Richtig präsentieren und den Pitch gewinnen: eine Anleitung
von Christián Gálvez, Artikel aus dem Archiv vom
Bei jeder Konzeptpräsentation geht es darum, im Wettbewerb um den begehrten Etat beim Auftraggeber das beste Gefühl zu hinterlassen. Der „Speaker des Jahres“ Cristián Gálvez erklärt, wie Sie die neuesten Erkenntnisse der Kognitionsforschung nutzen, um mit moderner Rhetorik Menschen auf tieferer Ebene zu begeistern.
2011 veröffentlichten Forscher der renommierten Stanford University eine beeindruckende Studie. Zwei Probandengruppen nahmen an einer Meinungsumfrage zum Thema „Kriminalitätsbekämpfung“ teil. Beide Gruppen hatten zuvor jeweils einen Text über den rapiden Kriminalitätsanstieg in der (fiktiven) Stadt Addison gelesen. Beide Texte waren absolut deckungsgleich. Es gab nur einen wesentlichen Unterschied: In dem einen Text wurde der Kriminalitätsanstieg als „Wilde Bestie“, in dem anderen als „Virus“ bezeichnet. Tatsächlich unterschieden sich die Texte nur durch die einmalige Verwendung der jeweiligen Metapher mit einem dazu passenden Verb. Nach dem Lesen des Textes wurden die Probanden nach ihren Meinungen zur Lösung des Problems gefragt. Die Teilnehmer der Gruppe mit dem Text „Wilde Bestie“ forderten eine härtere Gangart der Polizei und der Gesetzgebung. Sie setzten auf eine einfache Strategie: Polizei aufrüsten und das Böse einsperren! Die Gruppe, die den Text mit dem „Virus“ noch in den Köpfen hatte, verfolgte in ihren Lösungsvorschlägen vor allem die Ursachenbekämpfung, bessere Bildung und den Abbau sozialer Unterschiede. Beide Gruppen begründeten ihre jeweiligen Lösungen auf Grundlage der Sachinformationen. Diese waren jedoch in beiden Fällen absolut gleich.
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Das Beispiel macht deutlich: Sprache steuert unser Denken und Fühlen und damit auch unsere Entscheidungen und unser Handeln. Sprache aktiviert im neuronalen Netzwerk Deutungsrahmen, die auf unbewusster Ebene Entscheidungen beeinflussen. Um das zu beweisen, schaut die moderne Kognitionsforschung mit ihren bildgebenden Verfahren den Menschen „zwischen die Ohren“. Und plötzlich zeigt sich, dass Entscheider gar nicht so rational entscheiden.
Aus den vielfältigen Erkenntnissen in diesem Bereich lassen sich praktische Handlungsanweisungen für erfolgreiche Wettbewerbspräsentationen ableiten. Dabei gibt es eine einfache Grundregel, die in der Präsentationsvorbereitung allerdings häufig vergessen wird: Es geht nicht darum, was auf der Leinwand gezeigt wird, sondern ausschließlich um das, was sich in den Köpfen der Entscheider formt.
Der heutige Head of TED, Chris Anderson, spricht davon, dass sich bei einer herausragenden Präsentation die Gehirne von Redner und Publikum synchronisieren. Das bedeutet für Wettbewerbspräsentationen: Das, was sich zuvor im Kopf der Kreation gebildet hat, wird zu einer klaren Vorstellung beim potenziellen Auftraggeber. Es bilden sich neue neuronale Verknüpfungen, die ebenso ein neues Denken, Fühlen und Entscheiden zur Folge haben. Da, wo die PowerPoint beginnt, passiert zunächst etwas „im Außen“ auf der Leinwand – und nicht „im Innern“ des Zuschauers. Daher ist Sprache für die Wettbewerbspräsentation das Mittel der Wahl, um innere Zustände stärker zielführend zu aktivieren und so den Deutungsrahmen der Zuhörer, der Kunden, zu beeinflussen. Fünf konkrete Beispiele sollen Lust machen, sich mehr mit der eigenen Sprach- und Präsentationskompetenz zu beschäftigen.
