entwickelt hat.
Mit Airlines gestartet, im MICE-Bereich gelandet
Das Ausgangsproblem jeder Airline besteht darin, dass die Ticketnachfrage zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftritt und nicht jede/r Passagier:in wirtschaftlich gleich werthaltig ist: Freizeitreisende buchen meist frühzeitig, sind aber preissensibel; an ihnen kann die Fluggesellschaft nicht so viel verdienen wie an den Geschäftsreisenden, die allerdings gern kurzfristig buchen.
Um nun zu verhindern, dass die verfügbaren Sitze im Flugzeug mit den wenig profitablen Freizeitreisenden zugebucht werden, bildet man Sitzplatzkontingente und blockiert frühzeitig das Kontingent für die profitableren Geschäftsreisenden. Die Kontingente sind mit verschiedenen Preisen belegt (für Freizeitreisende niedriger, für Geschäftsreisende höher), die je nach Buchungslage dynamisch angepasst werden. Die Geschäftsreisenden werden im Buchungsprozess bevorzugt: Falls ihr Kontingent erschöpft ist, aber noch Plätze für Freizeitreisende frei sind, werden diese mit Geschäftsreisenden belegt. Denn das Ziel des RM ist es, den Gesamtumsatz für eine gegebene Kapazität zu maximieren, indem die profitabelste Nachfrage bevorzugt befriedigt wird.
Höherwertige Nachfrage mit Priorität einbuchen
Eine Veranstaltungsstätte steht vor einem ganz ähnlichen Problem wie eine Airline: Soll man die frühzeitig eingegangene Buchungsanfrage für eine kleine Veranstaltung mit geringem Umsatz annehmen oder abwarten, ob nicht noch eine Anfrage für eine größere lukrativere Veranstaltung eingeht? Die Folgen der Entscheidung sind umso gravierender, je mehr die Veranstaltungsstätte neben der Raumvermietung an begleitenden Dienstleistungen verdient, z.B. Technik, Catering, Personalgestellung oder Übernachtung. Es liegt mithin nahe, das RM auch auf Veranstaltungsstätten anzuwenden, also auf Tagungshotels, Veranstaltungszentren und Special Event Locations. Das Ziel eines umfassenden „MICE Revenue Managements“ für Veranstaltungsstätten lautet: Maximiere den Gesamtumsatz aus Raummiete plus begleitenden Dienstleistungen!
Dazu ist es erforderlich, neben der Anzahl und Größe (in Quadratmeter) der Veranstaltungsräume auch deren maximale Kapazität (in Personen) zu kennen. Anders als im Flugzeug, das eine feste Zahl an Sitzplätzen hat, hängt das Fassungsvermögen eines Veranstaltungsraums von seiner Unterteilbarkeit, der Belegungsart (dem Veranstaltungstyp) und der Bestuhlungsform ab. Diese Flexibilität stellt für ein RM eine große Herausforderung dar, weil alle möglichen Raumkombinationen und -nutzungen durchgerechnet werden müssen, um die maximale Kapazität vollständig abzubilden.
Typische Kennzahlen für das MICE Revenue Management
Konversionsrate = Buchungen/Anfragen
Belegungsquote = belegte Räume/verfügbare Räume x 100
Auslastungsquote pro Raum = Belegtage pro Woche/Monat/Jahr
Durchschnittliche Teilnehmerzahl pro Veranstaltungsraum pro Woche/Monat/Jahr
Umsatz pro verfügbarem Quadratmeter: RevPASM = Revenue per Available Square Meter, vgl. die aus der Hotellerie bekannte Kennzahl RevPAR = Revenue per Available Room Umsatz pro Teilnehmer:in
Maximale und optimale Kapazität
Man muss also die Struktur des eigenen Veranstaltungsgeschäfts aufbrechen. Dazu benötigt man im ersten Schritt eine vollständige überschneidungsfreie Veranstaltungstypologie (siehe z.B. Rück 2016, S. 36, und Rück 2018, S. 168, in den Literaturhinweisen unten), die eine eindeutige Zuordnung real vorkommender Veranstaltungen ermöglichen muss.
Im zweiten Schritt wird diese Typologie auf die eigene Kapazität angewendet, indem für jede Raumeinheit (einzelner Raum oder Raumkombination) aus den historischen Daten der typische Veranstaltungsmix mit Teilnehmerzahlen, Bestuhlungsformen (Reihe vs. parlamentarisch), Dauer (ein-/mehrtägig) und Saisonalität des Buchungsaufkommens analysiert wird.
Aus den so entstandenen Belegungsprofilen kann die optimale Teilnehmerkapazität pro Veranstaltungsraum ermittelt werden, indem man sich auf den jeweils gängigsten Veranstaltungstyp fokussiert. Die optimale Kapazität ist eine realistischere Orientierungsgröße als die (nur theoretisch) „maximale“ Kapazität, die i.d.R. unerreichbar bleibt.
Von der Belegungshistorie zur Belegungsprognose
Mit Hilfe der historischen Belegungsprofile können außerdem Umsatztreiber identifiziert und nach Raummiete und begleitenden Dienstleistungen aufgeschlüsselt werden, um den Umsatz nach Höhe und Struktur einer Optimierung zuzuführen. Auf Basis der historischen Belegungsprofile sind im dritten Schritt Belegungsprognosen (Forecasts) für alle Raumeinheiten zu erstellen und eine dynamische Preisdifferenzierung in Abhängigkeit der Belegungsquoten zu entwickeln. Zu nachfragestarken Zeiten können die Preise höher, zu nachfrageschwachen Zeiten sollten sie niedriger angesetzt werden, wobei man stets die eigenen Kosten (Preisuntergrenze) und die Preise der Wettbewerber im Blick haben muss, um sich nicht „aus dem Markt zu kalkulieren“.
Auf diese Weise entsteht durch MICE Revenue Management ein dichtes Kennzahlensystem aus Key Performance Indicators (KPI), die den Nutzungsgrad der Kapazität beschreiben. Beispiele für häufig verwendete KPIs sind im nebenstehenden Infokasten wiedergegeben. Zur Administration empfiehlt sich die Nutzung spezialisierter Software für das Revenue Management; besonders für Hotels ist das Angebot vielfältig.
Veranstaltungskapazitäten profitabel managen
MICE Revenue Management ist ein komplexes Thema, das hier nur angerissen werden konnte. Es steht aber außer Frage, dass sich der Aufwand lohnt. Ein besseres Verständnis des eigenen Geschäfts auf Basis historischer Daten und daraus abgeleiteter Prognosen geben dem Management in Veranstaltungsstätten mehr Sicherheit und helfen ihm, bessere Entscheidungen zu treffen, wenn es um die profitable Auslastung der eigenen Kapazitäten geht.
Haake, B./Zech, N. (2021): Revenue Management im MICE, Tübingen
Rück, H. (2016): Events in der Reise- und Tourismusindustrie, in: Zanger, C. (Hg.): Events und Tourismus, Wiesbaden, S. 31–61
Rück, H. (2018): Tagungshotels im Wettbewerb, in: Ehlen, T./Scherhag, K. (Hg.): Aktuelle Herausforderungen in der Hotellerie, Berlin, S. 163–187