Das richtige Seeding
Gewinner erkennt man am Start. Verlierer auch. Eine Wettbewerbspräsentation entscheidet sich oftmals vor der eigentlichen Präsentation. Denn hier wird die Brille aufgesetzt, durch die Ihr Konzept bewertet wird. Smalltalk bietet die beste Möglichkeit, innere Einwände oder mögliche Zweifel bereits im Vorfeld auf unbewusster Ebene zu zerstreuen.
Nehmen wir an, Sie treten mit zwei weiteren Agenturen bei einem Münchner Versicherer zum „Beauty Contest“ an. Wie Sie vorab erfahren haben, sind die beiden Mitbewerber aus dem süddeutschen Raum. Ihre Agentur sitzt jedoch in Frankfurt. In den Vorgesprächen haben Sie herausgehört, dass Ihr potenzieller neuer Kunde auf der Suche nach einer langfristig guten Verbindung ist. Da könnte Ihr Agenturstandort die größte Hürde sein. Um Ihren Kunden schon vorab sanft aus seinem kognitiven Deutungsrahmen zu holen, schwärmen Sie im Smalltalk beiläufig von der schnellen ICE-Verbindung zwischen Frankfurt und München und wie Sie diese regelmäßig nutzen, um Ihre anderen Kunden in München persönlich zu betreuen. Denn gerade das schätzen ja auch die anderen Unternehmen so sehr an Ihrer Agentur.
Durch scheinbar beiläufiges Storytelling nehmen Sie die möglichen Haupteinwände bereits vorweg, und schon blickt Ihr Kunde durch eine andere Wahrnehmungsbrille. Ein solches Storytelling lebt vor allem vom sogenannten analogen Markieren. Dabei werden einzelne Worte („Verbindung“, „schätzen“, „andere“ „persönlich“) leicht betont, damit die entsprechenden kognitiven Deutungsrahmen stärker aktiviert werden.
Klarheit in den Rollen
Hinter jeder überzeugenden Persönlichkeit steckt ein erkennbarer Wille. Die Drehbuchautoren der Hollywood-Blockbuster sprechen von der „Overall Objective“, der sogenannten „Überaufgabe“. James Bond will die Welt retten und E.T. möchte zurück nach Hause. Gute Drehbuchautoren pflanzen diesen erkennbaren Willen in den ersten acht Minuten in die Köpfe des Publikums. So wissen wir als Zuschauer jederzeit, woran wir sind. Menschen brauchen diese Klarheit, um Orientierung zu gewinnen. Orientierung schafft Sicherheit und Stabilität – eine Voraussetzung für erfolgreiche Geschäfte.
Zu Beginn einer jeden Präsentation sollte daher klar sein, welcher der Beteiligten für welches Thema steht –in aller Klarheit. Bewährt hat sich die Trias aus Geschäftsführung („Ich will eine gute Partnerschaft“), Projektleitung („Ich will ein sicheres Projektmanagement“) und Kreation („Ich will die besten Konzepte“). Jede Rollenvermischung sorgt für unnötige Unruhe im neuronalen Netzwerk Ihrer Kunden.
Brücken bauen durch Signature Words
Jedes psychosoziale System verwendet eine eigene Sprache. Sprache ist immer ein Teil der jeweiligen Kultur. Das kann man sich bewusst zunutze machen. Pitch-Präsentationen sind ein bisschen wie Wahlkampf. Als Bill Clinton 1991/92 für das Amt des amerikanischen Präsidenten kandidierte, tourte er wie alle anderen Bewerber durch sämtliche Bundesstaaten des Landes. Es war bekannt, dass er von seinem Wahlkampfteam vorher typische Wörter des jeweiligen Bundesstaates erheben ließ und diese dann bewusst in seine Reden einbaute. Dadurch aktivierte er vertraute kognitive Deutungsrahmen bei seinen Zuhörern.
Menschen neigen auf unbewusster Ebene dazu, Botschaften als besonders wertvoll einzuschätzen, wenn sich diese vertraut anfühlen. Bei der Bundestagswahl 2002 in Deutschland lag der Niedersachse Gerhard Schröder hinter dem Bayern Edmund Stoiber. Die Elbe-Flutkatastrophe zog beide Kandidaten kurz vor der Wahl in den Osten. Stoiber funkte bayrisch – Schröder sprach als Mann des Volkes. Der eine erreichte die Menschen – der andere nicht: Am Ende fehlten Stoiber 6.027 Stimmen, um seinen Kanzler-Pitch zu gewinnen. Auch der Ausgang von Wettbewerbspräsentationen beruht oft auf einer knappen Entscheidung. Aktivieren Sie durch einzelne Wörter die Netzwerke, die bei Ihrem Kunden den Deutungsrahmen „Vertrauen“ aufbauen.
Adjektive und Adverbien
Kognitive Frames und die damit verbundenen Assoziationswelten können zudem durch Adjektive und Adverbien gezielt verstärkt werden. Der Projektleiter, der dem tiefen Bedürfnis des Kunden nach Sicherheit gerecht werden soll, tut gut daran, seinen aktiven Wortschatz gezielt mit Begrifflichkeiten wie „zuverlässig“, „sicher“, „genau“, „verlässlich“ oder „beständig“ anzureichern. Der Kreative spielt eine andere Klaviatur im Netzwerk des Kunden: Hier steuern Wörter wie „neu“, „aufregend“ oder „überraschend“ gezielt die Deutungsrahmen des Kunden.
Auf bewusster Ebene werden diese neuronalen Aktivierungen nicht wahrgenommen. Auf unbewusster Ebene sind sie jedoch sehr wirkungsvoll. Zahlreiche Studien belegen diesen sogenannten „Priming“-Effekt, der im zweiten Schritt die Entscheidung beeinflusst.
Begründungskonjunktionen
In einer Studie aus dem Jahr 1978 wurden Menschen, die in einer Bibliothek an einem Kopierer anstanden, um einen Gefallen gebeten. Mit Hilfe verschiedener Formulierungen testeten die Forscher, wann wartende Menschen bereit sind, andere vorzulassen. Bei der Formulierung „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Könnten Sie mich bitte vorlassen, weil ich es sehr eilig habe?“ gab es eine Erfolgsquote von 94 %. Beeindruckend war jedoch, dass es bei der Formulierung „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Könnten Sie mich bitte vorlassen, weil ich Kopien machen muss?“ die Erfolgsquote immer noch bei 93% lag – auch wenn die Begründung nicht wirklich eine war. Einige Jahre später analysierte Neil Rackham 35.000 Verkaufsgespräche. Dabei kam heraus, dass die erfolgreichen Verkäufer u.a. überdurchschnittlich viele Begründungskonjunktionen („der Grund dafür“, „weil“, „gerade deshalb“) verwendeten. Die moderne Kognitionsforschung mit ihren bildgebenden Verfahren liefert heute die Erklärung: Begründungskonjunktionen aktivieren Deutungsrahmen. Menschen sind eher bereit, einer Aussage oder Aufforderung zu folgen, wenn sie begründet wird. Diese Begründung muss dabei nicht einmal stichhaltig sein. Achten Sie deshalb in Ihrer Darstellung gezielt auf Begründungskonjunktionen.
Fazit
Die Erfahrung zeigt: Nicht immer gewinnt die Agentur mit dem fachlich besten Konzept. Gerade in der Live-Kommunikation geht es darum, dreidimensionale Erlebniswelten zu erzeugen. Wer es schafft, nicht nur im Außen durch PowerPoint, sondern vor allem in den Köpfen seiner Kunden die Deutungsrahmen gezielt zu fokussieren, steuert das Denken, Fühlen und damit auch die Entscheidung.
Zur Person
Cristián Gálvez ist Redner, Moderator, Coach und Buchautor. Regelmäßig unterstützt er Top-Executives bei ihren wichtigsten Vorträgen. Mit seinen Analysen ist er zudem regelmäßig Gast in den Medien. Am 22. November 2018 wird ihm von der Rhetorik Akademie Tübingen die Auszeichnung „Speaker des Jahres“ verliehen. Weitere Informationen und Trainingstermine unter www.galvez.de